Otto Bauer: Von der ungeregelten Waldnutzung zur nachhaltigen Forstwirtschaft. Eine Analyse der Prozesse in Bayern an der Schwelle zum 19. Jahrhundert (= Forstliche Forschungsberichte. Schriftenreihe des Wissenschaftszentrums Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt der TU München und der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft; Nr. 189), Weihenstephan: Studienfakultät für Forstwissenschaft und Ressourcenmanagement 2002, 354 S., ISBN 978-3-933506-20-7, EUR 25,00
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Die Entwicklung des "Nachhaltigkeitsprinzips" des ausgehenden 18. Jahrhunderts, die zunehmend unter umweltgeschichtlichen Aspekten beleuchtet wird, steht im Mittelpunkt der vom Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt der TU München 2001 als Dissertation angenommenen Studie über die Entwicklung der Forstwirtschaft Bayerns vor 1800. Otto Bauer untersucht die forstwirtschaftlichen, ökonomischen und sozialen Hintergründe, die zur Entscheidung für eine nachhaltige, an der Wuchsleistung der Wälder orientierte Forstwirtschaft führten. Dabei konzentriert er sich auf das Kurfürstentum Bayern (Altbayern und Oberpfalz) und die Herzogtümer Neuburg und Sulzbach, die seit der Regierungsübernahme Kurfürst Karl Theodors (1777-1799) als die Oberen Kurlande Pfalz-Bayern bezeichnet wurden.
In Folge einer am Bedarf orientierten Nutzung des Waldes, der vor 1800 alleiniger Rohstoff- und Energielieferant war und gleichzeitig den Bedürfnissen der Landwirtschaft, der Gewerbe sowie der Großverbraucher der Salinen, Eisenindustrie und Glashütten gerecht werden sollte, traten vor allem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Versorgungsengpässe auf, die eine Holznot bisher unbekannten Ausmaßes befürchten ließen. Die Sicherung der Energie- und Rohstoffversorgung war damals wie heute eine politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Notwendigkeit. In Kurbayern versuchte der Landesherr, das Problem mit Hilfe von Gesetzen und Verordnungen zu lösen, die einen vorsichtigen Umgang mit der Rohstoffquelle Wald vorschrieben und von einer leistungsfähigen und fachlich geschulten Forstverwaltung umgesetzt wurden. Die Errichtung einer forstwirtschaftlich qualifizierten Verwaltung, die nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgebildet war und aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hatte, war Voraussetzung einer nachhaltigen Bewirtschaftung des Waldes.
Die Untersuchung ist in acht Kapitel untergliedert. Im ersten Abschnitt stellt Otto Bauer seinen Untersuchungsgegenstand vor, bettet ihn räumlich und zeitlich ein und erläutert die Quellenbasis, auf der die Arbeit ruht; er stützt sich im Wesentlichen auf Verwaltungsakten des 18. Jahrhunderts und auf landesherrliche Verordnungen, sodass, trotz des Bemühens um Quellen, die auch die Perspektive der betroffenen Bevölkerung berücksichtigen (vor allem Volksliedgut), der Blickwinkel der Obrigkeit dominiert. Im zweiten Abschnitt werden die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen skizziert und Veränderungen, die sich auf das Forstwesen auswirkten, dargestellt.
Nach diesen beiden einleitenden Abschnitten wird der eigentliche Gegenstand, der landesherrliche Forst im Kurbayern des ausgehenden 18. Jahrhunderts, in den Blick genommen. Otto Bauer schildert anhand zeitgenössischer Quellen, vor allem der Forsteinrichtungswerke Mathias von Schilchers und der Inspektionsberichte Joseph von Utzschneiders, den aus forstlicher Sicht unbefriedigenden Waldzustand und erläutert dessen Ursachen. Die vielfältigen Ansprüche der gewerblichen Holzverbraucher, die oft unentgeltliche Versorgung der Privathaushalte mit Brennholz und die Bedürfnisse der Landwirtschaft, insbesondere die Streuentnahme und die Waldweide, sowie die Jagd schwächten die Leistungskraft des Waldes und behinderten eine planmäßige Bewirtschaftung. Ausführlich dargestellt werden die unterschiedlichen waldbaulichen Methoden des 18. Jahrhunderts wie Holzeinschlag, künstliche Verjüngung, Schutz der Kulturen und ihre Auswirkungen auf den Wald. Versäumnisse auf diesen Gebieten führten in Verbindung mit Brand-, Sturm- und Insektenschäden zu einem Bestockungswandel und zum Vordringen von Nadelholz.
