Michael Maurer: Geschichte Englands, Stuttgart: Reclam 2000, 403 S., 111 ein- u. mehrf. Abb., 9 Karten, 4 Stammtafeln, ISBN 978-3-15-010475-0, DM 68,00
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Michael Maurer: Kleine Geschichte Irlands, Stuttgart: Reclam 1998, 336 S., ISBN 978-3-15-009695-6, DM 14,00
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Claudia Schnurmann: Vom Inselreich zur Weltmacht. Die Entwicklung des englischen Weltreichs vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert, Stuttgart: W. Kohlhammer 2001, 264 S., 18 Abb., ISBN 978-3-17-016192-4, EUR 29,50
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Marcel Boldorf: Europäische Leinenregionen im Wandel. Institutionelle Weichenstellungen in Schlesien und Irland (1750-1850), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2006
Richard English: Irish Freedom. A History of Nationalism in Ireland, London: Macmillan 2006
Ute Lotz-Heumann: Die doppelte Konfessionalisierung in Irland. Konflikt und Koexistenz im 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Tübingen: Mohr Siebeck 2000
Ciaran Brady / Jane Ohlmeyer (eds.): British Interventions in Early Modern Ireland, Cambridge: Cambridge University Press 2005
Raymond Hylton: Ireland's Hugenots and their Refuge, 1662-1745. An Unlikely Haven, Brighton: Sussex Academic Press 2005
Das Studium der Geschichte unserer europäischen Nachbarländer - ganz zu schweigen von der außereuropäischen Geschichte - steht nicht eben an der Spitze der universitären Forschungsagenda in Deutschland. Studenten der Geschichte können ein Hochschulstudium absolvieren, ohne mit der Magna Charta oder der Bill of Rights bekannt gemacht worden zu sein. Die vorliegenden Bücher versuchen, diese Lücke sowohl als Einstieg für Studierende als auch für interessierte Laien zu schließen. Entsprechend übersichtlich sind Aufbau und Themenwahl der drei Überblickswerke zur englischen und irischen Geschichte gestaltet. Alle drei Bände folgen der traditionellen, an der politischen Geschichte orientierten Chronologie, die in Schnurmanns Buch im Mittelalter, in Maurers Geschichten Englands und Irlands in der vorchristlichen Frühzeit beginnt und in allen drei Bänden bis ins ausgehende 20. Jahrhundert durchgezogen wird. Die Autoren zentrieren sich auf die politischen Leitthemen ihres Untersuchungsgegenstandes: den Aufstieg des Parlaments, die Rolle der Monarchie und der Kirche(n) und, im Falle Englands, das Ausgreifen in den außereuropäischen Raum. Fragestellungen der Sozial- und Kulturgeschichte werden in den Ablauf der Ereignisse integriert. So erscheinen neben narrativen Kapiteln in Maurers Geschichte Englands lange Abschnitte über Bevölkerung, Wirtschaft und Gesellschaft in der jeweiligen Epoche. Hinzu kommen vor allem für die turbulenten Ereignisse des 17. Jahrhunderts kurze Kapitel zu den wichtigsten politischen Theorien der Zeit durch die Linse ihrer Vordenker. Maurer führt beispielsweise übersichtlich und konzise in die intellektuellen Kontroversen von John Locke und Robert Filmer über den Charakter der Monarchie ein und schließt später für das Zeitalter Königin Annes mit einer Diskussion von David Hume und seinen Arbeiten an diese Darstellung an. Den Kapiteln, die sich an den Eckdaten der jeweiligen Dynastien orientieren, sind kurze, chronologische Epochenüberblicke in Stichwortformat beigefügt, die dem Leser eine schnelle Orientierung auf wichtige Personen und Ereignisse der Epoche ermöglichen. Die Diskussion der englischen Frühzeit und des Mittelalters fällt deutlich kürzer aus als die folgenden Epochen, die in fünf Großkapiteln mit jeweils etwa fünfzig Seiten abgehandelt werden und von über hundert Illustrationen begleitet sind.
Leider muss sich die Leserschaft von Maurers Geschichte Irlands mit kurzen Epochenüberblicken zu gesellschaftlichen Strömungen der Zeit begnügen. Die Arbeit ist sehr auf die komplizierte politische Geschichte des Landes fokussiert. Maurer gelingt es hier allerdings, Ordnung in das Wirrwarr politischer Machtverhältnisse und die Konfrontation zwischen gälischen und englischen Traditionen, Rechtsverhältnissen sowie politischen und religiösen Allianzen zu bringen, die Irland vor allem während des 16. und 17. Jahrhunderts kennzeichneten und welche die Weichen für die konfliktgeladene Zukunft der Insel stellten. Dabei kommt es allerdings manchmal zu Vereinfachungen, etwa, wenn Maurer vom Hass der Gälen und "Old English" auf die Neusiedler des 17. Jahrhunderts spricht (91). Vignetten zu den wichtigsten Intellektuellen wie etwa dem Ersten Kronanwalt unter König Jakob I., Sir John Davis, und dem irischen Philosoph John Toland und ihren Arbeiten ergänzen auch hier die politische Geschichte. Karten mit den Besitzverhältnissen und den politischen Grenzen erleichtern das Verständnis der Geografie des Landes.
