Hermina Joldersma: "Elisabeth's Manly Courage". Testimonials and songs of martyred Anabaptist women in the Low Countries, Milwaukee WI: Marquette University Press 2001, 199 S., ISBN 978-0-87462-705-3, USD 20,00
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In den letzten Jahren hat das Interesse der Forschung an Frauen in der Täuferbewegung deutlich zugenommen. Verschiedene Aspekte wurden dabei für unterschiedliche Regionen thematisiert: die Unterstützung der täuferischen Bewegung in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, predigende Frauen in verschiedenen Zirkeln, die Zurückdrängung der Frauen in der Phase der Etablierung des Täufertums etwa in den Niederlanden und den angrenzenden Regionen wie Ostfriesland oder Oldenburg sowie die neuen Rollen der Frauen beispielsweise als Diakonissen oder in speziellen Witwenämtern. Die größte Faszination üben jedoch nach wie vor die Märtyrerinnen aus, also die Frauen, die der täuferischen Bewegung bis zuletzt die Treue hielten und dafür verbrannt oder ertränkt wurden.
Im Täufertum wird eine Reihe von Martyrologien tradiert, die - beginnend mit dem Jahr 1562 - die Schicksale Einzelner in Briefen, Testamenten, Verhören, Vermahnungen und Liedern aufzeichnen. Mit der Schaffung der Martyrologien reihten sich die Täufer des 16. Jahrhunderts in eine zeitgenössische Tradition ein: Auch die Protestanten begannen nun, ihren Toten ein Gedächtnis zu schaffen, das zugleich den Lebenden als Exempel und als Mahnung dienen sollte. Diese Martyrologien sind bereits von verschiedenen Seiten und in unregelmäßigen Abständen untersucht worden. [1] Dennoch sind noch zahlreiche Fragen offen - und eine dieser wichtigen Fragen bezieht sich auf die genaue Rolle von Frauen als Märtyrerinnen. Mit ihrer Edition von Auszügen aus täuferischen Martyrologien wie "Het Offer des Herren" und dem "Märtyrerspiegel" legen Hermina Joldersma und Louis Grijp eine Studie vor, welche die frühneuzeitlichen, niederländischen Texte einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht. Dazu haben sie die Originale zusammen mit eng an den Originalen orientierten englischen Übersetzungen abgedruckt.
Dem Blick in die Quellen haben die Herausgeber einige einleitende Bemerkungen vorangestellt, die den Stellenwert der Märtyrerinnen unterstreichen sollen. In groben Zügen werden nicht nur die besonderen theologischen Positionen unterschiedlicher täuferischer Gruppen charakterisiert, ein weiterer Abschnitt konzentriert sich darüber hinaus explizit auf die Rolle der Frauen im Täufertum. Deutlich erklären die Herausgeber, dass niederländische Frauen im Täufertum keinesfalls unsichtbar waren. Es sei mehr Quellenmaterial zu finden, als gemeinhin angenommen werde. Die vorliegende Edition sei deshalb als ein Versuch zu sehen, das Wissen über Täuferinnen und ihr unterschiedliches Wirken in den Niederlanden zu erweitern.
In der Auswahl der vorgestellten Frauen greifen Joldersma und Grijp jedoch in erster Linie auf die in der Forschung bereits bekannten Persönlichkeiten zurück: Neben Elisabeth von Leeuwarden, die wegen ihrer Tätigkeit als Lehrerin schon untersucht worden ist, und deren Verhör sogar Eingang in eine Edition von Ronald H. Bainton gefunden hat, [2] werden Verhöre und Lieder von Anna Jansz, Ursula von Werdum und Maria von Beckum, Marta Baerts, Weynken Claes und Lijsken Dierks vorgestellt. Zu den Frauen, über die kaum mehr als das jeweilige Bekenntnis oder Testament bekannt ist, zählt hingegen Claesken Gaeledochter. Ihr ist nur aufgrund ihrer eigenen Zeugnisse die Nähe zu einem weit bekannteren "Bruder im Glauben", zu Jacques d'Auchy, nachzuweisen. Die Ausrichtung der Quellen war darüber hinaus auch entscheidend, um eine möglichst große Bandbreite weiblicher Äußerungen zum Täufertum und zum Martyrium zu gewinnen: So erhielt Mayken Boosers mit den Schriften an ihre Kinder ebenfalls einen Platz in der Edition. Die Verhöre und Zeugnisse dieser Frauen wurden alle bereits in täuferischen Martyrologien oder Flugblättern publiziert. Die einzige Ausnahme bildet der Brief von Maeyken Wens, der bislang ungedruckt in der mennonitischen Abteilung der Amsterdamer Universitätsbibliothek lag. Joldersma und Grijp haben nicht nur das Original als Reproduktion abgedruckt, sie haben auch eine Transkription und eine englische Übersetzung hinzugefügt. Dieses Abschiedsschreiben von Wens an ihren Sohn Adrian ist sicherlich als die bemerkenswerteste Quelle in der gesamten Edition zu werten.
