Rezension über:

Anke Fröhlich: Landschaftsmalerei in Sachsen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Landschaftsmaler, -zeichner und -radierer in Dresden, Leipzig, Meißen und Görlitz von 1720 bis 1800, Weimar: VDG 2002, 459 S., 258 Abb., ISBN 978-3-89739-261-8, EUR 72,00
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Rezension von:
Sabine Weisheit-Possél
Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Alexis Joachimides
Empfohlene Zitierweise:
Sabine Weisheit-Possél: Rezension von: Anke Fröhlich: Landschaftsmalerei in Sachsen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Landschaftsmaler, -zeichner und -radierer in Dresden, Leipzig, Meißen und Görlitz von 1720 bis 1800, Weimar: VDG 2002, in: sehepunkte 3 (2003), Nr. 3 [15.03.2003], URL: https://www.sehepunkte.de
/2003/03/2392.html


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Anke Fröhlich: Landschaftsmalerei in Sachsen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts

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Geschichte und Theorie der Landschaftsmalerei des 18. Jahrhunderts sind bereits vielfach untersucht worden. Es sei hier nur auf die jüngst erschienenen Kataloge zur Ausstellung des Mittelrhein-Museums in Koblenz, "Wasser, Wolken, Licht und Steine. Die Entdeckung der Landschaft in der europäischen Malerei um 1800", und die derzeit in der Hamburger Kunsthalle laufende Ausstellung "Expedition Kunst. Die Entdeckung der Natur von C.D. Friedrich bis Humboldt" verwiesen. Die Landschaftskunst in Sachsen, in der die Entdeckung der heimischen Landschaft als Bildgegenstand bereits um die Mitte des 18. Jahrhunderts eine große Zahl von Landschaftsmalern hervorbrachte, ist hingegen wenig erforscht. Diese Lücke füllt die Untersuchung von Anke Fröhlich.

In Form einer Übersichtsdarstellung wird zerstreutes, oft unpubliziertes Material über ungefähr 260 Künstler und Künstlerinnen zusammengetragen, gebündelt und in den geistesgeschichtlichen Kontext gestellt. Während im Hauptteil der Arbeit 45 Künstler ausführlich vorgestellt werden, finden sich im umfassenden Anhang biografische Angaben zu den restlichen Künstlern und ein ausführliches Abbildungsverzeichnis. Zu Recht ordnet Fröhlich die Dresdner Landschaftsmaler der Zeit in die Thiele-, die Zingg- und die Klengel-Schule. Sie zeigt, dass bereits bei dem sächsischen Hofmaler Johann Alexander Thiele (1685-1752) der Begriff der spätbarocken, kulissenhaft erscheinenden Prospektkunst allein nicht mehr greift, da Thiele in seinen Landschaftsgemälden, erst recht in den Zeichnungen, die strenge Perspektivität des Prospektes oft zu Gunsten der Thematisierung eines subjektiveren Natureindruckes aufgibt. Er stellt eine Übergangsfigur dar, auf deren Ergebnissen die Nachfolgegenerationen aufbauen konnten.

Über Adrian Zingg (1734-1816), der von Christian Ludwig von Hagedorn als Kupferstecher an die 1764 neu gegründete Dresdner Akademie berufen worden ist, taucht in der Literatur, von älteren Forschungen abgesehen, meist wenig mehr als die von Ludwig Richter überlieferte Äußerung über dessen "strenge Manier" auf. Zingg wurde in Dresden durch seine zum Teil großformatigen, mit Sepia getuschten Federzeichnungen, wie auch die kolorierten Umrissradierungen in der Tradition seines Schweizer Kollegen Johann Ludwig Aberli (1723-1786) berühmt. Fröhlich zeigt, dass gerade durch Zinggs Landschaftsgrafik mit malerisch-heimischer Thematik, deren gattungstypologische und künstlerische Wurzeln im Pariser Atelier von Johann Georg Wille zu suchen sind, entscheidende Impulse ausgegangen sind: "Indem die Künstler in der Zingg-Nachfolge (...) ihre Ansichten auf einen Hauptgegenstand ausrichteten, ihn vereinzelten und monumentalisierten, und indem sie als solche Hauptgegenstände häufig Zeugen der Vergangenheit wählten, bereiteten sie thematisch das Umfeld für die Landschaftsauffassung der Romantik vor" (148).

