Marta V. Vicente / Luis R. Corteguera (eds.): Women, Texts and Authority in the Early Modern Spanish World (= Women and Gender in the Early Modern World), Aldershot: Ashgate 2004, XV + 202 S., 5 s/w-Abb., ISBN 978-0-7546-0950-6, GBP 45,00
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Der von Marta Vicente und Luis Corteguera herausgegebene Band vereinigt eine umfangreiche Einleitung und Aufsätze, die sich zeitlich zwischen dem 15. und dem 18. Jahrhundert bewegen und geografisch im heutigen Spanien angesiedelt sind. Der Inhalt des Bandes hat sich einer "Geschichte der weiblichen Sprache", der Suche nach Texten und nach der Autorität von Frauen verschrieben. Mit dieser Aufgabenstellung reihen sich das Buch und seine Herausgeber in eine bereits existierende gute, man möchte beinahe sagen: alte Tradition der amerikanischen Historikerinnen und Historiker ein, welche sich seit den Forschungen von Natalie Zemon Davis auf den Spuren der Frauen bewegen. Im Folgenden soll keine 'Zusammenschau' aller angebotenen Essays geleistet, sondern das Augenmerk auf einige Texte gelenkt werden, die für mitteleuropäische Historikerinnen und Historiker von großem Interesse scheinen.
Debra Blumenthal (Sclaves Molt Fortes, Senyors Invalts: Sex, Lies and Paternity Suits in Fifteenth-Century Spain, 17-35) untersucht jene Fälle von Sklavinnen in Valencia, welche die Geburt und Taufe ihrer Kinder nützten, um dadurch ihre Freilassung zu erreichen. Dies bedarf der näheren Erklärung: Viele Sklavinnen wurden von ihren Besitzern geschwängert; in diesem Fall bestand die juristische Möglichkeit, dass das Kind durch seinen freien Christenvater als frei anzusehen war. Darüber hinaus galt die Mutter durch diese Geburt und die Schwängerung durch einen 'Freien' als freigelassen. Eine Tatsache, die de facto aber gar nicht so leicht zu erreichen war, denn man wollte ja auf seinen Besitz - die Frau und das Kind - nicht so leicht verzichten. Dazu musste in einem solchen Fall die Sklavin beweisen, dass das Kind von ihrem Besitzer stammte. Die Sache wurde nicht leichter dadurch, dass der Besitzer meist verheiratet und dessen Familie nicht angetan war von diesem Anschlag auf die Familienehre. Ganz offensichtlich war der Geschlechtsverkehr mit Sklavinnen allerdings kein Übel, so lange es kein sichtbares Zeichen dieser Verbindung gab, welches die Ehre des Mannes schädigen - und den Zorn der Ehefrau erwecken - konnte.
Die Sklavinnen hatten nur eine Möglichkeit, die "Vaterschaft" des Besitzers unter Beweis zu stellen: Diese bestand darin, den Hausherrn dazu zu bewegen, dass er sich in der Schwangerschaft fürsorglich um die Sklavin bemühte, ihr eine Hebamme beistellte und für die Taufe und das Tauffest sorgte. Viele Familienangehörige bemühten aber genau diese Argumente, um zu behaupten, dass der Mann als Herr des gesamten Hauses auch für eine gute Behandlung aller der ihm anvertrauten Personen zu sorgen habe und man daraus noch keinen Vaterschaftsbeweis ableiten könne. Nun stand den Sklavinnen die Möglichkeit offen, ihr Anliegen sozusagen volksgerichtlich einzuklagen. In diesen Fällen versuchte man dann, neben den bereits erwähnten Gegenargumenten, die Reputation der Sklavin zu ruinieren, indem man zu dem bekannten Argument der weiblichen Laszivität, Promiskuität, Lüsternheit und anderem mehr griff.
Ob es manchen Sklavinnen gelang, ihre Freilassung durchzusetzen oder nicht, hing nicht nur von ihnen, sondern vom gesamten Umfeld ab. Manchen - wie Ysabel - gelang es: "Turning the paternalistic rhetoric that had justified her subjugation to her own benefit, Ysabel assumed a morally superior position to her master. When her master's heirs contended that Alfonso de la Barreda had been a 'good Christian such that if he indeed had been the father of these children, he most certainly would have freed Ysabel', this slave replied by declaring that her master's failure to properly acknowledge her status and free her in his last will and testament revealed that he had been neither a good man nor a good Christian. Indeed, she boldly stated that because of this, she hoped that his soul was burning 'in the infernal flames!'" (30).
Elizabeth A. Lehfeldt (The Gender of Shared Sovereignty: Texts and the Royal Marriage of Isabella and Ferdinand, 37-55) untersucht die problematische Machtteilung zwischen Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon. Die Einsetzung einer Frau als Erbin von Kastilien war keinesfalls unumstritten und lässt sich, nach Elizabeth Lehfeldt, auf die taktische Klugheit Isabellas zurückführen. Als Quellengrundlage zieht sie vier Chroniken, nämlich jene von Fernando del Pulgar, Alfonso de Palencia, Diegeo de Valera und Juan de Flores, heran. Das sich darin abzeichnende Bild einer 'companionate monarchy' (37) ist jedoch in sich widersprüchlich und brüchig. Konnte eine Frau überhaupt höchste Souveränität ausüben, und hieß dies nicht, dass sie auch dadurch Macht über ihren Ehemann hatte? Die Chronisten entzündeten über diesen Gedanken ein Feuerwerk von Ideen über mögliche Geschlechterrollen.
