Rezension über:

Michael F. Feldkamp: Regentenlisten und Stammtafeln zur Geschichte Europas. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Stuttgart: Reclam 2002, 444 S., ISBN 978-3-15-017034-2, EUR 10,10
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Rezension von:
Ilona Scheidle
Mannheim
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Schnettger
Empfohlene Zitierweise:
Ilona Scheidle: Rezension von: Michael F. Feldkamp: Regentenlisten und Stammtafeln zur Geschichte Europas. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Stuttgart: Reclam 2002, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 4 [15.04.2004], URL: https://www.sehepunkte.de
/2004/04/3705.html


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Michael F. Feldkamp: Regentenlisten und Stammtafeln zur Geschichte Europas

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Nun endlich liegt ein handliches Nachschlagewerk vor, das schnell Auskunft über die "Regierungsdaten von Kaisern, Königen, Fürsten, Staats- und Regierungschefs [in Europa, sowie] über Minister in Deutschland" (450), und zwar vom Mittelalter bis zur Gegenwart gibt. Im Anhang weht den Nutzerinnen und Nutzern ein kleiner Hauch von Globalisierung entgegen; hier finden sich Daten zu den Staats- und Regierungshäuptern in den USA, in Israel und in Japan. Genealogische Tafeln der wichtigsten regierenden Adelshäuser runden die Listensammlung ab.

Das Tabellenwerk erschien in der Reihe der "Universal-Bibliothek" und schließt eine Lücke der historischen Nachschlagewerke. Es kann "begleitend im Geschichtsunterricht und -studium [...] als ein schnelles Hilfsmittel für jeden, der sich mit historischen Vorgängen beschäftigt" (5), genutzt werden. Exakte Daten findet die genannte Zielgruppe in den "Regentenlisten", hier "wurde eine gewisse Vollständigkeit angestrebt" (6). Dass manche italienische Stadtstaaten und einige deutsche Hochstifte weggelassen worden sind, um Beispiele für die Grenzen zu nennen, ist plausibel und fügt sich wohl abgewogen in den chronologischen und geografischen Referenzrahmen der Veröffentlichung ein.

Wie vom Verfasser angekündigt, erklärt sich das Tabellenwerk aus sich selbst. In alphabetischer Reihe eröffnet die europäische Geschichte. Daran schließt sich die deutsche Geschichte ebenfalls in alphabetisch-chronologischer Folge an, wodurch die föderale Tradition Deutschlands transparent wird. Die nationale Sicht auf Deutschland umfasst circa ein Drittel der Arbeit. Ein kurzer Überblick zu Beginn der Einzellisten führt in die jeweiligen Landesgeschichten ein und erleichtert ein gezieltes Arbeiten.

Gleichwohl wurde die strenge europäische Ordnung aufgebrochen, wenn es die Verwobenheit mit der europäischen Geschichte gebot. So findet sich in der Sammlung neben dem beschriebenen Anhang beispielsweise das Verzeichnis der Könige von Jerusalem oder das Verzeichnis der Wandalenkönige des 6. Jahrhunderts in Nordafrika. Der Datierung wurde der Gregorianische Kalender zu Grunde gelegt, wobei auf die englische und russische Abweichung im Vorwort kurz hingewiesen wird.

Nomen est Omen: Das Tabellenwerk greift die Parameter der politischen Geschichte in traditioneller Weise auf. Dies ist Stärke und Schwäche der Arbeit zugleich. Die Listen geben in konventioneller Weise einen raschen Überblick. Allerdings bewirkt diese Praxis Engführungen bei den Stammtafeln. Wer etwa mit frauen- und geschlechtergeschichtlichen Kategorien arbeitet, erhält in diesem Tabellenwerk lediglich teilweise Auskunft.

