Basil Kerski / Andrzej Kotula / Kazimierz Wóycicki (Hgg.): Zwangsverordnete Freundschaft? Die Beziehungen zwischen der DDR und Polen 1949-1990 (= Veröffentlichungen der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Bundesverband e.V.; Bd. 1), Osnabrück: fibre Verlag 2003, 334 S., ISBN 978-3-929759-76-1, EUR 19,50
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Dass die Zusammenarbeit im östlichen Lager keineswegs so "brüderlich" war, wie es die Propaganda der kommunistischen Parteien verkündete, ist offensichtlich. Dies gilt besonders für das historisch belastete deutsch-polnische Verhältnis, das nach 1949 in eine Freundschaft zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen umgewandelt werden sollte. Von einer "zwangsverordneten Freundschaft" ist denn auch im Titel des vorliegenden Sammelbandes die Rede, der die Ergebnisse einer im Jahr 2001 veranstalteten Konferenz der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Bundesverband, des Stettiner Instituts für Deutschland- und Nordeuropastudien sowie der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Brandenburg dokumentiert und einige zusätzliche Beiträge enthält.
Sein Erscheinen ist schon deshalb begrüßenswert, weil die Kenntnis der zwischenstaatlichen Verhältnisse im östlichen Lager bisher oberflächlich ist. Zwar sind bereits einige Studien zu den Beziehungen zwischen der DDR und Polen erschienen, jedoch nicht immer - wohl auch wegen der Sprachbarriere - ausreichend rezipiert worden. Der Sammelband widmet sich vor allem drei Bereichen dieses Themas: Er enthält erstens Analysen zur politischen Zusammenarbeit, zweitens Darstellungen zu den Kontakten zwischen den Oppositionen in beiden Staaten und deren Vergleich sowie drittens Beiträge zu den Kulturbeziehungen. Die Aufsätze sind von unterschiedlichem wissenschaftlichen Anspruch: Einige stützen sich auf Archivstudien, andere enthalten vor allem zusammenfassende Bewertungen. Nahezu alle Beiträge sind freilich lesenswert, zumal sie einem breiteren deutschsprachigen Publikum Forschungsergebnisse polnischer Autoren zugänglich machen.
Hervorzuheben sind zunächst quellenfundierte Darstellungen der politischen Beziehungen. Die Analyse der - oft konfliktreichen - bilateralen Zusammenarbeit erstreckt sich dabei sowohl auf die diplomatische als auch die wirtschaftliche Ebene. Beiträge über den Streit um die Pommersche Bucht in den Jahren 1985 bis 1989 von Tomasz Ślepowroński und die Kontakte zwischen den Staatssicherheitsdiensten von Monika Tantzscher runden diesen Themenbereich ab. Hinsichtlich der Beziehungen zwischen sozialistischen Staaten ist daneben die Analyse der gesellschaftlichen Kontakte sowie der Einstellungen zum jeweiligen Nachbarn besonders interessant. Zwar ist diesem Themenfeld kein eigener Teil gewidmet, doch werden diese Fragen in einzelnen Beiträgen angesprochen. Zudem bietet Czesław Osękowskis Darstellung des pass- und visafreien Reiseverkehrs in den Jahren 1972 bis 1980 einen interessanten Einblick in die Ebene unterhalb der offiziellen Beziehungen.
Die Einschätzung dieser gesellschaftlichen Kontakte fällt vorsichtig aus: Auf der einen Seite sei Polen für viele DDR-Bürger nicht mehr als ein touristisches Ziel gewesen, für zahlreiche Polen die DDR nicht mehr als ein Einkaufsparadies. Aber "die offene Grenze [ermöglichte] [...] zahlreiche[n] Jugendliche[n] auch neue Bildungserlebnisse durch Studienaufenthalte im Nachbarland. Neben Ehen wurden auch enge Freundschaften geschlossen, die die Wendezeit überdauerten", so Mitherausgeber Basil Kerski (18). Einkaufstourismus, polnische Schwarzmärkte und wirtschaftliche Probleme begünstigten aber langfristig bereits vorhandene Stereotype auf beiden Seiten. Die 1970er Jahre sind laut Burkhard Olschowsky dennoch die "fruchtbarste Dekade in den Beziehungen zwischen Polen und der DDR" gewesen (49). In den darauf folgenden Jahren setzte die SED-Führung dagegen antipolnische Ressentiments propagandistisch gegen die Einflüsse der polnischen Oppositionsbewegung "Solidarność" ein.
Im Abschnitt über die Oppositionsbewegungen weist neben anderen Autoren Stefan Garsztecki auf eine wichtige Diskrepanz zwischen einigen ostdeutschen und polnischen Oppositionellen hin: Während in der DDR viele Dissidenten das System recht lange für reformierbar hielten, galt dies für ihre polnischen Partner spätestens seit Ende der 1960er Jahre nicht mehr. Unterschiede bestanden zudem in den Haltungen zur Kirche und im nationalen Selbstverständnis.
Ungleichgewichtig waren auch die kulturellen Beziehungen, wobei sich die meisten Autoren auf das Feld der Literatur beschränken. Heinrich Olschowsky teilt die Rezeption polnischer Literatur in der DDR in drei Phasen ein: Während von 1949 bis 1956 der Austausch der Feind- durch Freundbilder zu plump gewesen sei, hätten sich junge kritische DDR-Bürger von 1956 bis 1965 von der Lage in Polen begeistern lassen. In einer von 1965 bis in die 1980er Jahre reichenden dritten Phase habe man dann die "kulturelle Andersartigkeit" entdeckt. Insgesamt konstatieren die Autoren ein größeres ostdeutsches Interesse an polnischer Kultur als umgekehrt. Hermann Schmidtendorf kommt in seinem Beitrag über die Massenkultur zu einem ähnlichen Schluss und sieht auch im Musikaustausch eine "evidente Einbahnstraße" von Polen in die DDR (303).
Den Abschluss des Bandes bildet eine Auswahlbibliografie zu den Beziehungen zwischen Polen und der DDR. Sie macht einmal mehr deutlich, dass bereits mehrere - gerade polnische - Studien zu Einzelfragen vorliegen, weitere Detailuntersuchungen vor allem bezüglich gesellschaftlicher und kultureller Kontakte aber noch ausstehen. Diesen Befund spiegelt der Sammelband wider. Das Verdienst der Herausgeber besteht nicht zuletzt darin, dieses Thema auf die Tagesordnung gebracht zu haben und damit hoffentlich weitere Forschungen zu inspirieren.
Volker Zimmermann