Jan Lauts / Irmlind Luise Herzner: Federico da Montefeltro - Herzog von Urbino. Kriegsherr, Friedensfürst und Förderer der Künste, München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2001, 454 S., 20 Farbtafeln, 48 s/w-Abb., ISBN 978-3-422-06354-9, EUR 39,90
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Über Federico da Montefeltro (1422-1482), den außergewöhnlichen Condottiere und Renaissancefürsten mit dem charakteristischen Profil, der besonders durch zahlreiche Aufträge für Architektur und Kunst der Nachwelt in Erinnerung geblieben ist, liegt die erste, von Jan Lauts und Irmlind Luise Herzner verfasste deutschsprachige Biografie vor. Jan Lauts, der langjährige Direktor der Karlsruher Kunsthalle und Verfasser von Biografien über Isabella d'Este (1952) und Karoline Luise von Baden (1980), hinterließ bei seinem Tod 1993 ein unvollendetes Manuskript zum historisch-biographischen Teil, den die Koautorin komplettierte und um einen kunsthistorischen Teil erweiterte, in dem alle Kunstaufträge des Herzogs behandelt und unter Berücksichtigung der neuesten Forschungsergebnisse kritisch diskutiert werden. Herzner griff dabei den flüssigen und dennoch sachlichen Erzählstil Lauts' auf, sodass sich das Werk sprachlich als Einheit präsentiert.
Der Herzog von Urbino verkörperte wie kaum ein anderer das fürstliche Ideal "arma et litterae", auf das der Untertitel des Buches Bezug nimmt. Der erste biografische Teil, der im Wesentlichen von Lauts verfasst und von Herzner an Anfang und Ende ergänzt wurde, holt weit aus und beginnt im 10. Jahrhundert mit der Geschichte des Grafengeschlechts der Montefeltro und ihres Hauptsitzes Urbino, um dann das Condottiere-Wesen in Italien zu erläutern, das eine wichtige Voraussetzung für das Verständnis der besonderen Karriere Federicos darstellt. Vom Kräftemessen der großen Machtzentren Mailand, Venedig, Florenz, dem Kirchenstaat sowie dem Königreich Neapel im 15. Jahrhundert profitierten die Feudalherren vieler Kleinstaaten, die sich den größeren Mächten als Condottieri anboten und daraus nicht nur finanziellen, sondern auch gesellschaftlichen und politischen Gewinn zogen. Federicos Erfolge als Feldherr im Dienste der Sforza, des Königs von Neapel oder des Papstes, von der Eroberung der als uneinnehmbar geltenden Festung San Leo bei Rimini bis zu den Kriegen gegen Volterra, Ferrara und Florenz, brachten ihm 1474 die Erhebung zum Herzog durch Papst Sixtus IV. ein. Damit hatte der illegitim Geborene, der erst durch eine blutige Verschwörung gegen seinen Stiefbruder auf den Thron gelangte, den Gipfel der Macht erreicht.
Verlässlichkeit und Selbstdisziplin sollen ihn im Unterschied zu anderen, oft eigennützig handelnden Condottieri ausgezeichnet haben. Von den Zeitgenossen geschätzt, von den Untertanen geliebt, führte der vielseitig Gebildete Krieg mit dem Ziel einer Politik des Gleichgewichts, die den italienischen Staaten den Frieden erhalten sollte. Seine bewegte Biografie wird anhand von Augenzeugenberichten erzählt, wie etwa der Vita seines Kanzlers und engen Vertrauten Pierantonio Paltroni oder der "Cronica rimata" des Giovanni Santi, Raffaels Vater, sodass dem Leser Ton und Urteil der Zeitgenossen vermittelt werden. Politische und strategische Analysen ergänzen die zeitgenössischen Quellen und sorgen für die Wahrung der historisch kritischen Distanz.
Der allein von Herzner verfasste, zweite Teil des Buches zu Federico als Bauherr und Förderer der Künste gliedert sich nach Werkgruppen und Gattungen und ist katalogartig angelegt. Den Auftakt bildet ein Kapitel zu seinen Wappen und Impresen, in denen sich sein Selbstverständnis als wachsamer Heerführer und tugendsamer Friedensfürst ausdrückt. Die inflationäre Anbringung der Wappen und Herrschaftsymbole sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich, in den Palästen von Urbino und Gubbio, aber auch in kostbar ausgestatteten Manuskripten, gibt Aufschluss über seinen unbedingten Willen zur Selbstinszenierung. Der Arbeit am eigenen Mythos leisteten auch die Viten und Ehrengedichte hilfreiche Dienste, die zum Teil von ihm selbst in Auftrag gegeben, zum Teil in der Hoffnung auf seine fürstliche Förderung verfasst wurden. Wie viele Herrscher seiner Zeit schätzte der Herzog Astronomie und Astrologie und holte sich dort Rat, bevor er ins Feld zog. Anders als bisher angenommen, plädiert Herzner daher nicht nur für eine allegorische Lesart seiner ihn als "invictus" lobenden Medaille von 1468, sondern verweist auch auf präzise astrologische Konnotationen.
