Kiran Klaus Patel: "Soldaten der Arbeit". Arbeitsdienste in Deutschland und den USA 1933-1945 (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft; Bd. 157), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2003, 459 S., ISBN 978-3-525-35138-3, EUR 49,90
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Patel ist mit seiner Dissertation in mehrfacher Hinsicht eine wichtige Arbeit zur Geschichte des Nationalsozialismus gelungen: Erstens wirft der von ihm untersuchte Reichsarbeitsdienst (RAD) ein Schlaglicht auf das nationalsozialistische Deutschland insgesamt, da die Militarisierung der Arbeit ein zentrales Signum des NS-Regimes war. Zweitens reduziert Patel den RAD und seinen Vorläufer, den Freiwilligen Arbeitsdienst (FAD), nicht auf eine bloße Institutionengeschichte; er kontextualisiert die Geschichte beider deutscher Arbeitsdienste auf sehr überzeugende Weise. Drittens (und dies macht den besonderen Reiz der Arbeit aus) zieht er den in seinen Grundstrukturen ähnlichen "Civilian Conservation Corps" (CCC) der Roosevelt-Ära zum Vergleich heran, um Spezifika der deutschen wie abgeschwächt auch der US-amerikanischen Entwicklung besser herauskristallisieren zu können. Dabei beschränkt er sich - viertens - nicht auf einen bloßen Vergleich beider Institutionen, sondern weitet die Untersuchung zu einer Transferanalyse, indem er die Rezeption des jeweils anderen Dienstes vorstellt. Im Zentrum der Darstellung steht freilich der Reichsarbeitsdienst.
Im ersten Kapitel spürt Patel der Vorgeschichte des Arbeitsdienstes, der kurzen Geschichte des "Freiwilligen Arbeitsdienstes" (FAD) der Weimarer Republik nach. Insgesamt seien es fünf Stränge und Strömungen gewesen, die seit Ende der Zwanzigerjahre die Diskussion um den Arbeitsdienst bestimmt hätten: erstens ein autoritärer Etatismus, nach dem nur derjenige ein vollwertiger Staatsbürger sein sollte, der den Arbeitsdienst durchlaufen habe, zweitens "ein nationalistischer und oft revanchistischer Militarismus", der angesichts der militärpolitischen Restriktionen des Versailler Vertrages den Arbeitsdienst als verkappte paramilitärische Einrichtung befürwortete, drittens ein von "vormodernen" Ideologien getragener völkischer Nationalismus, der den Arbeitsdienst als Hebel zur Entstädterung und Reagrarisierung betrachtete, sowie viertens eine Strömung, für die die Hilfe für junge Arbeitslose im Vordergrund stand. Die von Patel genannte fünfte Strömung, Anhänger der Idee eines "demokratischen Kommunitarismus avant la lettre" dürfte vermutlich zu vernachlässigen sein.
In erster Linie waren es konservative und rechtsextreme Organisationen wie der Stahlhelm, der Jungdeutsche Orden und - zunächst zögerlich - die NSDAP, die mit der Idee eines Arbeitsdienstes sympathisierten. Gleichwohl konnten sich auch Sozialdemokraten, vor allem Teile der "rechten Parteiintelligenz", mit dem am 5. Juni 1931 durch die zweite Notverordnung Hindenburgs "zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen" offiziell ins Leben gerufenen FAD anfreunden; eine von diesem Teil der SPD und den freien Gewerkschaften gegründete "Reichsarbeitsgemeinschaft Sozialer Dienst" fungierte neben den Organisationen der Rechten als "Dienstträger des FAD". Ablehnung schlug dem FAD lediglich vom linken Flügel der SPD und von den Kommunisten entgegen.
