Rezension über:

Sonia Abun-Nasr: Afrikaner und Missionar. Die Lebensgeschichte von David Asante, Basel: P. Schlettwein Publishing 2003, VIII + 258 S., ISBN 978-3-908193-12-8, CHF 48,00
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Rezension von:
Leonhard Harding
Institut für Afrikanistik, Universität zu Köln
Redaktionelle Betreuung:
Jürgen Zimmerer
Empfohlene Zitierweise:
Leonhard Harding: Rezension von: Sonia Abun-Nasr: Afrikaner und Missionar. Die Lebensgeschichte von David Asante, Basel: P. Schlettwein Publishing 2003, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 6 [15.06.2004], URL: https://www.sehepunkte.de
/2004/06/6023.html


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Sonia Abun-Nasr: Afrikaner und Missionar

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In diesem Buch wird die Lebensgeschichte des afrikanischen Missionars David Asante (1834-1892) vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung des Reiches Akuapem und der Goldküste dargestellt. Akuapem war im 18.Jahrhundert vom Asante-Reich unterworfen worden. Diese Unterwerfung blieb jedoch umstritten und führte zu häufigen Konflikten. Im 19. Jahrhundert geriet es in den Strudel der Auseinandersetzungen Asantes mit den Engländern um die Vorherrschaft an der Küste. Es ging um die Kontrolle der Handelsrouten zwischen Binnenland und Küste, auch um den Sklavenhandel. In zwei Kriegen wurde Asante besiegt und die Hauptstadt Kumase 1874 zerstört. Im gleichen Jahr errichteten die Briten die Kronkolonie Goldküste und das Protektorat, zu dem auch Asante und Akuapem gehörten. In diese Konstellation fiel die Ausweitung der Tätigkeit der Basler Mission, die 1835 ihre erste Station in Akuapem errichtet hatte. Notgedrungen erschien diese als Vorposten der europäischen Macht und Zivilisation. Diese Auseinandersetzung zwischen europäischer und einheimischer Kultur beziehungsweise Macht steht im Mittelpunkt des Buches. Sie ist explizit Thema der ersten Kapitel (17 -69).

David Asante war der Sohn von Owusu Akyem, der viele Jahre in Kumase gelebt hatte. Sein Großvater kam aus Kumase und war Ende des 18. Jahrhunderts als Statthalter nach Akuapem gesandt worden. So stammte David Asante aus einer "königlichen Familie". Er erhielt seine Ausbildung zum Missionar in Basel (1857-1862) und arbeitete nach seiner Ordinierung als Gehilfe in der Hauptstadt von Akuapem und als Missionar in Late (1864-1872). Anschließend wurde er in untergeordneter Stellung zu Erkundungsreisen und als Diakon eingesetzt.

Sein Leben wurde geprägt durch die Mittlerfunktion, die ihm als hochgebildetem Afrikaner, als Missionar und als Sohn aus einer königlichen Familie zukam. Er stand zwischen der Mission, der westlichen Zivilisation sowie der vorrückenden englischen Kolonialmacht auf der einen und der Kultur sowie den Interessen seiner Familie und seines Volkes auf der anderen Seite. Hinzu kamen ein wachsender Rassismus innerhalb der Basler Mission, der ihn tief traf und in der Missions-Hierarchie zurückstufte, und Auseinandersetzungen um den Einfluss von staatlichen und kirchlichen Machtträgern. So trat er 1877 in einem Prozess vor dem kolonialen Gericht gegen den Herrscher von Akyem Abuakwa auf; seine Interpretation der britischen Gesetze konnte sich aber nicht durchsetzen.

Seine Tätigkeit bestand im Aufbau und der Betreuung kirchlicher Gemeinden in "Christendörfern", in Wanderpredigten, Religionsunterricht, der Arbeit an Übersetzungen von Bibeltexten ins lokale Twi und in Erkundungsreisen in den Norden. Die Missionare und die "Christendörfer" gerieten in ständige Auseinandersetzungen mit den Vertretern der staatlichen Macht. Es ging um das Recht zur Eröffnung von Schulen beziehungsweise die Angst vor dem Verlust der eigenen Kultur, um die Verbindlichkeit des Gewohnheitsrechts, vor allem der Riten zu Ehren von Verstorbenen, aber auch um die innere Disziplin in den Gemeinden.

Die zentralen Aussagen des Buches beziehen sich auf den Konflikt, den die Mission auslöste, und auf die Person und Rolle von David Asante. Die Christendörfer waren "alternative religiöse, soziale und ökonomische Gemeinschaften zu den bestehenden afrikanischen Städten" (222). Sie stellten eine Herausforderung an den Machtanspruch der lokalen Herrscher dar, weil sie andere Lebensformen und soziale Strukturen entstehen ließen. Hier wurden zudem andere Wertesysteme und religiöse Riten eingeführt und vor allem: hier entwickelten sich neue Klientelsysteme. Der Pfarrer konnte - und David Asante hat dies öfter getan - als "Oberhaupt einer eigenständigen Klientel" (225) gegenüber den traditionellen Herrschern auftreten und ihnen mit dem Anspruch der Moderne, der Zivilisation und der Religion der Zukunft gegenübertreten.

