Ikuo Higashibaba: Christianity in Early Modern Japan. Kirishitan Belief and Practice (= Brill's Japanese Studies Library; Vol. 16), Leiden / Boston: Brill 2001, XXXII + 204 S., ISBN 978-90-04-12290-1, EUR 49,00
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Seitdem mit Franz Xaver und seiner Gruppe erstmals 1549 Missionare der Societas Jesu die japanischen Inseln betreten haben, gibt es Aufzeichnungen über ihr Wirken, ihre Erfolge und - wenn auch deutlich seltener - über ihre Misserfolge. Ausgehend von dieser eigentlich günstigen Quellenlage entstanden bis in die Gegenwart zahlreiche Untersuchungen, die sich mit dem Verlauf der katholischen Mission in Japan befassen.
Nun hat Ikuo Higashibaba eine weitere Studie vorgelegt, die sich mit der christlichen Mission in Japan beschäftigt - und konsequenterweise sind die Erwartungen an eine solche Untersuchung aus drei Gründen hoch: Erstens kann Higashibaba westliche Missionsberichte mit japanischen Quellen kombinieren und dadurch die größtenteils jesuitische Historiographie hinterfragen und neu akzentuieren. Zweitens hat er Zugang zur japanischen Historiographie, die selten genug in westlichen Werken zum Sprechen gebracht wird. Ein dritter Punkt ergibt sich aus seinem Ansatz: Es soll bei ihm nicht um die großen Namen gehen, nicht um die großen politischen Zusammenhänge. Vielmehr sollen der Glaube und die soziale Praxis der Menschen im Mittelpunkt stehen, die von den Europäern missioniert wurden. Higashibaba will mit seinen Quellen einen Blick in die neuen christlichen Gemeinden werfen, um dort nach Glauben und Ritualen zu fragen.
Erklärtes Ziel der Studie ist es, aufzuzeigen, wie die Japaner ein fremdes Religionssystem akzeptierten und es in ihr religiöses, soziales und politisches Umfeld inkorporierten. Higashibaba verzichtet dabei auf die Zuschreibung "Christen" für die missionierten Japaner. Er nennt sie "Kirishitan", um ihren synkretistischen Ansatz zu illustrieren, der neben Buddhismus und Shintô nun auch noch christliche Elemente aufnehmen konnte.
Ausgehend von seiner These konzentriert sich Higashibaba zunächst auf die ersten Jahre der jesuitischen Mission in Japan. Die Unkenntnis der Sprache, aber auch die geringe Zahl der Missionare führten dazu, dass nur ausgewählte Mittel der Mission zur Anwendung kamen: Massentaufen sollten eine Grundlage schaffen, die inhaltliche Ausbildung hielt damit allerdings nicht Schritt. Ein erster Katechismus kämpfte mit der Schwierigkeit, die Kernbegriffe des Christentums in japanische Worte kleiden zu müssen. Missverständnisse waren vorprogrammiert, wenn auf Bezeichnungen zurückgegriffen wurde, die bereits Kernaussagen des Buddhismus oder des Shintô beschrieben. Das Christentum drohte, in dieser synkretistischen Situation zu einem Lieferanten von Ideen zu werden, mit dem die Japaner nach eigenem Gutdünken ihr religiöses System ergänzen konnten.
Rituale und Symbole sollten helfen, die christliche Identität deutlich zu machen. Parallel dazu wurden allerdings auch die Bemühungen vorangetrieben, die japanische Grammatik zu erschließen, die Sprache zu lernen und einen japanischen Katechismus zu verfassen. Wichtige Symbole in Ritualen waren das Kreuz, Reliquien und Wasser. Ritualisiert wurden Bußpraxis und Geißelung. In all diesen Handlungen und Symbolen beobachtet Higashibaba den Wunsch, Heilung und Schutz zu erfahren. Dieser Wunsch sollte aber nicht nur durch das Christentum erfüllt werden.
