Josef Kirmeier / Bernd Schneidmüller / Stefan Weinfurter u.a. (Hgg.): Kaiser Heinrich II. 1002-1024. Begleitband zur Bayerischen Landesausstellung 2002 (Bamberg, 9.7. - 20.10.2002), Stuttgart: Theiss 2002, 439 S., m. CD-ROM, ISBN 978-3-8062-1712-4, EUR 24,90
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Jubiläen sind beliebte Anlässe für historische Ausstellungen, denen man sich offensichtlich umso weniger entziehen kann, je runder der Jahrtag ist. So präsentierte Bamberg zum tausendjährigen Herrschaftsantritt Heinrichs II. die vierte Großausstellung innerhalb von neun Jahren, die sich den Ottonen und ottonischer Kunst widmete. Nach "Bernward von Hildesheim" (1993), "Europas Mitte um 1000" (2000) und "Otto der Große, Magdeburg und Europa" (2001) nun also der bayerische Ottone.
Der Besucherandrang zeigte erwartungsgemäß, dass das Interesse an dieser Zeit ungebrochen ist. Für viele überraschend dürfte allerdings gewesen sein, dass die für das Thema zentralen Münchener Stücke wie das Kreuzreliquiar Heinrichs II., der Heinrichskelch oder das Giselakreuz aus der Schatzkammer der Residenz sowie die Einbände des Perikopenbuchs Heinrichs II. oder des Uta-Codex aus der Bayerischen Staatsbibliothek selbst für eine Bayerische Landesausstellung nicht nach Franken ausgeliehen wurden. Und weniger überraschend als unangemessen dürfte manchem die Präsentation vor allem in der Alten Hofhaltung vorgekommen sein, bei der selbst hochrangige Objekte stellenweise nur noch wie Staffage einer Inszenierung erschienen.
Der Begleitband zur Ausstellung enthält neben dem in 15 Kapitel unterteilten und 215 Nummern umfassenden Katalog fünf für das Ausstellungskonzept grundlegende Aufsätze, die alle von in diesem Themenkreis bestens ausgewiesenen Autoren stammen: Die Beiträge der Mitherausgeber Stefan Weinfurter und Bernd Schneidmüller stellen den historischen Rahmen, wobei Weinfurter ("Kaiser Heinrich II. Bayerische Traditionen und europäischer Glanz", 15-29) sich stärker der Person und ihrem Umkreis widmet, während Schneidmüller ("Die einzigartig geliebte Stadt. Heinrich II. und Bamberg", 30-51) umfassend auf den Ort Bamberg sowie die Gründung und Ausstattung des Bistums einschließlich des damit verbundenen Memorialsaspekts eingeht. In zwei Beiträgen behandelt Gude Suckale-Redlefsen Handschriften und Goldschmiedearbeiten im Umkreis Heinrichs aus kunsthistorischer Sicht ("Prachtvolle Bücher zur Zierde der Kirchen", 52-77. - "Goldener Schmuck für Kirche und Kaiser", 78-92), bevor Walter Sage eine Zusammenfassung der Ergebnisse seiner langjährigen archäologischen Untersuchungen im Dom präsentiert ("Die Ausgrabungen im Bamberger Dom", 93-109).
Stefan Weinfurter unternimmt (in Verkürzung seiner Biografie von 1999) unter anderem entlang der Herrscherbilder den Versuch einer kulturgeschichtlich eingefärbten Darstellung des Ideenfelds Heinrichs II., hinter dem Aspekte der Verlaufs- und Strukturgeschichte ins zweite Glied zurückgestellt werden. Dies entspricht Tendenzen der jüngeren historischen Forschung, die zunehmend mehr kunsthistorische Themen heranzieht, und erscheint dem breiteren Publikum eines Ausstellungskataloges angemessener als Fakten- und Argumentationsreihen. Dem Zielpublikum geschuldet ist wohl auch die tendenziell glorifizierende Zeichnung des Bayern, mit der man leicht über die Hinweise zur kritischen Bewertung des "Helden" bei Zeitgenossen hinweggleitet. Zur Marginale wird so die mangelnde Akzeptanz Heinrichs vor allem im Westen des Reiches (mit Ausnahme von Mainz), wo sich der König, dessen Herrschaft 1002 mit einer erpresserischen Geiselnahme am Kölner Erzbischof begonnen hatte, nur dank militärischen Drucks und einer zunehmenden Bajuwarisierung der geistlichen Institute und Ämter durchsetzen konnte.
