Peter J. Rhodes / Robin Osborne (eds.): Greek Historical Inscriptions, 404-323 BC, Oxford: Oxford University Press 2004, XXXII + 594 S., ISBN 978-0-19-815313-9, GBP 95,00
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Griechische Inschriften sind wichtige Quellen zur Alten Geschichte, doch verhindern die oft verstreute Publikation, die Probleme der historischen Einordnung der Texte und oft auch die schwierige Sprachgestalt nicht selten ihre Berücksichtigung im Studium der Alten Geschichte.
Bereits im 19. Jahrhundert hat der Verlag Oxford University Press zur Lösung der ersten beiden genannten Probleme (Übersetzungen schienen unnötig) begonnen, Auswahlsammlungen historischer griechischer Inschriften für den akademischen Unterricht zu publizieren, zuerst 1882 das "Manual of Greek Inscriptions" von E. L. Hicks (revidierte Ausgabe von G. F. Hill 1901), dann 1933-1948 das zweibändige Werk "A Selection of Greek Historical Inscriptions" von M. N. Tod, dessen erster, bis ans Ende des 5. Jahrhunderts vor Christus reichender Band 1969 durch das gleichnamige Werk von R. Meiggs und D. Lewis ersetzt wurde (revidierte Ausgabe 1988). Für die nachklassische Zeit aber war Tods Sammlung trotz neuer Inschriftenfunde und neuer Deutungen bekannter Inschriften ein halbes Jahrhundert nicht ersetzt, sondern nur wiederholt nachgedruckt worden.
Nunmehr aber liegt dank der Initiative von Peter Rhodes und Robin Osborne auch für die nachklassische Zeit bis zum Tod Alexanders des Großen 323 vor Christus eine zeitgemäße Sammlung historischer griechischer Inschriften vor. Die gut hundert klug ausgewählten Inschriften erhellen die politische und Institutionen-Geschichte sowie Aspekte der Sozial-, Wirtschafts- und Religionsgeschichte; Letztere waren in den Vorgängerbänden noch nicht in demselben Umfang berücksichtigt worden und erweitern nun die Möglichkeiten des Einsatzes der Sammlung im Studium auch jenseits der traditionellen Fragestellungen des Fachs.
Jede Inschrift wird auf dem neuesten Forschungsstand im griechischen Wortlaut und (in dieser Reihe erstmals) in englischer Übersetzung präsentiert und dann in einem mustergültigen Kommentar historisch erschlossen. Tafeln, Karten und Textabbildungen veranschaulichen das Vorgestellte, Listen von Phylen und Archonten, eine Konkordanz zu älteren Publikationen, Bibliografien sowie Register von Personen, Orten, Themen und griechischen Begriffen erleichtern den Zugang.
Übersetzungen sind in der Oxforder Reihe ein Novum; die eingangs genannten Probleme mit der Sprachgestalt von Inschriften hatten zu mehreren 'Begleitbänden' geführt, so unter anderem für "Greek Historical Inscriptions, 359-323 B.C." von Peter Rhodes selbst (LACTOR 9, London 1972, Neuausgabe 1986). Im Unterschied zu den deutschen Übersetzungen in der Reihe "Historische griechische Inschriften in Übersetzung" (Texte zur Forschung 59, 68 und 71, Darmstadt 1992-1999), die jeweils genau markieren, welche Textteile erhalten sind, bieten Rhodes und Osborne im vorliegenden Band einen einfachen englischen Lesetext; da aber das griechische Original jeweils direkt gegenübersteht, können alle des Griechischen Kundige sich hier über das Erhaltene informieren.
Der hohe Preis des Buchs wird leider den Einsatz als 'Textbuch' in Seminaren verhindern, doch ist zu hoffen, dass für alle Interessierten zumindest ein Bibliotheksexemplar greifbar ist. Das Buch löst alle drei eingangs genannten Probleme der Berücksichtigung griechischer epigrafischer Quellen im Studium der Alten Geschichte in vorbildlicher Weise. Für diese ausgezeichnet kommentierte Ausgabe wichtiger griechischer Inschriften der nachklassischen Zeit ist Peter Rhodes und Robin Osborne nachdrücklich zu danken.
Kai Brodersen