In das Zentrum des ersten Kapitels stellt Patel den späteren "Führer" des Reichsarbeitsdienstes, Konstantin Hierl. Hierl überreichte dem Chef der Weimarer Reichswehr, Hans von Seeckt, bereits im November 1923 eine Denkschrift über einen künftigen Arbeitsdienst, die sich inhaltlich wenig von späteren Konzepten rechtskonservativer Kreise unterschied. Bemerkenswert ist, dass Hierl bereits 1923 für eine "staatlich organisierte, allgemeine Dienstpflicht" eintrat, die er "über einen coup d'état eines 'nationalen' Diktators herbeiführen" wollte. Seit 1927 besaß er Kontakt zu Hitler, im Juni 1932 avancierte er zum "Beauftragten des Führers der NSDAP für die Arbeitsdienste". Damit war die Basis für seine Karriere seit dem 4. Mai 1933 gelegt, als er - zunächst noch als Staatssekretär unter dem Reichsarbeitsminister Seldte - auch formell für den Aufbau des RAD zeichnete. "Reichsarbeitsführer" nannte sich Hierl seit Ende 1933. An sich war dies eine paradoxe Bezeichnung, weil sie Kompetenzen weit über den Arbeitsdienst hinaus suggerierte, die sich Hierl vielleicht erträumt haben mag, jedoch faktisch nie aneignen konnte.
Formaliter war die Stellung Hierls und seines in den ersten Jahren immerhin 200.000 Mann starken Reichsarbeitsdienstes durch das RAD-Gesetz vom 26. Juni 1935 gesichert, das die Selbstständigkeit und "Verstaatlichung der gesamten Organisation" feststellte. Spätere Krisen schloss dies freilich nicht aus, etwa im Herbst 1937, als die Wehrmacht sich den RAD als Bautruppe einverleiben wollte, Hierl diesen Angriff auf die Selbstständigkeit "seiner" Organisation jedoch mithilfe Hitlers abwehren konnte. Die von Anbeginn gewollte Militarisierung des RAD schritt gleichwohl weiter fort: Ein wichtiger Einschnitt war der Westwallbau, der bis zu 100.000 "Reichsarbeiter" de facto seit September 1938 zu einer militärähnlichen Organisation hinter der Front machte. Organisationsgeschichtlich sei dies, so Patel, eine tiefere Zäsur gewesen als der Kriegsbeginn im September 1939. Im Krieg wurde der RAD immer mehr zu einem unmittelbaren Bestandteil der militärischen Infrastruktur, spätestens seit 1943 war er ein bloßes "Anhängsel der Wehrmacht", das unter anderem am Bau des Atlantikwalles sowie der Abschussrampen für die V2 beteiligt war.
Schon frühzeitig wies der RAD das Signum der NS-Rassenpolitik auf, schon frühzeitig war er in die Verbrechen des NS-Regimes involviert: Junge Männer des gleichgeschalteten Arbeitsdienstes bauten 1933 das KZ Dachau mit auf, andere bewachten frühe Konzentrationslager. Sie knüpften damit an eine ältere "Tradition" an: Dienstleistende aus FAD-Lagern, die von der NSDAP "verwaltet" worden waren, wurden während der späten Weimarer Republik in mehreren Regionen als "parteieigene Schlägertrupps" eingesetzt. Nach 1941 forcierte Hierl die Einbindung in das NS-Terrorsystem, etwa indem Arbeitsdienstleistende an der Ostfront mit der Bewachung von Kriegsgefangenenlagern oder der "Partisanen-Bekämpfung" beauftragt wurden. Auch an der Verfolgung und schließlich Vernichtung der europäischen Juden scheinen kleine Teile des RAD beteiligt gewesen zu sein. Überhaupt war der RAD bereits frühzeitig in die rassistische Segregation involviert: Erst durch die Nachfrage des RAD wurden zuvor unauffällige Deutsche als "Juden" stigmatisiert, denn "selbstverständlich" schloss der RAD neben Straffälligen und "Untauglichen" auch die Menschen aus, die nach den NS-Rassegesetzen als "Juden" galten. Während des Krieges dann wurde der RAD "in großem Umfang zur Eindeutschungsinstanz". Nach rassistischen Kriterien "eindeutschungsfähige" Männer wurden in den RAD aufgenommen; "belohnt" wurden sie dadurch, dass man ihnen eine "deutsche Staatsangehörigkeit auf Widerruf" verlieh.
