Rezension über:

Landesverband Lippe / Stadt Lemgo (Hgg.): Engelbert Kaempfer 1651-1716. Sein Leben und seine Reise, Lemgo: Institut für Lippische Landeskunde 2001, CD-ROM, ISBN 978-3-9807758-5-4, EUR 15,00
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Rezension von:
Andreas Niehaus
Ostasiatisches Seminar, Universität zu Köln
Redaktionelle Betreuung:
Stephan Laux
Empfohlene Zitierweise:
Andreas Niehaus: Rezension von: Landesverband Lippe / Stadt Lemgo (Hgg.): Engelbert Kaempfer 1651-1716. Sein Leben und seine Reise, Lemgo: Institut für Lippische Landeskunde 2001, in: sehepunkte 2 (2002), Nr. 9 [15.09.2002], URL: https://www.sehepunkte.de
/2002/09/1417.html


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Diese Rezension erscheint auch in PERFORM.

Landesverband Lippe / Stadt Lemgo (Hgg.): Engelbert Kaempfer 1651-1716

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Das Jahr 2001 kennzeichnet den 350. Geburtstag des Arztes, Naturwissenschaftlers und Forschers Engelbert Kaempfer. Aus Anlass dieses Jubiläums entstand eine ganze Reihe an Werken, die es sich zur Aufgabe machten, Leben und Werk Kaempfers neu aufzuarbeiten und zu würdigen.[1] Der Landesverband Lippe und die Stadt Lemgo ehrten das Leben Kaempfers mit der Ausstellung "Gingkobaum und Riesenkrabbe. Die Forschungsreisen des Engelbert Kaempfer (1651-1716)", die nun durch eine CD-ROM ergänzt wird, mit der Kaempfer "interaktiv" auf seiner rund zehnjährigen Reise bis hin nach Japan begleitet werden kann.

Engelbert Kaempfer wurde am 16. September 1651 in Lemgo geboren. Nach Studien der Medizin an verschiedenen Universitäten in Polen kam er 1861 an die Universität nach Uppsala und verkehrte am Hofe Karls XI. Hier gelang es ihm, einen Posten als Legationssekretär der schwedischen Persien-Gesandtschaft zu bekommen, mit der er am 20.3.1683 über Moskau, Nisabad, Saba und Kaschan in Richtung Isfahan aufbrach. In Isfahan musste die Gesandtschaft zunächst vier Monate auf eine Audienz bei Schah Suleiman warten, und Kaempfer blieb so genügend Zeit für seine eigenen Forschungen über die persische Kultur. Nach dem Scheitern der Mission entschloss sich Kaempfer, nicht nach Schweden zurückzukehren, sondern mehr Zeit in Asien zu verbringen und trat zu diesem Zwecke der Holländisch-Ostindischen Kompanie als Oberchirurgus bei. Auf dem Weg in die Handelsniederlassung der Kompanie in Bandar Abbas besuchte Kaempfer Naqs-i Rustam und die Ruinen von Persepolis, die er in der kurzen Zeit von nur drei Tagen zu beschreiben und zu zeichnen suchte. In Bandar Abbas musste Kaempfer gezwungenermaßen über zwei Jahre ausharren, ohne seinen Reisehunger stillen zu können. Auf Grund einer schweren Krankheit wurde er 1686 für mehrere Monate beurlaubt und verbrachte die Zeit der Genesung im Kurort Bugun. Hier verfasste er die Abhandlung "Palma abor", die später in sein wohl bekanntes Werk "Amoenitas exoticae" (1712) eingebunden werden sollte. Sein Weg führte ihn schließlich weiter über Indien und Batavia bis hin nach Japan, wo er zwei Jahre (1690-1692) als Arzt der Handelsniederlassung auf Deshima, einer kleinen, der Stadt Nagasaki vorgelagerten künstlichen Insel verbringen sollte.

Japan hatte sich seit 1639 von der Außenwelt isoliert. Allein den Holländern war es vergönnt, weiterhin Handel mit Japan zu betreiben. Als Arzt der Niederlassung kam Kaempfer häufig mit Japanern, die sich für die westliche Medizin und Wissenschaften interessierten, in Kontakt. Er nutzte diese Begegnungen, um so viel Wissen wie nur eben möglich über Land und Leute, über die Geschichte, Sprache und Religion Japans zusammenzutragen. Seine Abhandlungen zur Akupunktur und Moxibustion gehören zu den ersten und wichtigsten Informationsquellen zur japanischen Heilkunde. Die detaillierten Schilderungen, die auf seinen zwei Reisen (13.2.-8.5.1691 und 2.3.-12.5.1692) in die Hauptstadt Edo, das heutige Tokio, entstanden, sind auch heute noch eine wertvolle Quelle für den Zugang zu Leben und Alltag im Japan des 16. Jahrhunderts. Kaempfer machte sich während seiner Reisen, die die einzige Möglichkeit darstellten, aus der Isolation der Insel Deshima auszubrechen, heimlich Notizen über alles Gesehene. Er fertigte Zeichnungen von den vorkommenden Pflanzen (insgesamt 420) an, kartographierte und beschrieb nicht nur die eingeschlagene Route nach Edo, sondern lieferte auch eine Karte Gesamt-Japans.