In dieser Hinsicht noch einflussreicher war der Dietrich-Schüler Johann Christian Klengel (1751-1824), um den der dritte Teil der besprochenen Dresdner Maler zusammengefasst wird. Klengels Interesse galt vor allem den atmosphärischen Erscheinungen in der Natur. Dies macht ihn zu einem Vorreiter einer romantischen Landschaftsdarstellung. C.D. Friedrich, Runge, Carus und Dahl werden in der Arbeit ausgespart, da sie einer neuen Stilstufe angehören und bereits vielfach erforscht worden sind. Gleichwohl sind sie im jeweiligen Kontext präsent, wie sich am Beispiel des Görlitzer Landschaftsmalers Christoph Nathe (1753-1806) zeigt: "In der bedingungslosen Reduktion auf die geologischen Grundformen und den Verzicht auf alle vermittelnden Details seiner Riesengebirgsansichten (...) greift er Friedrich nicht nur thematisch, sondern auch im Ausdruck vor" (255).

Am Beispiel Nathes werden technische Fragen evident, gibt doch die neu gegründete Chalkographische Gesellschaft in Dessau ab 1803 Nathes Sepiazeichnungen mit Riesengebirgsansichten mit großem Erfolg in der "modernen" Technik der Aquatinta heraus. Näheres hierzu findet sich in dem ausgezeichneten Katalog der Anhaltinischen Gemäldegalerie Dessau von 1996, "'...Waren nicht des ersten Bedürfnisses, sondern des Geschmacks und des Luxus'. Zum 200. Gründungstages der Chalcographischen Gesellschaft Dessau". In diesem Zusammenhang könnten weiterführende Fragen nach der Aufwertung der Gattung Druckgrafik im 18. Jahrhundert und dem sich wandelnden Verhältnis von Original und Reproduktion von Handzeichnungen gestellt werden. Eine Reihe druckgrafischer Techniken scheinen im Hinblick auf das Ziel erfunden worden zu sein, Vorlagen -seien es Zeichnungen oder Grafiken- zu faksimilieren. Zudem kommt es zu vielfältigen Mischungen von druckgrafischen und zeichnerischen Techniken, die in den Kabinetten nicht selten zu falschen Zuordnungen führten.

Anke Fröhlichs umfangreiche und höchst verdienstvolle Beschreibung der Situation der Landschaftsmalerei um 1800 in Sachsen gibt der zukünftigen Forschung die Möglichkeit, historische Schnittstellen zu vertiefen und angedeutete Wege weiterzuverfolgen. Um nur einen Punkt zu nennen, sei auf die Verbindungen von Adrian Zingg und Christoph Nathe zu den aufgeklärten oberlausitzischen Adeligen Carl Adolf Gottlieb von Schachmann (1725-1789) und Carl Traugott Freiherr von Gersdorf (1744-1807) verwiesen, beide künstlerische Dilettanten und Naturforscher, die sowohl künstlerischen Rat suchten, als auch Aufträge brachten. Hier wäre nach der gegenseitigen Beeinflussung von sich entwickelnder Naturwissenschaft und der Veränderung des Landschaftsbildes in der Kunst zu fragen. Anke Fröhlichs Buch stellt eine unerlässliche Basis für weitere Einzelforschungen dar. Durch die zahlreichen präzisen Einzelbiografien und den umfangreichen Abbildungsteil ist es zugleich ein wertvolles Nachschlagewerk für Sammler, Auktionshäuser und Museen.


Sabine Weisheit-Possél