Rezension über:

Stefan Geppert / Dirk Soechting (Hgg.): Johann Peter Hasenclever (1810-1853). Ein Malerleben zwischen Biedermeier und Revolution, Mainz: Philipp von Zabern 2003, 307 S., 75 Farb-, 85 s/w-Abb., ISBN 978-3-8053-3099-2, EUR 45,00
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Rezension von:
Andreas Baumerich
Köln
Redaktionelle Betreuung:
Ekaterini Kepetzis
Empfohlene Zitierweise:
Andreas Baumerich: Rezension von: Stefan Geppert / Dirk Soechting (Hgg.): Johann Peter Hasenclever (1810-1853). Ein Malerleben zwischen Biedermeier und Revolution, Mainz: Philipp von Zabern 2003, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 1 [15.01.2004], URL: https://www.sehepunkte.de
/2004/01/2731.html


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Stefan Geppert / Dirk Soechting (Hgg.): Johann Peter Hasenclever (1810-1853)

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In ihrem Grußwort zum Katalog der Ausstellung in Schloss Burg an der Wupper bei Solingen über Johann Peter Hasenclever (1810-1853), einem der wichtigsten Maler des Vormärz, machen Kurt Schmitz und Wilhelm Ellerbrake, die beiden Vorsitzenden des Schlossbauvereins, auf deren Bedeutung aufmerksam: Sie ist die erste Ausstellung über diesen aus Remscheid stammenden Maler. In dieser Hinsicht ist der Katalog mit seinen 25 Aufsätzen eine erfreulich umfangreiche Darstellung zu Hasenclever und seinem künstlerischen wie politischen Umfeld.

Das Vorwort von Dirk Soechting, Direktor des Bergischen Museums, das die Ausstellung ausrichtete, gibt zwar einen abrissartigen Überblick über das Leben Hasenclevers, unterlässt allerdings eine Erläuterung zum Aufbau des Buchs und des Zusammenhangs zwischen den einzelnen Aufsätzen. Die tabellarische Biografie Hasenclevers liefert eine solche Verknüpfung ebenfalls nicht. Hier wie auch in allen Aufsätzen fehlen Verweise auf die übrigen Aufsätze. Hier zeigt sich bereits ein entscheidender Schwachpunkt des Katalogs.

Die ersten drei Aufsätze - zum historischen und wirtschaftlichen Hintergrund von Hasenclevers Kindheit und Jugend - werfen die Frage auf, ob sie nicht besser wesentlich knapper in eine ausführliche Biografie eingebunden worden wären.

Dies liefert Stefan Geppert in seinem Beitrag zur Kindheit des Künstlers nach. Auch das Thema "Schulzeit" im folgenden, viel zu ausführlichen Aufsatz Kurt Wesolys, hätte darin Platz finden können. Es spielt in Hasenclevers "Jobsiade" eine wichtige Rolle, wird jedoch im Aufsatz von Klaus Schaller später ausführlich genug behandelt.

Irritierend wirkt der Text von Wolfgang Hütt, der eine Einbindung Hasenclevers in die Zusammenhänge des Vormärz darstellen soll. Leider gelingt dies nur ansatzweise. Hütt folgt im vom Thema ablenkender Weise historischen Strängen und dem Lebenslauf unterschiedlichster Personen, die nur teilweise mit Hasenclever in Beziehung standen. Die teils erhellenden Aspekte zur Verbindung Hasenclevers mit der politischen Situation, die bei ihm immer wieder künstlerischen Ausdruck fanden, hätten deutlicher herausgearbeitet werden müssen.

Dawn Leachs Historie der Düsseldorfer Kunstakademie leidet unter Aufzählungen und erscheint überflüssig, wenn man den kurzen Abriss dazu in Manja Wilkens mit Verve verfassten Texten zu den ersten Jahren des Malers an dieser Schule liest (52-54 und 58-60). Gepperts kurzer Zwischenaufsatz zu Hasenclevers Rückkehr nach Remscheidt ist ein überflüssiges Intermezzo.

Dem Text Bettina Baumgärtels gelingt es in hervorragender Weise, die Bedeutung von Hasenclevers Atelierbild im Zusammenhang mit der Situation an der Akademie, der Entwicklung der Kunstgattungen und der Tradition des Motivs zu erläutern (61-70). An dieser Stelle fehlt schmerzlich ein ausführlicher Aufsatz zu den Studienkollegen und dem Verhältnis von Hasenclever zu anderen nationalen und internationalen Künstlern seiner Zeit.

Die so wichtige Aufweichung der Grenzen zwischen Genre und Historie im 19. Jahrhundert greift erneut Ekkehard Mai auf. Die gelungene Darstellung leidet in ihrer Lesbarkeit allerdings an der großen Menge langer, nur durch Anführungszeichen gekennzeichneter Zitate, die eine Scheidung zwischen den Passagen von Verfasser und Zitiertem erschweren.

Verfrüht platziert erscheint der folgende, inhaltlich sehr gelungene Aufsatz von Birgit Biedermann über die Rolle der Kunstvereine allgemein, der an den späteren Aufsatz zum Düsseldorfer Künstlerverein angebunden sein könnte. So wäre die Bedeutung des Vereinswesens für Künstler und Rezipienten noch unterstrichen worden. Die in den Kunstvereinen manifestierte entscheidende Rolle des Bürgertums in Kultur und Wirtschaft wirft ein wichtiges Licht auf die motivischen und inhaltlichen Tendenzen der Künstler. Leider kommt Hasenclevers Rolle in der Darstellung zu kurz.