Die Vertreter der holländischen Niederlassung mussten dem Shôgun in Edo einmal jährlich ihre Aufwartung machen. Von einer dieser Audienzen weiß Kaempfer folgende Szene zu berichten: "Dieses war aber nicht allein, was der Kaiser verlangte, sondern wir musten uns gefallen lassen, ordentliche Affenpossen auszuüben, die mir nicht einmal alle mehr erinnerlich sind; bald musten wir nämlich aufstehen und hin und her spatzieren, bald uns unter einander komplimentiren, dann tanzen, springen, einen betrunkenen Mann vorstellen, Japanisch stammeln, malen, Holländisch und Deutsch lesen, singen, die Mäntel bald um- und wieder wegthun, u.d. gl., ich an meinem Theile stimte hierbei eine Deutsche Liebesarie an." [2] Kaempfers Schilderungen dieser "ordentlichen Affenpossen" sollten in Europa herbe Kritik am erniedrigenden Verhalten der Holländer hervorrufen, denn dies "traf das kulturelle Überlegenheitsgefühl zutiefst". [3]

Nur unter Mühen gelang es Kaempfer, seine Aufzeichnungen aus Japan herauszuschmuggeln. Es war ihm allerdings nicht vergönnt, noch zu Lebzeiten sein Werk über Japan zu veröffentlichen. Erst 1727 sollte seine "History of Japan" in London, in einer Recht eigenwilligen englischen Übersetzung von Johann Caspar Scheuchzer, gedruckt werden. Dieses Werk, das in rascher Folge ins Französische (1729) und Holländische (1729 / 1733) übertragen wurde (eine deutsche Ausgabe erschien erst 1777-1778), hatte nachhaltigen Einfluss auf das Japanbild der Aufklärung, wie Peter Kapitza hat zeigen können. [4]

Die vom Landesverband Lippe und der Stadt Lemgo herausgegebene CD-ROM bietet dem Leser kurze, aber informative Texte zum Leben und zu den einzelnen Stationen der Reise Kaempfers, die durch zusätzlich abrufbare Passagen, zahlreiche Abbildungen und Zeichnungen aus den Primärquellen ergänzt werden. So wird es dem Betrachter ermöglicht, visuell einzutauchen in eine vergangene Zeit, auditiv unterstützt durch zeitgenössische Musik des jeweiligen Landes. Die CD-ROM ist sicherlich ein multimediales Lesevergnügen, bei der die Gefahr, auf der Reise durch die Welt des Hypertextes verloren zu gehen, durch die einfache und übersichtliche Navigation gering ist. Besonders hilfreich ist die Zeittafel, die es dem Leser ermöglicht, durch Links gezielt die vorhandenen Informationen zu einem bestimmten Ereignis im Leben Kaempfers abzurufen. Wer durch die CD-ROM Interesse bekommen hat, mehr über das Leben und Werk Kaempfers zu erfahren, kann sich mittels der umfangreichen Bibliografie über die vorhandenen elektronischen und nicht-elektronischen Forschungsarbeiten informieren.

Systemvoraussetzungen: Pentium III, Microsoft Windows 95/ 98/ 2000/ NT, 128 MB RAM, Soundkarte, Grafikkarte mit 800x600 Auflösung, 16 Bit Farbtiefe, 32-fach CD-ROM Laufwerk.

Anmerkungen:

[1] Besonders hervorzuheben sind hier: Engelbert Kaempfer: Werke. Kritische Ausgabe in Einzelbänden. Hg. v. Detlef Haberland, Wolfgang Michel, Elisabeth Gössmann. Band 1/1; 1/2: Heutiges Japan. Hg. v. Wolfgang Michel, Barend J. Terwiel. München 2001. Bd II: Briefe 1683-1715. Hg. v. Detlef Haberland, Wolfgang Michel Elisabeth Gössmann. München 2001 sowie Peter Kapitza: Engelbert Kaempfer und die europäische Aufklärung. München 2001.

[2] Engelbert Kaempfer: Geschichte und Beschreibung von Japan. Aus den Originalhandschriften des Verfassers hrsg. von Christian Wilhelm Dohm. Unveränderter Neudruck des 1777-1779 im Verlag der Meyerschen Buchhandlung in Lemgo erschienenen Originalwerks. 2 Bde. Stuttgart 1964 (= Quellen und Forschungen zur Geschichte der Geographie und der Reisen, Bd. 2), S. 285.

[3] Kapitza 2001, S. 28-31.

[4] Ebd. Kapitza 2001.


Andreas Niehaus