Maurers Bände bleiben, ihrem Charakter als Überblickswerken entsprechend, sehr viel allgemeiner als die thematisch fokussiertere Studie von Claudia Schnurmann, die sich mit den englischen Leitthemen Nationsbildung und Expansion beschäftigt und hier neben der flott geschriebenen Chronologie der Ereignisse Schlüsseltexte der englischen Expansionsgeschichte wie etwa Richard Hakluyts "Discourse concerning western planting" in leicht verständlicher und pointierter Form diskutiert (113f.). Den jeweiligen Kapiteln sind ebenfalls überblicksartige Stichworte hinzugefügt, die auf die wichtigsten Personen und Ereignisse der jeweiligen Epoche hinweisen. Am Ende jedes Kapitel wird dann eine kurze Bilanz gezogen. Das englische Ausgreifen nach Westen spielt eine wichtige Rolle in Schnurmanns Darstellung. In einem umfangreichen Kapitel werden übersichtlich und verständlich die verschiedenen Formen der kolonialen Besitznahme in Nordamerika und auf den Karibischen Inseln vorgestellt (116-129). Die Geschichte von Englands weltpolitischer Expansion bleibt aber in Schnurmanns Interpretation immer eng verbunden mit den wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Veränderungen im Lande selbst. Englands Aufstieg zur Weltmacht ist in dieser Lesart nicht allein das Resultat seiner internationalen Handelsmonopole und kolonialen Ausbeutung, sondern geht vor allem im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert aus einer Reihe verschiedener Faktoren hervor, unter denen politische Stabilität und soziale Mobilität hervorstechen. Schnurmanns Arbeit verbindet außen- und innenpolitische Faktoren in eleganter und überzeugender Weise.
Alle drei Bücher sind bewusst für eine deutsche Leserschaft geschrieben. Sie interpretieren die Geschichte Englands und Irlands vor allem innerhalb ihres europäischen Kontextes. "Splendid Isolation" ist nicht die deutsche Sicht auf die englische Geschichte. Dementsprechend "europäisch" fällt auch die historiografische Diskussion der englischen und irischen Geschichte aus. Konzepte und Modelle der deutschen Geschichtswissenschaft werden am englischen und irischen Beispiel getestet, Vergleiche zu Parallelentwicklungen im Heiligen Römischen Reich und in anderen Ländern Europas gezogen (so etwa in Bezug auf die Besonderheiten der englischen Sozialverfassung im Erbrecht und dessen Folgen in Maurer: Geschichte Englands, 69). Schnurmann zitiert deutsche Englandreisende wie etwa den Göttinger Naturwissenschaftler Georg Christoph Lichtenberg und seinen Zeitgenossen Johann Wilhelm von Archenholz sowie ihre Beobachtungen im Georgianischen London (163). Auch die parallele Diskussion des republikanischen und des britischen Teiles von Irland, die Maurer für die Geschichte der Insel im 20. Jahrhundert gewählt hat, gehört nicht unbedingt zu den Standardverfahren irischer oder britischer Wissenschaftler, die häufig die Geschichte des jeweils anderen Staates ignorieren. Insgesamt bemühen sich die Autoren, ihre Leserschaft vor allem mit der in Deutschland zugänglichen Literatur vertraut zu machen, ohne dabei die großen wissenschaftlichen Debatten in der englischen, irischen und englischsprachigen Forschung zu vernachlässigen. Dieses Konzept ist natürlich anfällig für Vereinfachungen, die manchmal irritieren ("Die Macht der Krone war sehr relativ" Maurer: Geschichte Englands, 143; "Die Ritter und Pferde kosteten eine ganze Stange Geld", Schnurmann, 25).
Der Forschungsstand entspricht nicht immer den neuesten Trends innerhalb der englischen und irischen wissenschaftlichen Diskussionen. So fehlen beispielsweise Hinweise auf die "New British History", die in den letzten fünfzehn Jahren eine Neuinterpretation der Geschichte der Britischen Inseln unter stärkerer Beachtung ihrer individuellen Teilregionen und deren Zusammenspiel einfordert.[1] Man mag hier argumentieren, dass eine Gesamtdarstellung der britischen Inseln nichts in einer Geschichte Englands oder Irlands zu suchen hat, eine Interpretation der englischen Geschichte ohne eine stärkere Einbeziehung der Beziehungen zu den anderen britischen Teilkönigreichen zumindest seit der Thronbesteigung der Stuarts erscheint allerdings selbst den meisten englischen Historikern heutzutage etwas verkürzt.
Schließlich spiegeln die Bände den jeweiligen Forschungsschwerpunkt ihrer Verfasser wider. Das bedeutet für Schnurmanns Buch eine Konzentration auf die Überseegeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts, hinter der die Geschichte des zweiten Britischen Empire etwas zurückbleibt, und für Maurer eine besonders elegante und detaillierte Darstellung des Geschichte des 18. Jahrhunderts. Zwar bieten alle drei Bände Zeitleisten mit den wichtigsten Ereignissen und Persönlichkeiten auf einen Blick, aber vor allem die Leser von Michael Maurers Geschichte Irlands hätten von einem Glossar mit Erklärungen zu oft komplizierten und nicht immer aus dem Text unmittelbar verständlichen Konzepten wie "Brehon Law" und "King in Parliament" profitiert. Dennoch bieten die drei Bücher einen guten und bezahlbaren Einstieg in die Geschichten Englands und Irlands.
Anmerkung:
[1] Siehe dazu beispielsweise Ronald Asch (Hg.): Three Nations - A Common History? England, Scotland and Ireland c. 1600-1920, Bochum 1993. Speziell für den Bereich der Frühen Neuzeit sind in den letzten Jahren eine Fülle von Arbeiten und Sammelbänden zu diesem Thema erschienen. Siehe beispielsweise Brendan Bradshaw / Peter Roberts (Hg.): British Consciousness and Identity. The Making of Britain, 1533-1707, Cambridge 1998; Glen Burgess (Hg.): The New British History. Founding a Modern State 1603-1715, London 1999.
Raingard Eßer