Die Aufnahme in ein Christendorf hing von der Bekehrung ab. Diese erscheint aber nicht als fundamental religiöser Akt, sondern zunächst als Anschluss von Marginalisierten an eine neue Gemeinschaft oder an eine mächtige Persönlichkeit. Sie konnte auch ein Bekenntnis zur neuen, europäisch geprägten Kultur bedeuten. So wird sie auch geschildert als "Übertritt in eine neue Lebenswelt" (226).

David Asante selbst wird skizziert als jemand, der "den unbedingten Willen hatte, sich in der Mission durchzusetzen" (223). Entsprechend werden sein Fleiß, seine schulische Leistungsfähigkeit und sein Ehrgeiz hervorgehoben. Auffallend sei seine ausgeprägte Anpassungsbereitschaft gegenüber christlichen Verhaltensnormen. Diese habe ihm ein "geradezu paradoxes Sozialverhalten" (223) aufgenötigt: er habe Demut gegenüber Gott sowie Gehorsam gegenüber seinen Lehrern mit der Bereitschaft verbunden, Verhaltenserwartungen seiner Mutter und politischer Autoritäten geradezu zu brüskieren. Darin sieht die Autorin einen "Prozess der Umdeutung seines aus dem afrikanischen Umfeld stammenden sozialen Überlegenheitsgefühls" (223) in Arroganz gegenüber Nichtchristen oder weniger frommen Christen.

Von den Bewohnern der benachbarten Städte und von den Christen sei der Pfarrer eines solchen Dorfes als Oberhaupt der Christen angesehen worden, mit den Aufgaben und Funktionen eines Chief. Als solcher fühlte David Asante sich auch.

Hinzu kam seine Funktion als Mittler; Christsein bedeutete für ihn, in eine neue Lebenswelt einzutreten. Diese wies in die Zukunft. Wie die Autorin meint, ergab sich diese Überzeugung auch aus "der allmählichen britischen Expansion, die das Christentum als Religion der Zukunft erscheinen ließ" (226). Sein Weltbild habe durchaus politische Züge gehabt; danach "gingen Europäisierung und Christianisierung Hand in Hand. Indem er selbst beiden Tendenzen diente, fühlte sich Asante als Pionier einer umfassenden zivilisatorischen Entwicklung, die seinem Lebensweg Sinn verlieh" (226).

Eine solche Erfahrung hatte er in seinem Leben, seit seiner Ausbildung in Basel, durchaus gemacht. Aber daraus allein lässt sich eine solche Schlussfolgerung über das Leben eines Missionars nicht ableiten. Darin liegt ein entscheidender Kritikpunkt an diesem Buch: Die Rolle Asantes als Theologe wird nicht angesprochen. An keiner Stelle erfahren wir etwas über den Inhalt seiner Predigten, sein Gottesbild, seine inhaltliche Auseinandersetzung mit den religiösen Überzeugungen seiner Familie und seines Volkes oder über Zweifel an der neuen Religion. Wir erfahren nicht, ob und wie er Elemente der lokalen Traditionen in seine eigene Frömmigkeit oder die Gebete und Gesänge seiner Gemeinden aufgenommen hat. Es heißt immer nur, er sei zu einer völligen Anpassung bereit gewesen. Das wirkt nicht überzeugend. Dasselbe gilt für die theologische Komponente im Denken und Arbeiten der Basler Missionare generell; auch diese wird nicht thematisiert.

Es befremdet auch, dass von inhaltlichen Auseinandersetzungen in politischen und sozialen Fragen nicht die Rede ist. So darf man die Frage stellen, wie er mit dem Gegensatz zwischen dem Sklavenbesitz der Herrscher, der als Grundlage ihrer Macht dargestellt wird, und dem Sklavenbesitz der eigenen Familie umgegangen ist. Hat er die Macht seiner eigenen königlichen Familie ebenfalls in der Verfügungsmöglichkeit über Sklaven gesehen? Wie hat er sich dazu geäußert? Überhaupt fehlt das Persönliche an David Asante: Er wird nicht als Ehemann und als Vater thematisiert.

Es fällt ferner auf, dass die Autorin nicht komparativ vorgeht; sie vergleicht Darstellungen über Christendörfer, Interpretationen von Bekehrung als Eintritt in eine neue Lebenswelt oder die Mittlerfunktion von Missionaren nicht mit Deutungen anderer Forscher. So erwähnt sie die wegweisende Darstellung von Jean und John Comaroff über "Revelation and Revolution" nicht; sie nennt auch den Sammelband von Thomas Blakely und anderen über "Religion in Africa. Experience and Expression" nicht. Es wäre auch hilfreich gewesen, die Christendörfer in der Goldküste mit denen in anderen Gebieten, auch mit den "Villages de liberté" zu vergleichen.

Als Quellen dienen das Archiv der Basler Mission, die National Archives of Ghana und drei Interviews. Das Buch enthält eine "Zeittafel und Lebensdaten von David Asante", ein Glossar der Twibegriffe, ein Quellen- und Literaturverzeichnis und einen Index.

Insgesamt ist dieses Buch eine spannende und anregende Darstellung der Tätigkeit eines afrikanischen Missionars in einem brisanten politischen Kontext. Das Verdienst liegt in der exemplarischen Aufzeichnung dieses Hintergrundes, die Schwäche in dem Schweigen über David Asante als Theologe und Person.

Leonhard Harding