Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Im Jahre 2001 wurde mit der Ausgabe der beiden Registerbände das "Handbuch deutscher historischer Buchbestände in Europa" abgeschlossen. Bernhard Fabian, mittlerweile emeritierter Lehrstuhlinhaber für Anglistik an der Universität Münster, der spätestens seit den 1980er-Jahren als ein "spiritus movens" des deutschen Bibliothekswesens bezeichnet werden kann, konnte damit nach den entsprechenden Handbüchern für Deutschland und Österreich ein drittes wichtiges Handbuchprojekt zu einem überaus erfolgreichen Abschluss bringen. [1]
Die hier zu besprechenden vier Bände des Handbuchs sind den vom Beginn des Buchdrucks bis etwa 1900 erschienenen deutschen historischen Beständen in Prag, Böhmen und Mähren und der Slowakei gewidmet, wobei die Zweiteilung der Bestandsbeschreibung für Prag den enormen Bestand relevanter Publikationen in den Bibliotheken der tschechischen Hauptstadt eindrucksvoll wiederspiegelt. [2] Berücksichtigt werden gleichermaßen Bücher, Zeitschriften, Zeitungen, Grafiken, Atlanten, Karten, Musikdrucke und gedruckte Ephemera, wobei jedoch nie das einzelne Werk oder sein Verfasser, sondern der Bestandszusammenhang im Vordergrund steht. Ist es eigentlich Ordnungsprinzip der Reihe, in einem Band zunächst die Bibliotheken der Hauptstadt (mit der jeweiligen Nationalbibliothek an erster, der oder den Universitätsbibliothek(en) an zweiter und den - alphabetisch geordneten - übrigen Bibliotheken an dritter Stelle) aufzulisten und die übrigen wichtigen Bibliotheken im Alphabet der Orte folgen zu lassen, verstoßen alle hier zu besprechenden Bände gegen dieses Prinzip: im Falle der Tschechischen Republik einfach auf Grund der Fülle des zu Berichtenden, das immerhin vier Bände mit zusammen 1144 eng bedruckten Seiten erfordert, im Falle der Slowakei, weil sich die dortige Nationalbibliothek eben nicht in Bratislava/Preßburg, sondern in Martin befindet. Inhaltlich folgen sie jedoch der bewährten Abfolge: An die sogenannten "administrativen Angaben" zur jeweiligen Bibliothek schließen sich die Abschnitte Bestandsgeschichte, Bestandsbeschreibung, Kataloge, Quellen und Darstellungen zur Geschichte der Bibliothek und Bibliografie der Veröffentlichungen zu ihren Beständen an. Die einzelnen Beschreibungen sind dabei von einem so konstant hohen Niveau, dass sowohl den einzelnen, mit den jeweiligen Beständen offensichtlich bestens vertrauten Bearbeitern als auch den jeweiligen Regionalredaktionen allein dafür schon höchstes Lob gebührt.
Besonders hervorzuheben sind im übrigen die einleitenden Aufsätze "Bücher und Bibliotheken in Prag" (von Rudolf Málek mit Ergänzungen von Jaroslav Vrchotka), "Bibliotheken in Böhmen" (Jaroslav Vrchotka), "Bibliotheken in Mähren" (von Jaroslav Vobr) und "Bibliotheken in der Slowakei" (Miloš Kovačka), die jeweils konzise und verlässliche Einführungen in die Bibliotheksgeschichte und -entwicklung des behandelten Raums bieten.
Für den Ostmitteleuropaforscher stellen die vorliegenden Bände ein sicheres Hilfsmittel bei der Identifizierung relevanter Bestände nicht nur in den großen Bibliotheken Tschechiens und der Slowakei, sondern gerade auch in den kleineren und daher häufig nicht so bekannten Bibliotheken dar. Die Tatsache, dass in der Regel primär deutschsprachige Bestände berücksichtigt sind, wird gerade der des Tschechischen und Slowakischen Mächtige manchmal bedauern, dies entspricht jedoch der Intention des Herausgebers und ist diesem insofern auch keinesfalls vorzuwerfen. Gerade in den Bänden, die sich mit der Tschechischen Republik beschäftigen, ist dies jedoch insofern bedauerlich, als hier getrennt wird, was eigentlich zusammengehört, um die Geschichte Böhmens, Mährens und Schlesiens zu verstehen. Denn Vojtěch Balík, dem Direktor der Prager Nationalbibliothek, ist völlig zuzustimmen, wenn er schreibt, es sei "schwierig, manche auf dem Gebiet der historischen Länder Böhmen, Mähren und Schlesien aufgetretenen Kulturphänomene der deutschen oder der tschechischen Kultur zuzuordnen"(Band 1.1, Seite 21).
Hervorzuheben ist abschließend die hohe handwerkliche Qualität der einzelnen Bände, die ihre Benutzung nicht nur zu einem fach- und inhaltlichen Vergnügen macht, sondern auch gewährleistet, dass sie in der Tat durch viele Hände gehen können, ohne Schaden zu nehmen. Und dies kann man diesen hervorragenden Bänden aus einer hervorragenden Reihe nur wünschen.
Anmerkungen:
[1] Vgl. die Besprechungen zu Bd. 6 über Polen in: ZfO 49 (2000), S. 428 f., und zu Bd. 7.2 über die baltischen Republiken ebenda, 612 ff.
[2] Die unter der Verwaltung des Nationalmuseums stehenden Schloßbibliotheken auf dem Gebiet der Tschechischen Republik wurden bereits 1997 in Bd. 2 des Handbuchs behandelt.
Jürgen Warmbrunn