Ergänzend erschien am Ende des 16. Jahrhunderts die "Dochiriina Kirishitan", die Doctrina Christiana. Higashibaba nimmt sich viel Raum, die japanischen und lateinischen Texte der "Dochiriina" zu analysieren. Verdienstvoll ist auch, dass er die japanische Vorrede ungekürzt zugänglich macht. Schon durch diese Vorrede wird deutlich, dass der Katechismus explizit den Fragen der japanischen Bevölkerung entgegenkam. Außerdem wird der Patre in der Schrift von seinem Schüler deutlicher herausgefordert als in europäischen Katechismen. Higashibaba wertet dies als ein Ausdruck der Schwierigkeiten, die christliche Botschaft in Japan zu verankern. Massentaufen allein machten die Menschen nicht zu Christen; das eigene religiöse System bestand fort, wenn christliche Alternativen nicht plausibel erschienen. Dies gilt insbesondere für den Exklusivitätsanspruch des Christentums.
So einzigartig dieser Katechismus war, auch er konnte nur auf den Grundlagen wirken, die bereits in der populären Frömmigkeit vorhanden waren. Die drei wichtigsten Themen Jenseits, Göttlichkeit und sündhafte Natur des Menschen findet Higashibaba bereits in der buddhistischen Lehre des reinen Landes (Jôdo Shinshû), die gut 100 Jahre vor der christlichen Mission in Japan wirkte. Diese Schule des Buddhismus biete demnach einen Ansatz, um der Frage nachzugehen, wie sich die christliche Botschaft in das japanische System der Religionen eingliedern und dadurch Bedeutung gewinnen konnte. Von einem historiographischen Standpunkt erscheint es allerdings problematisch, hier einen Vergleich über Ansätze von Religionen zu machen, die mit einer Distanz von 100 Jahren in Japan wirkten. Kontextbedingungen, Interessen, Erfahrungen der Bevölkerung und unterschiedliche Mittel, die Lehre an die Menschen heranzutragen, sind nur einige Aspekte, die sich im Laufe der Zeit verändert hatten. Ein solcher Vergleich zwischen dem Christentum und der Lehre des reinen Landes kann deshalb nur auf analytischer Ebene erfolgen.
Im vorletzten Kapitel kommt Higashibaba schließlich zum eigentlichen Leben in den Gemeinden: Er untersucht mit Geißelungen und Buße bereits genannte Rituale und ergänzt sie durch Taufe, Gebet und Eucharistie. Sakramentale und nicht-sakramentale Praktiken sollten demnach durch verbale Ritualisierung eine christliche Tradition im Alltag schaffen. Dass dies gelang, zeigt sein abschließendes Kapitel, in dem er die Christenverfolgungen des frühen 17. Jahrhunderts aufgreift. Abschwörung, Fortsetzung des Glaubens im Untergrund und Martyrium waren die drei Alternativen, die Higashibaba für die zahlreichen neuen Christen und die Patres in Japan festhielt. Missionare entschieden sich meist - sofern sie nicht das Land verließen - für das Martyrium. Für die japanischen Christen jedoch war die Arbeit im Untergrund erstrebenswerter. Ungeachtet der Einschätzung, die solch ein Handeln durch die institutionalisierte Kirche erfuhr, sahen sie darin die einzige Möglichkeit, nach 1614 ihren Glauben weiter zu leben.
Zweifelsfrei ist Higashibabas These vom japanischen Synkretismus ebenso anregend wie seine neu eingeführte Bezeichnung "Kirishitan" als heuristisches Mittel. Unglücklich ist es hingegen, dass er neben den jesuitischen Missionsberichten kaum neue Quellen anführt, die vielleicht einen weniger konstruierten Blick auf die soziale Praxis in den Gemeinden eröffnet hätten. Und erst zwischen den Seiten 72 und 75 behandelt er überhaupt das Quellenproblem, ohne jedoch seiner Auswahl an gedruckten Quellen handschriftliches Material hinzuzufügen. Hier liegt eine Aufgabe für die Zukunft: Das Quellenmaterial bedarf der deutlicheren Überprüfung, Ergänzungen zu Missionsberichten in japanischen und europäischen Archiven müssen gesucht werden. Dann erst kann es gelingen, von der Verlegenheitslösung Abstand zu nehmen, einerseits nach der Praxis und dem Glauben der Menschen zu fragen, andererseits aber die Antworten in normativen und missionarischen Schriften und mit Blick auf die politischen und militärischen Führer zu suchen. Diese Erweiterung der Quellenbasis würde auch Higashibabas Thesen zugute kommen.
Nicole Grochowina