Hansjörg Küster: Die Ostsee. Eine Natur- und Kulturgeschichte, München: C.H.Beck 2002, 357 S., 100 farb. Abb., 7 Karten, ISBN 978-3-406-49362-1, EUR 34,90
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Historiker, denen Bücher ohne Fußnoten prinzipiell suspekt erscheinen, werden bei der Lektüre von Hansjörg Küsters Werk über "Die Ostsee" eines Besseren belehrt, denn vor uns liegt eine anschauliche, Gewinn bringende und mit Lesegenuss zu erschließende Arbeit. Im Mittelpunkt steht das Meer selbst, das seit prähistorischer Zeit einem steten Wandel unterlag und damit gleichzeitig das umliegende Land maßgeblich prägte. Küster begleitet den Leser auf einer Reise von der Eiszeit bis in die Gegenwart. Er beleuchtet die unterschiedlichsten Faktoren, die die permanenten Veränderungen von Ostsee und den umliegenden Ländern bewirken, gleich ob solche natürlichen Ursprung sind (zum Beispiel Landhebung und -senkung, Veränderung beim Salzgehalt oder der Temperatur) oder anthropogen, etwa in Form von landwirtschaftlicher Nutzung der Küstenregionen, Urbanisierung oder des modernen Tourismus. Dabei lässt er es nicht bei den vergleichsweise harten natur- und geschichtswissenschaftlichen Fakten bewenden, sondern bezieht vielfach auch Sagen- und Märchenüberlieferung ein, die doch oftmals sehr klar die starke Verinnerlichung landschaftlichen Wandels im kollektiven Gedächtnis der Menschen widerspiegelt. Mit einem solchen interdisziplinären Ansatz wird Hansjörg Küster seinem ganzheitlichen Anspruch, eine "Landschaftsgeschichte" zu schreiben, mehr als gerecht.
Behutsam nähert sich der Autor wissenschaftlich bisweilen recht heiklen Themen an, wie der Frage nach einem möglichen Zusammenhang zwischen vor- und frühgeschichtlicher Landnutzung, Ethnie und Sprache oder nach frühen Kulturkontakten über die Ostsee hinweg. Wo keine endgültigen Antworten möglich sind, werden auch keine gegeben. Zudem eröffnet Küster einen Weg zum Verständnis gegenwärtiger Probleme an den Ostseeküsten, wie etwa das immer wiederkehrende starke Hochwasser an der Oder sowie eine schleichende Verschmutzung von Wasser und Boden durch Rückstände aus der Landwirtschaft in jüngster Vergangenheit. Parallel dazu entrollt sich eine knappe Forschungsgeschichte des Ostseeraumes, beispielsweise etwa Entdeckungs- und Erklärungsgeschichte der Kjökkenmödinger oder der Warvenchronologie, wobei allerdings mehr Hinweise auf Forschernamen oder konkrete Werke hilfreich gewesen wären. "Die Ostsee" enthält eine große Anzahl an Abbildungen sowie einige Karten, die richtig platziert die Textdarstellung illustrieren, sowie eine umfangreiche, thematisch gegliederte Bibliografie.
Kritisch bleibt anzumerken, dass eine rechte Einleitung fehlt, mit der sich der Leser über die Struktur des Buches und vor allem über konkrete Fragestellungen und Untersuchungsmethoden informieren könnte, die sich hier nur durch die Lektüre des ganzen Werkes erschließen lassen. Dennoch: ein sehr empfehlenswertes Buch für Fachleute und Laien, die einen Überblick zur Entstehung ihrer Heimat, ihres Urlaubsgebietes oder ihres Forschungsfeldes erwerben wollen.
Martin Krieger