Federicos herausragende Bedeutung als Bauherr und Auftraggeber von Kunstwerken beruht auf den zahlreichen Innovationen, die ihm auf diesem Gebiet gelangen und mit denen er sich von seinen Mitstreitern, den Sforza in Mailand, den Este in Mantua, den Malatesta in Rimini oder den Medici in Florenz absetzte. Die fürstliche Tugend der "magnificentia" stellte er vor allem durch Qualität mit einer ganz individuellen Ausprägung unter Beweis. So vertritt der von Luciano Laurana und Francesco di Giorgio Martini errichtete und wahrscheinlich von den Schriften Albertis beeinflusste Palast im Zentrum Urbinos das völlig neuartige Konzept eines bürgernahen Herrschersitzes, einer "Stadt in Form eines Palastes", der den Einwohnern Urbinos weitgehend offen stand und so zur Identifikation der Untertanen mit dem Landesherrn beitrug. Herzner legt die Baugeschichte minuziös dar und ergänzt die formanalytischen Beschreibungen durch detaillierte Erläuterungen zu einzelnen Funktionsbereichen.
Im Zentrum stehen natürlich die beiden Studioli in Urbino und Gubbio, das erste nach der Rückführung der Hälfte der ursprünglichen Bilderausstattung nahezu wieder komplett und eines der besterhaltenen Zeugnisse dieses im 15. Jahrhundert weitverbreiteten Typus. Die Autorin schlüsselt die komplizierten Programme unter Berücksichtigung der umfangreichen Forschungsliteratur auf und liefert für den von Justus van Gent und Pedro Berruguete 1472-76 gemalten Uomini-Famosi-Zyklus einen neuen Rekonstruktionsvorschlag: Sie setzt das Doppelporträt des Hausherrn mit seinem Sohn in die Mitte der Ostwand, auf die der Betrachter beim Eintritt in das Studiolo schaut, und stellt ihm berühmte Zeitgenossen wie seinen Lehrer Vittorino da Feltre oder Papst Sixtus IV. zur Seite, denen er besonders verpflichtet war. An den übrigen Wänden schließen sich gruppenweise die klassischen kirchlichen und weltlichen Gelehrten an. Durch die Einbeziehung des Doppelporträts kulminiert die inhaltliche Bedeutung der mit zahlreichen Allusionen und Verweisen raffiniert spielenden Ausstattung des Studiolo in dem gewünschten Selbstbild seines Nutzers, des weisen Fürsten, der als Gelehrter und Feldherr die "vita contemplativa" mit der "vita activa" zum Wohle seines Landes verbindet.
Bei Piero della Francescas berühmter und ikonographisch nach wie vor irritierender "Geißelung Christi" lehnt Herzner Deutungsversuche ab, die in dem barfüßigen Jüngling mit rotem Gewand Federicos Stiefbruder (beziehungsweise Onkel) Oddantonio erkennen und das Werk als Gedenkbild für den 1444 Ermordeten verstehen wollen. Sie sieht darin vielmehr ein perspektivisches Bravourstück, mit dem Piero sich möglicherweise für weitere Aufträge empfehlen wollte. In der Tat scheint Federicos besonderes Interesse an Arithmetik und Geometrie, das sich auch in dem neuen Bildtypus der reinen Architekturvedute, wie sie in der kleinformatigen "città ideale" realisiert wurde, die spezifische Kultur am urbinatischen Hof geprägt zu haben. Die ideale Stadt wurde zum Denkmodell für die Regierung Federicos, der die Führung eines Gemeinwesens ähnlich einem Bild mit Zentralperspektive durch Ordnung, Klarheit und Gesetze bestimmt wissen wollte.
Diese mit viel Hintergrundwissen angefüllte Biografie eröffnet einen detaillierten Blick auf die Kultur an einem der glänzendsten Höfe der italienischen Renaissance. Man mag das Anliegen Jan Lauts' im biografischen Teil, das Lebensbild einer tugendhaften Persönlichkeit nachzuzeichnen, für etwas antiquiert halten, es trägt auf jeden Fall zu einer lebendigen Schilderung bei. Dass der an seinem Lebensweg orientierte Bogen im kunsthistorischen Teil nicht durchgehalten wurde, mag mit der Entstehungsgeschichte des Buches zusammenhängen. Irmlind Luise Herzner geht es vor allem darum, eine gesicherte Informationsbasis zu den herzoglichen Kunstaufträgen herzustellen, mit einer gewissen Zurückhaltung gegenüber weiterreichenden Interpretationen. Auf diese Weise werden bereits vorliegende, stärker interpretierende Ansätze, wie etwa die von Claudia Brink vorgebrachte These (2000), dass humanistische Bildung und künstlerisches Mäzenatentum der herrscherlichen Legitimation Federicos dienen und den Mangel seiner illegitimen Geburt kompensieren sollten, nicht fruchtbar gemacht.
Dennoch ist diese Biografie bestens geeignet, ein Standardwerk der Kunstgeschichte zu werden, aus dem weitere Forschungen etwa zur Frage der politischen Mythenbildung oder zu spezifischen Formen der Wechselbeziehung zwischen Kunst und Politik in der Frührenaissance schöpfen können. Der Band ist sorgfältig editiert, mit einem Orts- und Namensregister sowie mit einem gesonderten Bildteil ausgestattete, der gute Farb- und Schwarzweißabbildungen sowie Architektur- und Rekonstruktionszeichnungen enthält.
Elke Anna Werner