Rezension über:

Elke-Ursel Hammer: Monastische Reform zwischen Person und Institution. Zum Wirken des Abtes Adam Meyer von Gross St. Martin in Köln (1454-1499) (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte; Bd. 165), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2001, 636 S., 2 Karten, 1 Faltkarte, ISBN 978-3-525-35300-4, EUR 64,00
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Rezension von:
Barbara Schildt-Specker
Düsseldorf
Redaktionelle Betreuung:
Stephan Laux
Empfohlene Zitierweise:
Barbara Schildt-Specker: Rezension von: Elke-Ursel Hammer: Monastische Reform zwischen Person und Institution. Zum Wirken des Abtes Adam Meyer von Gross St. Martin in Köln (1454-1499), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2001, in: sehepunkte 2 (2002), Nr. 10 [15.10.2002], URL: https://www.sehepunkte.de
/2002/10/2870.html


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Elke-Ursel Hammer: Monastische Reform zwischen Person und Institution

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Im WS 1997/98 schloss Elke-Ursel Hammer in Jena ihre Dissertation ab, deren Druckfassung nun vorliegt. Eine fundierte Darstellung über die Träger spätmittelalterlicher monastischer Erneuerungsbewegungen war seit langem ein Desiderat. Nun hat eine der herausragenden Reformerpersönlichkeiten, Abt Adam Meyer von Groß Sankt Martin in Köln, ihre adäquate Würdigung erfahren. Dieser Abt, der im ersten Band der "Germania Benedictina" (1999) in nur zwei Hinweisen Erwähnung findet, war maßgeblich an der Übertragung der Bursfelder Observanz auf die Klöster der Kölner und Trierer Kirchenprovinz sowie im norddeutschen und niederländischen Gebiet beteiligt.

Auf über 600 gut lesbaren Seiten breitet Hammer die Wirkungsweise dieses nicht zuletzt wegen seines langen Lebens (ca. 1410-1499) und Abbatiats (1454-1499) erstaunlich aktiven Abtes aus. Ein biografisches Profil des in Trier geborenen und dem dortigen Sankt Maximin Kloster 1439 beigetretenen Meyer ist angesichts der Quellenlage nicht intendiert. Nach seinem Amtsantritt in Groß Sankt Martin 1454 gelang Meyer die finanzielle Sanierung dieser Abtei. Hier unterstreicht Hammer ein Ergebnis aus den "Studien zum Kanonissenstift" (I. Crusius, Göttingen 2001), nämlich eine deutliche Wechselbeziehung zwischen dem wirtschaftlichen und dem spirituellem Niedergang eines Klosters. Der Mangel an Ordenskontrollinstanzen bestärkte Meyer in seinem Reformenthusiasmus. Regelmäßige Provinzialkapitel und Visitationen wurden ihm zur conditio sine qua non erfolgreicher Reformen.

Das Hauptproblem der vom Trierer Reformzentrum Sankt Matthias angeführten Abteien war die Nichtexistenz einer einheitlichen Observanz, ein Problem, das der Zusammenschluss zur Bursfelder Kongregation ausräumte. Als hoher Ordensfunktionär entwickelte sich Adam Meyer - seit 1458 Bevollmächtigter des Provinzialverbandes - zum richtungsweisenden Vermittler zwischen diesem und dem Bursfelder Verband. Er gehörte der Kommission zur Erarbeitung der Statuten an und war ferner tonangebend bei der Ausformung des Visitationsschemas. Meyer galt als Praktiker, als Macher. Seine Problemorientiertheit und Praxisnähe konnte er als Visitator während einer 40jährigen Tätigkeit einbringen. Die zur "Abrundung" der Arbeit vorgestellten überlieferten Predigten und geistlichen Schriften wurden von der Nachwelt indes kaum gewürdigt.