Ob der RAD "erfolgreich" war, ist eine Frage der Perspektive: Als Instrument der Berufslenkung, insbesondere der Versuche, Abiturienten vom Weg zum überfüllten akademischen Arbeitsmarkt abzuhalten und gleichzeitig dem Defizit vor allem an landwirtschaftlichen Arbeitskräften abzuhelfen, taugte er nicht; hier waren die sich rasch verändernden Konstellationen auf den Arbeitsmärkten weit wirkungsmächtiger. Dagegen attestiert Patel dem RAD und ebenso dem CCC, beide hätten "einen wesentlichen Beitrag zur Reduktion von abweichendem Verhalten und Kriminalität" geleistet (Patel hätte in diesem Kontext allerdings den Begriff "Kriminalität" stärker problematisieren können.). Wenn die "destabilisierenden Potentiale" junger Männer bei beiden Diensten durch das "System der Lager eingefangen und verlangsamt, gebändigt und diszipliniert" werden konnten, dann lag dies nicht zuletzt daran, dass dem Lagersystem beider Arbeitsdienste eine dezidiert militärische Struktur als Korsett eingezogen wurde. Erfolgreich wären beide außerdem in ihrem Bestreben gewesen, "den körperlichen Zustand der jungen Männer zu verbessern", so Patel in längeren Ausführungen, in denen auch das partiell differierende maskuline Ideal beider Arbeitsdienste vorgestellt wird. Während der CCC seine "Arbeitsmänner bis 1941 nicht habe militarisieren wollen, habe der RAD "seinen Auftrag, die jungen Männer auf Wehrdienst und Krieg vorzubereiten", voll und ganz erfüllt.
Im dritten Teil skizziert Patel die Praxis des deutschen und des amerikanischen Arbeitsdienstes, die auf ihrem Zenit zwischen 25% und 30% aller prinzipiell zugangsberechtigten Männer in ihren Reihen zählten (zu Bodenverbesserung, Straßen- und Wegebau). Bemerkenswert ist der unterschiedliche Grad der Technisierung und damit der Arbeitsproduktivität: Während die RAD-Projekte ausgesprochen arbeitsintensiv waren, verfügten viele der CCC-Camps seit Mitte der Dreißigerjahre über größere Maschinenparks. Wiederum gemeinsam war beiden Arbeitsdiensten, dass sie für eine gezielte Imagepolitik beider Staaten herhalten mussten: Die öffentliche Meinung in den USA wie im Dritten Reich suggerierte "der gesamte Bevölkerung das Gefühl, daß die Zeit des Stillstands und der Resignation angesichts der [neuen] Lage vorüber sei und daß der Staat nunmehr kraftvoll agiere". Die Ergebnisse der Transferanalyse Patels: Der US-amerikanischen Öffentlichkeit diente der deutsche Arbeitsdienst als "abschreckendes Beispiel", das wie "ein Menetekel über der gesamten Geschichte des CCC gelegen" habe; vor allem die Militarisierung des RAD wurde kritisch beäugt und damit eine wichtige Barriere errichtet, die bis zum Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 eine stärkere Militarisierung des CCC unterband. Bemerkenswert ist, dass beide Seiten dennoch keine Scheu hatten, dem jeweiligen Rivalen Einblicke in den eigenen Arbeitsdienst zu gewähren: Die Abteilungen für Öffentlichkeitsarbeit tauschten regelmäßig Informationsmaterial aus und pflegten dabei einen "freundlichen Umgangston". Roosevelt schreckte auch nicht vor der Übernahme "deutscher Erfahrungen" zurück, namentlich "bei der Ausbildung von Luftfahrtmechanikern".
Fazit der Lektüre: Eigentlich lag der Vergleich zwischen den deutschen Arbeitsdiensten und dem CCC immer schon auf der Hand. Herangewagt hat sich erst Kiran Patel. Herausgekommen ist eine vorzügliche, um nicht zu sagen vorbildliche Studie.
Rüdiger Hachtmann