Weiterhin nehmen die täuferischen Lieder einen besonderen Stellenwert in der Edition ein. Dabei ist die psychologische und didaktische Bedeutung täuferischen Liedguts kaum zu überschätzen. Zwischen 1529 und 1536 entstand die erste Edition geistlicher Lieder der Täufer, die neben einigen Stücken von David Joris auch das bereits breit rezipierte Lied "Ick hoore de Basuyne blasen" von Anna Jansz enthält. Jansz wurde 1539 in Rotterdam ertränkt. Ihre Unterstützung für David Joris ist in der Forschung bereits breit zur Kenntnis genommen worden. Die Einbeziehung der "Souterliedekens" von 1540 hat es Joldersma und Grijp ermöglicht, den einzelnen Liedern Melodien und in ihrer Edition auch Noten zuzuordnen. Dadurch bekommen die Hinweise der Täufer, ein Lied nach einer bestimmten Weise zu singen, eine bemerkenswerte Unterfütterung, die so noch nicht geleistet worden ist.
Mit ihrer Edition geben Joldersma und Grijp insgesamt einen bemerkenswerten Einblick in die historiografische Tradition des Täufertums, wie sie sich seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entwickelte. Deutlich wird, dass Frauen auch bis zuletzt - also bis in den Tod - eine prominente Rolle im Täufertum gespielt haben. Gleichzeitig waren diese Schicksale bar jeder Eindimensionalität, jede Frau fügt im Rahmen der Edition eine weitere Fassette weiblicher Reflexion über die aktuellen religiösen Fragen und über ihren Umgang mit dem eigenen Glauben hinzu. Auch den Zeitgenossen erschien dieses Verhalten so bemerkenswert, dass einzig der Vergleich mit männlichen Verhaltensmustern zu ziehen war. Dies zeigt nicht zuletzt das Lied über Elisabeth von Leeuwarden, aus dessen Zeilen auch der Titel des Buches gewählt wurde: "Och laet ons aenmercken metter herten Elisabeths mannelijk gemoet" (120). Doch dieser schon fast emotional anmutende Zugriff, der auch in den einleitenden Bemerkungen deutlich unterstrichen wird, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass - mit einer Ausnahme - keine bislang unbekannten Frauen mit ihren Schriften für die Forschung entdeckt wurden. Dementsprechend ist es das vorrangige Ziel der Studie - und ebenfalls der Reihe, in der sie erschienen ist -, Vorstellungen von Frauen im Täufertum zu popularisieren und auch englischsprachige Forscherinnen und Forscher der Frauen- und Geschlechtergeschichte, der "radikalen Reformation" und des Täufertums für die Untersuchung von täuferischen Märtyrerinnen zu gewinnen. Dies ist mit einer solide gearbeiteten Edition zweifelsfrei gelungen.
Anmerkungen:
[1] Vergleiche jüngst die umfangreiche Untersuchung von Brad Gregory: Salvation at Stake. Christian Martyrdom in Early Modern Europe (Harvard Historical Studies; 134), Cambridge 1999.
[2] Vergleiche Ronald H. Bainton: Frauen der Reformation. Von Katharina von Bora bis Anna Zwingli, Gütersloh 1995, 162-165. Die englische Fassung erschien 1977.
Nicole Grochowina