Rezension über:

Steffen Stuth: Höfe und Residenzen. Untersuchungen zu den Höfen der Herzöge von Mecklenburg im 16. und 17. Jahrhundert (= Quellen und Studien aus den Landesarchiven Mecklenburgs und Vorpommerns; Bd. 4), Bremen: Edition Temmen 2001, 487 S., 20 Abb., ISBN 978-3-86108778-6, EUR 20,90
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Rezension von:
Marcus Leifeld
Bonn
Redaktionelle Betreuung:
Michael Kaiser
Empfohlene Zitierweise:
Marcus Leifeld: Rezension von: Steffen Stuth: Höfe und Residenzen. Untersuchungen zu den Höfen der Herzöge von Mecklenburg im 16. und 17. Jahrhundert, Bremen: Edition Temmen 2001, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 5 [15.05.2004], URL: https://www.sehepunkte.de
/2004/05/4421.html


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Steffen Stuth: Höfe und Residenzen

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Längst schon sehen wir die frühneuzeitlichen Höfe des Alten Reiches mit anderen Augen als Eduard Vehse, der auch den mecklenburgischen Höfen ein zweibändiges Werk (1856) gewidmet hat. Die Funktionalität des höfischen Apparates und seiner vielschichtigen Strukturen findet nicht zuletzt seit Norbert Elias zunehmende Aufmerksamkeit in der historischen Forschung. Mittlerweile sind insbesondere einige Höfe des Reiches - so der kaiserliche Hof, die Höfe Bayerns und Kurkölns - unter neuen Fragestellungen untersucht worden. Überdies entstanden typologische Studien zum frühneuzeitlichen Hof, ohne jedoch für die Vielzahl und Vielfalt der Höfe überzeugende Kategorisierungen anbieten zu können. An Rainer A. Müllers Feststellung aus dem Jahr 1995, dass der gegenwärtige Forschungsstand keine befriedigende Überblicksdarstellung des Hofes in der Frühen Neuzeit erlaube, hat sich in der Zwischenzeit noch nichts geändert. Zu gravierend prägen sich die jeweiligen, höchst unterschiedlichen wirtschaftlichen, politischen und biografischen Voraussetzungen aus und erschweren in ihrer Heterogenität eine typologische Darstellungsweise.

Zu begrüßen ist es daher, dass nun Steffen Stuth mit der Untersuchung zu den Höfen der beiden gleichberechtigt regierenden und eng miteinander verbundenen Herzöge von Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Güstrow im 16. und 17. Jahrhundert eine solide und gründliche Einzelstudie vorlegt und damit einen Beitrag zur vergleichenden Betrachtung speziell der Höfe mittlerer Größe leistet.

Der Autor schildert zunächst die territoriale Entwicklung des Herzogtums Mecklenburg von den ersten mittelalterlichen Herrschaftsschwerpunkten bis hin zum Erbvertrag von Güstrow (3. März 1621), der zur endgültigen Trennung der beiden Herzogtümer führte, die schon seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhundert begannen, eigene Hofhaltungen und Residenzen auszubilden.

Im Hauptteil stellt Stuth die Geschichte der Höfe in chronologischer Folge dar. Detailliert bereitet er das für die Hofgeschichtsforschung relevante Datenmaterial auf, so zur Biografie der Herzöge und zum Personal ihres Hofes, zu den politischen und finanziellen Konstellationen. Ebenso widmet er sich den repräsentativen Aspekten der Hofhaltung wie der Architektur und den Divertissements.

Die mecklenburgischen Herzöge, die durch die Trennung ihrer Höfe und die damit verbundenen Auseinandersetzungen geschwächt wurden, konnten sich niemals entscheidend gegen die Stände durchsetzen. Äußere Faktoren, wie etwa der Dreißigjährige Krieg, der die finanzielle Situation der Landesherren verschlechterte, wirkten sich zusätzlich negativ auf die Machtposition der Herzöge gegenüber den Ständen aus. Während Herzog Gustav Adolf (1636/54-1695) in Güstrow auf diese Situation mit der Intensivierung des Zeremoniells und der Repräsentation reagierte, zog es Christian I. Louis (1658-1692) vor, seinen Hof zu vernachlässigen: Er verließ Schwerin und regierte sein Herzogtum aus dem Ausland.

Generell jedoch führte die politische Machtlosigkeit der mecklenburgischen Höfe, dies belegt der dritte Teil der Arbeit anhand der ausführlichen Beschreibung von Kindtaufen, Hochzeiten und Leichenbegängnissen, zu einer nachhaltigen Betonung der höfischen Kultur. Durch den gesteigerten Repräsentationsaufwand sollte der faktisch geringe Handlungsspielraum maskiert und die Stellung der Herzöge als Reichsfürsten unterstrichen werden. Allerdings reichten die finanziellen Mittel - und auch die politische Durchsetzungsfähigkeit - der Herzöge letztlich nicht aus, um den erhobenen Anspruch in geeigneter Weise sinnfällig werden zu lassen; so finden sich etwa, wie der Autor bemerkt, keine Schlossbau-Projekte aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.

Quellengesättigt und überaus detailreich lässt Stuths Buch insbesondere das Zusammenspiel zwischen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Faktoren an den mecklenburgischen Höfen nachvollziehen. Allerdings hätte man es begrüßt, wenn Stuth sein Bemühen nicht größtenteils darauf konzentriert hätte, die höfische Kultur in Mecklenburg zu beschreiben, sondern diese auch unter übergreifenderen Fragestellungen zu analysieren und in ihren strukturellen Bedingtheiten zu untersuchen. Die vergleichende Betrachtung, die Einordnung in die Hoflandschaft des Alten Reiches vermisst man etwa ebenso wie die Frage nach Vorbildern und Anregungen für das Hofleben in Mecklenburg. So solide Stuth auch das historische Material aufbereitet hat - den kultur- und sozialgeschichtlichen, prosopografischen und ideengeschichtlichen Zusammenhängen des höfischen Lebens in Mecklenburg widmet er bedauerlicherweise nicht die gleiche Aufmerksamkeit. Dennoch leistet das Werk einen wesentlichen und künftig unverzichtbaren Beitrag zur mecklenburgischen Landesgeschichte und wird überdies für die vergleichende Forschung zu den Höfen im frühneuzeitlichen Reich mit Gewinn herangezogen werden können.

Marcus Leifeld