Als nächster Lebensabschnitt wird sein Aufenthalt in München beschrieben. Hier gelingt es Simone Paulik nicht, die hervorgehobene Wechselwirkung zwischen Hasenclever und der Münchner Malerei zu konkretisieren. Wesentlich gelungener ist dagegen der anschließende Aufsatz von Stefan Geppert, der die in München geknüpfte Beziehung und spätere Ehe Hasenclevers mit seiner Frau Caroline thematisiert. Geppert bettet in die biografischen Umstände zwischen Verlobung und Eheschließung prägnante Bildanalysen der Leser-, Weinproben- und Jobsbilder ein, die den beginnenden künstlerischen Erfolg Hasenclevers markierten.

Die zeittypische Verbindung zwischen Literatur und bildender Kunst wird von Kurt Soiné in seinem - bis auf die verunklärende Aufreihung von Fragestellungen am Beginn - brillanten Aufsatz behandelt (124-142). Er knüpft in anschaulicher Weise an das Motiv der Lesegesellschaften in Grafik und Malerei eine Beschreibung der gesellschaftlichen Zustände zwischen Aufklärung und Reaktion an.

Sabine Schroyens ebenso gelungener Beitrag zum Düsseldorfer Künstlerverein "Malkasten" gibt einen wichtigen Aspekt in Hasenclevers Biografie wieder, weil aus seinen letzten Lebensjahren wenig überliefert ist. Darüber hinaus legt sie die Problematik dieses "unpolitischen" Zusammenschlusses von Künstlern und Kunstinteressierten dar. Politisch deutlicher waren Hasenclevers Aussagen in seinen Revolutionsbildern von 1848, die Siegfried Kesselmeier behandelt. Differenziert werden die politischen Inhalte analysiert, wenn auch die spezifisch künstlerische Qualität der Bilder zu kurz kommt. Wie sehr die oft als harmlos fehlgedeuteten Bilder Hasenclevers zu Weinproben gesellschaftliche Kritik oder zumindest humorvolle Ironie beinhalten, zeigt auch Susan Brooks. Sehr gute Bildbeschreibungen und -analysen unterstreichen diese Aussage. Ebenso lassen Hasenclevers Kinderbilder einen wachen Blick des Malers auf die gesellschaftlich bedingte Realität der Kinder erkennen, die sich - wie Sandra Abend in ihrem Beitrag zu diesem Thema differenziert darlegt - von den verklärenden Tendenzen der Romantik deutlich unterscheiden.

Leider behandelt nur der Aufsatz von Angela Dieckmann das Thema von Hasenclevers Porträts. Dieser wird durch eigentümliche Wortschöpfungen, überholte Wendungen und einen nur schwer, wenn überhaupt, durchschaubaren Satzbau bis hin zu Unlesbarkeit und Unverständlichkeit entstellt. Sehr gut arbeitet stattdessen Simone Paulik die Rolle von Hasenclevers physiognomischen Studien heraus. Sie betont die Wichtigkeit der Physiognomik bei der Typenbildung sowie als tragendes Element der Bilderzählung in den Personendarstellungen des Malers.

Über den Rahmen der Lebensspanne des früh verstorbenen Hasenclever hinaus weist Thomas W. Kuhns brillanter Aufsatz zur Nachfolge im Bereich des sozialkritischen Genre (174-181). Hier wird in überzeugender Weise die oft unterschätzte Rolle des Sujets in der Entwicklung der modernen Malerei verdeutlicht. Hasenclever hat in dieser Hinsicht einen wichtigen Beitrag zur Kunstentwicklung auf die Moderne hin geleistet.

Eine ausgezeichnete Studienquelle sind die hervorragenden Abbildungen mit den Bildbeschreibungen von Stefan Geppert und Simone Paulik.

Für das gesamte Buch ist anzumerken, dass man sich ein gründliches Lektorat gewünscht hätte. Dieses hätte die inhaltlichen Dopplungen zwischen den Aufsätzen getilgt, Aufsätze gekürzt oder gestrichen, Bezüge hergestellt und den gesamten Aufbau des Buches in verständlich klarer Weise geordnet. An den Herausgeber ist der Vorwurf zu richten, den Aufbau des Buches nicht erläutert und begründet zu haben. Die Vielzahl von kurzen und kürzesten Aufsätzen hätte in sinnvoller Weise reduziert und gestrafft werden müssen.

Die Qualität der einzelnen Aufsätze ist sehr unterschiedlich. Manche, wie Bettina Baumgärtels oder Thomas W. Kuhns, sind inhaltlich und formal hervorragend, andere zeigen - wie oben beschrieben - deutliche Mängel, die man vielleicht hätte beheben können. Einige wiederum, wie die Aufsätze zur Regionalgeschichte oder -wirtschaft, mögen in einer heimatkundlichen Abhandlung Sinn machen; in einem Buch, das sich primär einer Künstlerpersönlichkeit widmet, erscheinen sie verfehlt oder hätten einer anderen Positionierung oder Einbindung in die Gesamtstruktur bedurft.

Andreas Baumerich