Dass Geschichte keineswegs geschlechtsneutral ist, ist eine Plattitüde. Das gilt jedoch nicht für die Konkretionen in und durch Historiographie, die durch einen "gender-sensibilisierten" Blick Differenzierungen und Asymmetrien aufzeigen:

Feldkamp arbeitet mit der umgangssprachlichen Benennung von "Stammtafeln". Hier wäre die Bezeichnung der agnatischen Nachfahrentafeln präziser. Schließlich fehlen dem Werk grundsätzlich cognatische Genealogien. Darüber hinaus werden Daten von Frauen meist nicht (172, 276) und wenn, dann nicht immer ganz korrekt genannt - wie bei der österreichischen Kaiserin Elisabeth, die geborene Herzogin "in" und nicht "von" Bayern (175) war, oder bei der zweiten Gattin von Kaiser Wilhelm II. ("Hermine Reuß" [328]), die keine Bürgerliche war, sondern Prinzessin von Schöneich-Carolath, geborene Prinzessin von Reuß.

Generativität ist integraler Bestandteil und substanzielle Kategorie dynastischer Genealogien. Wenn zum Beispiel jeweils nur drei Kinder von insgesamt sechzehn Geburten bei Maria Theresia von Habsburg (174) oder von neun Geburten bei Queen Victoria (106) genannt werden, ist dies eine Reduktion. Natürlich sind jedem Werk Grenzen gesetzt, doch so erweckt es den Anschein, als sei diese Familiengruppe gleich der mit zwei Nachkommen von Kaiserin Augusta von Preußen (327). Hier wäre eine Darstellung mit beispielsweise gesperrten und durchgehenden Linien für die Kinderlinie, hilfreich und mit präzisierendem Nachrichtenwert gekoppelt.

Auch für den Aspekt der ehelichen Verbindungen wäre eine optisch differenzierte Darstellung gewinnbringend. Zwar ist eine numerisch steigende Reihung von Ehen üblich, eine Unterscheidung von ebenbürtigen und morganatischen Ehen mehrt hingegen die Informationsdichte des Nachschlagewerkes. Schließlich unterscheiden sich die rechtlichen Grundlagen beispielsweise der beiden Ehen von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen mit weitreichenden Folgen für die Beteiligten voneinander (326); gemeinsam war Prinzessin Luise von Mecklenburg-Strelitz und Auguste von Harrach lediglich der Ehemann.

In der Regel erschließen sich die Tabellen von selbst. Mit Blick auf das genealogische System wäre das Nennen der Auswahlkriterien, die ein Auflisten im Werk veranlassten, nützlich. Schließlich ist das Fehlen von Prinz Ludwig, Heinrich und Prinzessin Wilhelmine von Preußen (327) nicht selbst erklärend, da vier (Halb-)Geschwister von König Friedrich Wilhelm III. genannt sind und das Werk so die Fakten zur Doppelhochzeit der Prinzessinnen Luise und Friederike von Mecklenburg-Strelitz mit den Prinzen von Preußen vermissen lässt. - Die Arbeit regt letztendlich Überlegungen an, wie eine Ausgabe mit cognatischen Aufstellungen aussähe, wie ein (künftiges) Tabellenwerk der europäischen Geschichte der Regentinnen, Regenten und Genealogien gestaltet werden könnte.

Listen und Tafeln können historisches "Trockenbrot" sein. Ebenso können sie Faszination erwecken und einladen, Bezüge herzustellen. Dies ist Feldkamp gewiss gelungen. Lücken in der Darstellung können zur Selbstvergewisserung anregen und damit zu zunehmender Sicherheit im dynastischen Bezugssystem führen. Der Band gibt der Zielgruppe, die Informationen zu Unterricht und Studium benötigt, im Allgemeinen "rasch und präzise Auskunft" (450). Ein erschwingliches Preisniveau und das vertraute gelbe Farbdesign des Verlages werden künftig die "Reclam'sche Geschichtsecke" so mancher Bibliothek anwachsen lassen. Für akribisches Arbeiten sind nach wie vor Prinz von Isenburgs beziehungsweise Schwennickes Ahnentafeln, die Serien der Gothaischen Genealogischen Taschenbücher und biografische Standardwerke heranzuziehen.

Ilona Scheidle