1474 starb Isabellas Halbbruder Heinrich IV., ohne eine Bestimmung über einen Erben / eine Erbin zu hinterlassen. In dieser Situation - Isabella residierte ohne Ferdinand in Segovia - inszenierte Isabella eine Akklamationszeremonie. Sie beobachtete die richtigen Trauerriten und begann danach ihre Einsetzung zu inszenieren, indem sie eine Prozession durch die Straßen zur Hauptkirche von Segovia anführte. Ihr voran schritt ein Adeliger - Gutierre de Cárdenas -, der in seiner rechten Hand ein offenes Schwert führte. Und daran entzündeten sich die Interpretationen der Chronisten: Hatte solch ein viriler Akt noch etwas mit Weiblichkeit zu tun, oder handelte es sich dabei um die Manifestation eines Mannweibes?
Die Diskussion innerhalb der Texte läuft kontrovers, weil sich die Person Isabella und ihre Handlungsweisen in kein vorgegebenes Schema weiblicher Verhaltenskodices einordnen ließen: "Her ability to borrow and adapt, however, gave her considerable flexibility in crafting her image as a young queen who refused to fade quietly into the background while her husband ruled in her stead. The first year of their joint reign proved that the gender of shared sovereignty was controversial, and thus mutable" (53).
Bethany Aram (Representing Madness: Text, Gender and Authority in Early Habsburg Spain, 73-90) untersucht die Darstellung von Verrücktheit innerhalb von Akten und Schriften, welche unter anderem Johanna I. Königin von Kastilien (gest. 1555) - wir kennen sie unter ihrem Beinamen Johanna "die Wahnsinnige" - betreffen. Tatsache ist, dass die "dunklen und unsicheren Formulierungen" (78) über Johannas Gesundheitszustand in den Testamenten ihrer Eltern - Isabella von Kastilien 1504 und Ferdinand von Aragon 1516 - es ihrem Ehemann, ihrem Vater und ihrem Sohn ermöglichten, 55 Jahre in Johannas Namen zu regieren.
Immer werden Johannas Schwangerschaften zur Erklärung herangezogen, da sie diese in ihrer Mobilität behindert und dadurch ihre Autorität untergraben hätten. Man vergisst jedoch immer wieder, dass andere hochadelige Frauen selbstverständlich ihre Kinder 'unterwegs' zur Welt brachten und dass Philipp, was auch Isabella von Kastilien bestätigte, seine Frau 1503 nicht in die Niederlande mitnehmen wollte. Sie konnte sich ausrechnen, warum ihr Ehemann sie nicht in der Nähe haben wollte, und nicht jede adelige Frau folgte dem vorgegebenen Schema, nach welchem sich die eheliche Liebe gestalten sollte. Gerade diese Unangepasstheit an geforderte Verhaltenskodices im emotionalen Bereich sollten dann die Königin ihrer Regierungsfähigkeit berauben. Interessant wäre ein genauerer Vergleich mit Königin Elisabeth I. von England gewesen; denn deren Obstinatheit wurde offensichtlich taktisch klüger verhüllt, sodass sie offensichtlich keine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen konnte. Gleichzeitig muss man sagen, dass Johannas Vater aber zu ihrer Regierungszeit noch lebte und sie darüber hinaus noch einen Ehemann hatte: zwei Männer, die guten Grund hatten, sie von den Regierungsgeschäften fern zu halten.
Die weiteren Aufsätze behandeln die Lebensgeschichten visionärer Frauen (Alison Weber, Sherry M. Velasco und Luis R. Corteguera), weibliche Unternehmerinnen des 18. Jahrhunderts in Barcelona (Marta V. Vicente) und die muslimische Geschichte von Iob und seiner Frau, wie sie in den maurischen Manuskripten des 16. Jahrhunderts zu finden ist (Mary Elizabeth Perry).
Wenn wir diesen Sammelband in den Forschungskontext stellen, dann finden wir innerhalb der gender-orientierten Historiografie einen wichtigen Beitrag zur Darstellung von Frauen in den Texten vom 15. bis zum 18. Jahrhundert vor. Die Stärken des vorliegenden Bandes liegen zweifelsohne in seiner Analyse spanischer Archivalien; gleichzeitig markiert dies auch seine Schwächen. Denn es wird kaum vergleichend innerhalb einer Zusammenschau gearbeitet. Diese Feststellung soll jedoch nicht den Wert des Buches mindern, sondern im Gegenteil dazu anregen, ähnliche Fallstudien im Länderkontext voranzutreiben.
Beatrix Bastl