Andrzej Wyczanski: Polen als Adelsrepublik. Aus dem Polnischen von Michael G. Esch (= Klio in Polen; Bd. 5), Osnabrück: fibre Verlag 2001, 460 S., 20 Abb., ISBN 978-3-929759-40-2, EUR 29,80
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Andrzej Wyczanski: Szlachta polska XVI wieku. [Der polnische Adel des 16. Jahrhunderts], Warzawa: Wydawnictwo Naukowe PWN 2001, 256 S., 56 Farb- u. 50 s/w-Abb., ISBN 978-8301134112
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
Meininger Museen (Hg.): Hexen und Hexenverfolgung in Thüringen. Begleitbuch zur Ausstellung 'Hexen in Thüringen' im Schloß Elisabethenburg Meiningen vom November 2003 bis April 2004, Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2003
Nataliia Ivanusa: Frauen im sächsisch-magdeburgischen Recht. Die Rechtspraxis in kleinpolnischen Städten im 16. Jahrhundert, Marburg: Herder-Institut 2017
Waldemar Kowalski: The Great Immigration. Scots in Crakow and Little Poland, circa 1500-1660, Leiden / Boston: Brill 2015
Einer der renommiertesten Frühneuzeithistoriker Polens ist der 1924 geborene Andrzej Wyczański, dessen Forschungsschwerpunkt das "goldene Zeitalter" Polens bildet. Seine breit gefächerte Ausrichtung reicht von der auch mentalitätsgeschichtlich geprägten Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte Polens in der Frühen Neuzeit bis hin zu prosopographischen Forschungen über die Eliten am königlichen Hof. Die auch ins Französische übersetzte Arbeit über den Lebensmittelkonsum in Polen (1969) und das Werk über die königlichen Sekretäre zwischen "Kultur und Politik" (1990) sind markanter Ausdruck dieser Arbeit. Hinzu kommt die Herausgebertätigkeit wichtiger Reihenwerke und Quelleneditionen wie den "Acta Tomiciana". Wyczański war gleichzeitig immer um einen breiten Kreis nichtprofessioneller Leser bemüht und trat als Autor populärer Darstellungen der Rolle Polens im Europa des 16. Jahrhunderts und der europäischen Geschichte dieser Zeit hervor.
Auch sein jüngstes Werk über den polnischen Adel steht in dieser Tradition. Das großzügig bebilderte Taschenbuch (die schwarz-weiß Abbildungen sind leider ohne Herkunftsnachweis) richtet sich wiederum an ein breites Publikum; deshalb finden sich auch keine Anmerkungen und eine nur knapp fünfseitige Literaturauswahl, aber immerhin ein Personenregister. Auf gut 200 Seiten schildert der Autor die polnische Adelsgesellschaft innerhalb der polnischen Gesellschaft, ihre Familienstrukturen, Bildungswege und Karrieren, Wohnverhältnisse und "Freizeitgestaltung" sowie ihre politischen Ideen.
Für das deutsche Fachpublikum gedacht ist dagegen die Übersetzung eines schon klassisch gewordenen Werkes von Wyczański: die 1965 erstmals erschienene und 1991 in Neubearbeitung herausgegebene Gesamtdarstellung über "Polen als Adelsrepublik (Polska Rzeczą Pospolitą szlachecką)". Im Unterschied zur ersten Auflage wurde der Zeitraum von 1454 bis 1506 aus der Darstellung herausgenommen, da der Begriff der Adelsrepublik hier noch keine Verwendung finden könne (62 f.). Weiterhin erweiterte und veränderte Wyczański in manchen Bereichen die Darstellung zum 17. und 18. Jahrhundert, wobei er auf neuere Arbeiten (Janusz Tazbir, Adam Miłobędzki) zugreifen konnte, die die These vom Verfall von Verfassung und Kultur in Frage stellten (15).
Mit seinen kritischen Äußerungen zu konventionellen Thesen der polnischen Historiographie - etwa die Władysław Pociechas über die Rolle der Königin Bona (76) - räumt der Verfasser gleichzeitig mit vielen historischen Mythen zur polnischen Frühneuzeit auf. Das Buch hat also durchaus aktuelle Züge und ist bis heute als Gesamtdarstellung unersetzt, auch wenn die Entstehungszeit an einigen Stellen deutlich wird. So gibt Wyczański die Begrenzung des Begriffs der "sozialen Klasse" selbst zu, verwendet ihn aber in Ermangelung besserer Begriffe weiter (64), allerdings nur an wenigen Stellen aufdringlich (etwa auf Seite 47 die viermalige Verwendung des Ausdrucks "Klassenkampf" in einem Abschnitt).
Der Verfasser griff außerdem Anregungen aus dem Bereich der französischen Annales-Schule auf und erweiterte die traditionelle Wirtschafts- und Sozialgeschichte um die Bereiche der Alltags- und Mentalitätsgeschichte, was 1965 intensive Diskussionen auslöste, aber 1991 schon fast selbstverständlich wirkte. Man vermisst nun eher die Darstellung anderer Bereiche wie etwa das Entstehen eines Nationalbewusstseins, Geschichts- und Erinnerungskulturen oder kulturelle Verbindungen innerhalb Europas. Eine weitere Beschränkung liegt in dem geografischen Rahmen: Wie Hans-Jürgen Bömelburg in seinem Nachwort (433-440) erläutert, ist die Konzentration auf die Kernterritorien des polnischen Staates (Klein- und Großpolen, Masowien) vor dem historiographischen Hintergrund der politischen Tabuisierung der polnisch-litauischen oder polnisch-ukrainischen Beziehungen zu sehen.
Auch in diesem Buch ist ein allgemein verständlicher Zugang angestrebt, obwohl der Autor "statt zu unterhalten und Zerstreuung zu bieten" lieber erklären und erläutern möchte, und "zwar nicht einzelne Fakten, sondern Gestalten und Veränderungen der alten Gesellschaft und der sie bildenden Menschen" (9 f.). Statt Fußnoten findet sich eine beschreibende Bibliografie zu jedem Kapitel (413-429), die in der deutschen Ausgabe durch eine dreiseitige Auswahl neuerer Literatur ergänzt wurde. Hier sind auch unauffällig wichtige deutsche Titel wie Gottfried Schramms Arbeit über den polnischen Adel und die Reformation von 1965 untergebracht [1], während in der Bibliografie noch der Mangel an Überblicksdarstellungen zur Reformation beklagt wird (419).
Erfreulich ist mancherorts die Belassung polnischer Begrifflichkeiten in Klammern, das ausführliche Personenregister sowie die insgesamt sorgfältige Redaktion der deutschen Fassung. Das Buch gliedert sich in drei (sinnvolle) Zeitabschnitte (1506-1572, 1572-1648, 1648-1764) mit jeweils drei Abschnitten zu Wirtschaft, Staat und Menschen. Hier sind Überschneidungen unvermeidlich, sie erleichtern aber andererseits eine handbuchartige Verwendung des Buches, dem der Rang eines Standardwerkes zukommt.
Anmerkung:
[1] Gottfried Schramm: Der polnische Adel und die Reformation 1548-1607, Wiesbaden 1965.
Karen Lambrecht