Im vierten Abschnitt erläutert Otto Bauer anhand zeitgenössischer Beschreibungen die Furcht vor dem Holzmangel als Phänomen des 18. Jahrhunderts und nennt Maßnahmen und Neuerungen zur Steigerung des Holzertrags sowie zur Reduzierung des Holzverbrauchs, wie etwa die Verwendung von Ziegeln und Steinen beim Hausbau oder die Entwicklung von Holzsparöfen. Obwohl der Holzmangel vielfach lokal begrenzt war, wurde er überregional als bedrohlich empfunden und trug zu einem schwindenden Widerstand gegen landesherrliche Verordnungen, die eine Beschränkung der Waldnutzung bezweckten, bei. Um das Prinzip der nachhaltigen Waldbewirtschaftung durchzusetzen, von der man sich eine langfristige Sicherung der Holzversorgung erwartete, organisierte der Kurfürst die Forstverwaltung neu und schuf 1795 mit der Forstkammer eine leistungsfähige Zentralbehörde (124).
Die kurfürstliche Forstverwaltung und ihre Aufgaben sind Thema des fünften Abschnittes, der zugleich der umfangreichste der Untersuchung ist. Hier wird die Geschichte der Forstverwaltung seit der Mitte des 18. Jahrhunderts beschrieben, vor allem die häufig wechselnden Zuständigkeiten verschiedener Zentral-, Mittel- und Unterbehörden sowie die Auswirkungen dieser Praxis auf das Forstwesen. Breiten Raum nehmen dabei die unterschiedlichen Maßnahmen und Verordnungen zur Verbesserung des Waldzustandes und des Ertrags (forstliche Planung, Forstamtsinstruktionen und Dienstanweisungen) sowie Interessenkonflikte zwischen Jagd und Forst ein. Erst mit der Errichtung einer Fachbehörde Ende des 18. Jahrhunderts und einer fachlich qualifizierten Ausbildung des Forstpersonals, die in Kapitel sieben vorgestellt wird, ließ sich das Prinzip der "Nachhaltigkeit" wirkungsvoll umsetzen und eine Wende in der Forstwirtschaft herbeiführen.
Kapitel sechs beschäftigt sich mit den Auswirkungen liberaler Strömungen auf das Forstwesen Ende des 18. Jahrhunderts. Staatswaldverkauf, Gemeindewaldaufteilung, die Ablösung von Forstrechten (Purifikation) und eine Liberalisierung des Holzmarktes führten zur Verminderung des Staatsforstes und Vermehrung des privaten Waldbesitzes, der dem Zugriff der staatlichen Forstverwaltung stärker entzogen war. In diesem Zusammenhang wäre ein Ausblick auf die Probleme wünschenswert gewesen, die mit der Übernahme des Klosterwaldes in Staatsbesitz zu Beginn des 19. Jahrhunderts einhergingen.
In der abschließenden Diskussion und Zusammenfassung werden die Ergebnisse der Untersuchung im Kontext von Forschung und Literatur erläutert. Hier geht Otto Bauer noch einmal auf die in der Umweltgeschichte nach wie vor kontrovers diskutierte Holznot ein. Er weist darauf hin, dass das Augenmerk des bayerischen Kurfürsten und seiner Verwaltung der Angst der Bevölkerung vor einer Holznot ebenso galt wie dem Ausmaß der Holznot. Erstere wurde sogar gefördert, um aus landesherrlicher Sicht notwendige Maßnahmen zur Verbesserung des Waldzustandes durchführen zu können (282).
Otto Bauer ist eine gut lesbare Arbeit gelungen, deren zentrale These, dass die nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes zur Sicherung der Holzversorgung notwendig war und die Umsetzung dieses Prinzips nur von einer fachlich qualifizierten Verwaltung geleistet werden konnte, einleuchtet und die zusätzlich eine Lücke in der Geschichte der bayerischen Verwaltung schließt.
Elisabeth Weinberger