Horst Gründer: Eine Geschichte der europäischen Expansion. Von Entdeckern und Eroberern zum Kolonialismus, Stuttgart: Theiss 2003, 192 S., 300 meist farb. Abb., ISBN 978-3-8062-1757-5, EUR 29,90
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Der nur mit einem unbestimmten Artikel verfremdete Titel des Buches kam dem Rezensenten merkwürdig bekannt vor. Für den Inhalt des Buches gilt dies erfreulicherweise nur zu einem Teil, was aber nach Lage der Dinge unvermeidlich ist. Es handelt sich nämlich um eine populäre Gesamtdarstellung der Geschichte der europäischen Expansion von den mittelalterlichen Anfängen bis zum frühen 20. Jahrhundert, die nicht zuletzt durch die üppige Ausstattung mit ausgezeichneten, überwiegend farbigen Karten und Illustrationen gewinnt. Dann und wann fallen diese zu klein aus. Dafür lässt sich aus manchen mehr herausholen als die Legenden besagen, etwa aus einem chinesischen Plakat (162), auf dem die Franzosen als Frösche dargestellt werden und der britische Löwe mit der deutschen Flagge am Schwanz wedelt.
Dass der Schwerpunkt auf Entdeckung und Eroberung liegt, die inneren Verhältnisse in den Kolonien weniger und ungleichmäßig berücksichtigt werden, die Folgen der Weltkriege und die Dekolonisation überhaupt nicht, ist eine konzeptionelle Entscheidung Gründers, die sich vertreten lässt. Immerhin verdanken wir ihr die außergewöhnlich gründliche Darstellung der russischen Expansion nach Sibirien und eine Menge Information über Entdeckungsreisen im Pazifik und in Afrika. Freilich hätte dann zwischen die Geschichte der britischen Kolonien in Nordamerika und die imperialistische Expansion der USA auch ein Kapitel über deren Erschließung des nordamerikanischen Kontinents und die Behandlung der Indianer eingefügt gehört. Es ist auch nicht unbedingt überzeugend, dass die portugiesische Erschließung Brasiliens vor der Entdeckung Amerikas behandelt wird und Niederländisch-Indien nach Britisch-Indien.
Der Text ist im Ganzen zuverlässig, weist sogar große Vorzüge auf, denen allerdings auch kleine Unrichtigkeiten und konzeptionelle Schwächen gegenüberstehen. Zum Beispiel ist die Karake keineswegs aus der Galeere entwickelt worden, sondern aus dem Segelschiff (22). Francis Drake konnte sein Gold und Silber nicht vor San Francisco erbeuten, weil diese Station damals noch nicht existierte (74). "Mahdi" heißt auf Deutsch nicht der "Gefährte", sondern der "Rechtgeleitete" und Charles Gordon erlitt 1885 vor Khartum keine "empfindliche Schlappe", sondern wurde bei der Eroberung der Stadt durch die Anhänger des Mahdi umgebracht - zumindest für ihn ein gewisser Unterschied (157 f.).
Dennoch, auch wer mit der Materie einigermaßen vertraut ist, vermag aus diesem Buch Belehrung zu schöpfen. Erst Recht gilt dies für die breiteren Käuferkreise, für die es bestimmt ist.
Wolfgang Reinhard