Hans-Jörg Koch: Das Wunschkonzert im NS-Rundfunk. Mit einem Vorwort von Hans-Ulrich Wehler (= Medien in Geschichte und Gegenwart; Bd. 20), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2003, XI + 402 S., ISBN 978-3-412-10903-5, EUR 44,90
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Es geht nicht nur um das "Wunschkonzert" im nationalsozialistischen Rundfunk, wie der Buchtitel suggeriert, und auch nicht um das legendäre "Wunschkonzert für die Wehrmacht" von 1939 bis 1941. Es geht in Hans-Jörg Kochs Buch schlicht um "Unterhaltungsmusik im Rundfunk 1933-1945", wie eines von neun Kapiteln (einschließlich Einleitung, Schlussbetrachtung, Anhang und Nachwort) lautet. Dann aber auch um "Das Wunschkonzert und andere Unterhaltungssendungen" und um "Schlagermusik der 30er und 40er Jahre", wie weitere Kapitel überschrieben sind.
Über Unterhaltung und Unterhaltungsmusik, die gerade im Dritten Reich einen Großteil des Programmangebots im Rundfunk ausmachten, so wurde noch vor kurzem bemängelt, wüsste man am wenigstens. Diesem Missstand abgeholfen zu haben, ist das große Verdienst der Studie von Hans-Jörg-Koch. Dafür hat er auf breiter Basis ungedruckte und gedruckte Quellen ausgewertet. Der Autor fand sie vor allem in der Überlieferung der Reichspropagandaleitung der NSDAP, des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, der Reichskulturkammer und der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft, aber auch der Wehrmachtpropaganda. Hinzu kommt eine Unzahl ausgewerteter zeitgenössischer Periodika und der Forschungsliteratur zum Dritten Reich nach 1945.
Goebbels nahm massiv Einfluss auf das Rundfunkprogramm, was bisher schon bekannt war. Doch wie intensiv er sich damit befasste, war in den von Koch aufgedeckten Details bisher nicht erforscht worden. Der Propagandaminister setzte nicht auf sture direkt propagandistische und von den Rundfunkhörern leicht zu durchschauende Einflüsse, sondern auf geschickt "verpackte" Botschaften zur Ablenkung von den Alltagssorgen, nachhaltig im Zweiten Weltkrieg. Dazu gehörte vor allem die Unterhaltungsmusik im Rundfunk.
Die solide erarbeitete Studie ist leider nicht frei von Fehlern: Nicht Reichspräsident Friedrich Ebert hat 1923 einen Weihnachtsgruß über Rundfunk an das deutsche Volk gerichtet (34), sondern es waren Vertreter der damals regierenden Koalition unter Anführung von Reichskanzler Wilhelm Marx. Das Ereignis ist damals fotografiert und das Foto mit den Herren vor dem Mikrofon der Berliner Radiostunde und einer korrekten Bildunterschrift seitdem etliche Male publiziert worden. Hans-Jürgen Koch hätte dies nicht entgehen dürfen.
Ansgar Diller