Seitens des Ordens verfügte Meyer über umfassende Vollmachten zur Reform sämtlicher Klöster des Provinzialverbandes. Bemerkenswert ist Meyers Drängen auf intensive rechtliche Absicherung seitens kirchlicher Autoritäten im Vorfeld eines Reformvorhabens. Diese geschickte Strategie zur Vorbeugung mangelnder Rechtskompetenz war begründet, da Reformen zumeist misslangen, wenn die Rechtsbasis für nötigenfalls gewaltsame Interventionen fehlte. Als 1469 der Kölner Erzbischof den Benediktinerklöstern seiner Diözese den Anschluss an die Bursfelder Kongregation vorschrieb, konnte Meyer sich bischöflicher Unterstützung sicher sein. Gleichwohl war er nicht nur im Auftrag des Bischofs oder der Odensverbände ständig auf Reisen, sondern auch auf Weisung weltlicher Landesherrn oder städtischer Magistrate. Sein Aktionsradius erstreckte sich von Hirsau bis nach Bremen (Karte im Anhang des besprochenen Werkes). Meyer pflegte obendrein enge Kontakte zu reformorientierten Kreisen nichtbenediktinischer Ordenszugehörigkeit und war beispielsweise an der Reform des Zisterzienserklosters Marienstatt beteiligt (276).

Die Abschaffung des Adelsprivilegs gehörte zu den erklärten Ziel der Reformer. Freilich wehrten sich insbesondere ausschließlich adelige Konvente gegen Reformversuche von außen. Dass sie in Männerklöstern reibungsloser gelangen als in Frauenklöstern, sei deren umfangreicheren juristischen Absicherung (päpstliche Privilegien et cetera) zuzuschreiben, - so argumentiert Hammer. Innerhalb der Männerkonvente hätten die dem Bürgertum offen stehenden Universitäten zur Nivellierung des Standesunterschieds zwischen Adel und Bürgertum geführt (347). In Frauenklöstern war die Errichtung einer strengen Klausur hingegen ausdrückliche Intention der Reformer. Hier wird erneut das Fehlen einer Deutung des Motivs Klausur evident. Tatsache ist, dass Frauenklöster mehrheitlich keine Aufnahme in die Bursfelder Kongregation fanden.

Hammers Forschungsansatz ist neuartig insofern, als bislang Untersuchungen zu monastischen Reformen unter dem Gesichtspunkt des Verfalls der Ordensdisziplin angegangen wurden, ein Ansatz, bei dem das Untersuchungsergebnis zumeist schon vorher feststand. Hammer erforscht die Hintergründe und Konsequenzen und stellt sie in die territorialen Zusammenhänge. Insbesondere auch Landeshistoriker ziehen nicht wenig Gewinn aus dieser Lektüre. Deutlich wird, dass trotz guter Organisation und juristischer Absicherung die Bursfelder Kongregation verwundbar blieb. Mangelnde Strafkompetenz gegenüber Widerstand aus den eigenen Reihen ließ angedrohte Sanktionen als Zeichen von Hilflosigkeit erscheinen, weil die reale Macht fehlte. Die kompromisslose Durchsetzung einer Reform, die einhergehen konnte mit der Inhaftierung eines widerspenstigen Abtes oder der Errichtung einer fehlenden Klausur durch mitgebrachte Zimmerleute, gelang nur mit Hilfe bewaffneter Laien.

Hammers Erkenntnis lautet: Das Charakteristikum der spätmittelalterlichen monastischen Reform ist die Zusammenarbeit der maßgeblichen Reformkräfte einer Region. Reform ist Teil eines komplexen landes- und kirchenpolitischen Geschehens im vorreformatorischen Zeitalter. Ihre Prüfung der Zusammenhänge von bischöflichen, landesherrlichen und ordensinternen Reforminteressen sowie die Begutachtung der regionalen Kräfteverhältnisse, institutionellen Strukturen und politischen Rahmenbedingungen erlaubt eine Beantwortung der Frage nach der Primärinitiative von Reformunternehmungen. Für Reformerfolge, die allein auf die Tätigkeit des Provinzialverbandes zurückzuführen wären, findet Hammer keine Belege (60). Ihr gelingen einige Korrekturen älterer Darstellungen hinsichtlich der Initiative eines Bischofs oder Landesherrn zugeschriebenen Reformen, beispielsweise hinsichtlich der bisher vorherrschenden Einschätzung eigenständig motivierter Reforminteressen seitens des Klever Herzogs Johann I. von Kleve-Mark.