Im Beitrag zur Buchmalerei widmet sich Gude Suckale-Redlefsen nach Regensburg insbesondere der Reichenauer Produktion im ersten Viertel des 11. Jahrhunderts und stellt anhand einzelner ikonographischer Themen Handschriften einander gegenüber. Am Ende ihrer Ausführungen, die auch Aspekte Kölner Buchmalerei sowie der Handschriften Sigeberts von Minden ansprechen, wird deutlich, weshalb sie über mehrere Abschnitte hinweg die Lokalisierung der Handschriften unerwähnt gelassen hat. Sie äußert dort ein Unbehagen gegenüber den üblichen Modellen einer durch relativ ortsfeste Klosterwerkstätten getragenen Buchmalerei, mit denen ihrer Meinung nach der Austausch und die Wechselwirkungen kaum befriedigend zu erklären sind. "Ottonische Malerschulen wie die von der Reichenau, Trier, Köln oder St. Gallen waren offensichtlich viel weniger lokal gebunden als angenommen".
Derartige Gedanken sind nachvollziehbar und nicht ganz neu, erhalten aber in diesem Kontext besonderes Gewicht, da Suckale-Redlefsen die Adaption reichenauischer Prägungen, wie sie vor allem auf der Stufe des Perikopenbuchs Heinrichs II. vorliegen, in den Kontext einer "heinrizischen Kunst" stellt und damit die Abhängigkeit aus einem Werkstatt- beziehungsweise Schulzusammenhang in eine konzeptionelle Annäherung an eine Art "Hofkunst" mit Rezeption in verschiedenen Werkstätten verlagert. Zudem erwägt sie "in Bamberg die Errichtung einer Werkstatt am Ort mit Buchkünstlern unterschiedlicher Herkunft". Ob ihr darin die Forschung folgen wird, bleibt abzuwarten. Heinrich wäre dann nicht nur Auftraggeber und Vermittler zahlreicher, aus verschiedensten Quellen teilweise mit massivem Druck zusammengetragener Handschriften an Bamberg gewesen, sondern auch Initiator einer Werkstatt, wie sie eine Generation früher schon Erzbischof Egbert in Trier oder Bischof Bernward in Hildesheim zusammengeführt hatten.
Ähnliches hat Suckale-Redlefsen schon 1995 für Goldschmiedearbeiten vertreten, als sie hinter der Gruppe um das Kreuzreliquiar, den Einband des Perikopenbuchs Heinrichs II. und den Watterbacher Tragaltar eine Bamberger Werkstatt vermutete. Die Ausstellung präsentierte mehrere Stücke der Gruppe, wobei das Fehlen der Münchener Schlüsselwerke den Nachvollzug der Überlegungen nicht gerade erleichterte. Im Aufsatz fasst Suckale-Redlefsen ihre Thesen zu den Gravurarbeiten zusammen, bevor sie das Basler Antependium, das sie schon früher mehrfach für das Bamberger Michaelskloster in Anspruch genommen hat, und die Stiftungen Heinrichs in Aachen, Regensburg sowie Merseburg anspricht. Die Diskussion über eine Bamberger Goldschmiedewerkstatt dürfte durch den direkten Vergleich in der Ausstellung neue Aktualität bekommen haben, zumal sich dort eine gewisse Spannbreite der mittels motivischer und stilistischer Beobachtungen gebildeten Gruppe zeigte. Das im Katalog geballt vorgetragene Plädoyer für Bamberger Werkstätten ist bedenkenswert und zeugt von der Notwendigkeit weiterer unvoreingenommener Forschungen in diesem Bereich.
Der Beitrag von Walter Sage ist die lange erwartete Ergebniszusammenfassung der Grabungen zum 1012 geweihten Bamberger Heinrich-Dom und bestätigt einmal mehr seine Bedeutung für die frühromanische Architektur. An den Ergebnissen wird eine noch zu leistende Kontextuierung innerhalb der zeitgenössischen Architektur ansetzen können. Exemplarisch sei nur die hier erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellte Bamberger Langhausarkatur herausgegriffen, deren "sächsischer" Stützenwechsel wohl der Ausgangspunkt für die im Herrscherumkreis errichteten Bauten von Sanktt Michael in Hildesheim (1033 geweiht), Sankt Simon und Juda in Goslar (1051 geweiht) und der Erweiterung des Kölner Doms (um 1049/52) gewesen ist. Aus archäologischer Perspektive leisten Sage und der Katalog (388 ff.) zudem einen Beitrag zu der längst überfälligen Diskussion um die Datierung der einzelnen Bauabschnitte des heutigen Doms.
Insgesamt war die um die Bamberger Urkunden-, Handschriften- und Textilienbestände aufgebaute Ausstellung anregend. Den hohen Anspruch, sich mit der Magdeburger Präsentation in eine Reihe zu stellen (11), konnte man zumindest in wissenschaftlicher Hinsicht, aber auch bezüglich der Qualität der Objekte, allerdings nicht einlösen. Für eine umfassende Präsentation Heinrichs II. blieb aus kunsthistorischer Sicht das Bild ohne die wichtigen, mit erstrangigen Objekten erhaltenen Komplexe aus dem Aachener Dom sowie aus der Alten Kapelle in Regensburg, die heute in München aufbewahrt werden, unvollständig. "Heinrich II. und Bamberg" wäre deshalb ein angemessenerer Ausstellungstitel gewesen.
Klaus Gereon Beuckers