Die reformfreundliche Haltung dieses Herzogs sowie dessen bewaffnete Unterstützung garantierte den Reformerfolg in der Reichsabtei Werden, wo Meyer vorübergehend als Administrator fungierte. Angesichts erheblicher Widerstände ersuchte Meyer den Kaiser um juristische Absicherung. Seine erfolgreiche Strategie bündelte sämtliche überregionalen Kräfte, einschließlich des Papstes. Ohne bischöfliche und landesherrliche Kooperation und auch ordensübergreifenden Beistand, so die Bilanz Hammers, habe es keine erfolgreiche Klosterreform geben können: Schon die mangelnde Unterstützung seitens einer der drei wichtigsten an einer Reform beteiligten Parteien (Reformverband, Bischof, Landesherr) führte zur Blockade der Bemühungen. Intervention gar oder Opposition seitens territorial konkurrierender Kräfte vereitelten eine Reform. Dies galt auch für die Reformunternehmungen Meyers in den Diözesen Utrecht, Lüttich und Münster, wo die lokalen Gewaltenträger - der Herzog von Burgund und die zuständigen Bischöfe - Garanten der Erneuerung waren. Vorausgesetzt, es gelang Konventen, die zur Reform vereinten Kräfte gegeneinander auszuspielen, misslang das Reformunternehmen, wie die Vorgänge um die Abtei Egmond (180ff.) anschaulich zeigen. Dass einmal trotz einer konzertierten Aktion aller reformwilligen Kräfte die Reformbemühungen scheiterten (zum Beispiel Hamborn (292)), stellt sich als Ausnahme dar.

Die Analyse des Reformvorgehens Meyers konstatiert über eine beachtlich aktive Expansion der Bursfelder Kongregation hinaus, dass monastische Reform als Instrument landesfürstlicher Politik eingesetzt wurde. Reformunternehmungen bewirkten die Festigung der Einflussnahme auf geistliche Gemeinschaften und erlaubten die Ausdehnung der Zugriffsmöglichkeiten auf Klöster und Stifte fremder Territorialzugehörigkeit. In den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts wurden zahlreiche Klöster auf Initiative der jülich-bergischen Herzöge reformiert (412ff.). Deren Motiv war keineswegs religiöser Selbstzweck, sondern untrüglicher Ausdruck politischer Ambition, wie das Bemühen Herzog Wilhelms zeigt, die Abtei Deutz als Adelskloster zu erhalten. Auch die Motive des Utrechter Bischofs und der Kölner Erzbischöfe (mit Ausnahme des Hermann von Hessen) sind weniger in oberhirtlicher Verantwortung oder persönlicher Frömmigkeit als vielmehr auf landesherrlicher Ebene zu suchen.

Eine Zwangsreform von außen rief in vielen Klöstern Legitimationsschwierigkeiten hervor. Hier kamen Chroniken als propagandistisches Element zum Einsatz. Für mehrere Abteien gelingt Hammer der Nachweis bewusster "Manipulationen der Vorgänge" und "historiographischer Verzerrungen" seitens des Chronisten. Das Vorgehen der Reformkommission sollte als rechtmäßig dargestellt, die Reform im Nachhinein legitimiert werden. In Werden lieferte der Chronist eine zweckgefärbte Darstellung der Vorgänge (173f.), indem er die Verbannung des Reichsadels aus der Abtei "triumphalistisch-moralisierend" wertete. Schon früher stand die Werdener Chronik unter dem Verdacht der "Legendenbildung". Hammer weist sie nun entschieden dem Genre Propaganda zu. In den Chroniken der Abteien Egmond, Brauweiler (122), Maria Laach (148) oder Seligenstadt (178) lässt sich ebenfalls eine "Rechtfertigungsstrategie" nachweisen. Stereotyp wiederholten die Chronisten Diffamierungen in Bezug auf die Nichtreformwilligen als moralisch Unterlegene. Mit Hilfe eines Fingerzeigs auf "würfelspielende Konventualen im Wirtshaus" sollten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Reform beseitigt werden. Hammers Untersuchungsergebnisse sind wesentlich, da bis heute Verunglimpfungen aus Klosterchroniken ungeprüft als historische Wahrheit zitiert werden (377, Anmerkung 1355).

Abschließend hätte sich die Rezensentin gerne noch von dieser bemerkenswert lehrreichen Arbeit über Adam Meyer, jene zentrale Gestalt der spätmittelalterlichen monastischen Erneuerungsbewegungen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts im nordwestdeutschen-niederländischen Raum, darüber unterrichten lassen, wie und ob Meyers Reformmethode rezipiert wurde. Dies hätte den Umfang der Dissertation aber wohl endgültig gesprengt. Elke-Ursel Hammer hat jedoch das Fundament bereitet, auf dem vergleichende Studien aufbauen können.


Barbara Schildt-Specker