Rezension über:

Susanne Kaeppele: Die Malerfamilie Bocksberger aus Salzburg. Malerei zwischen Reformation und italienischer Renaissance (= Salzburg Studien. Forschungen zur Geschichte, Kunst und Kultur; Bd. 5), Salzburg: Verein "Freunde der Salzburger Geschichte" 2003, 301 S., 32 Farbtafeln, 80s/w-Abb., ISBN 978-3-9500712-8-3, EUR 28,50
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Rezension von:
Ulrike Wolff-Thomsen
Kunsthistorisches Institut, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Redaktionelle Betreuung:
Stephan Hoppe
Empfohlene Zitierweise:
Ulrike Wolff-Thomsen: Rezension von: Susanne Kaeppele: Die Malerfamilie Bocksberger aus Salzburg. Malerei zwischen Reformation und italienischer Renaissance, Salzburg: Verein "Freunde der Salzburger Geschichte" 2003, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 12 [15.12.2004], URL: https://www.sehepunkte.de
/2004/12/4915.html


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Susanne Kaeppele: Die Malerfamilie Bocksberger aus Salzburg

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Die 2001 am Kunsthistorischen Institut in Heidelberg angenommene Dissertation behandelt ein recht undankbares Thema: Erstens zählen die drei Mitglieder einer Salzburger Malerfamilie, Hans d. Ä., Melchior und Hans d. J. Bocksberger, zu den - wie die Autorin betont - "nicht erstklassigen Meistern" des 16. Jahrhunderts, und zweitens sind ihre Werke zum größten Teil nicht mehr oder nicht unbeschadet erhalten geblieben.

Die verwandtschaftlichen Beziehungen der drei Künstler untereinander bleiben auch weiterhin ungeklärt: In dem Tafel- beziehungsweise Fassmaler Ulrich Bocksberger, der für die Tafelbilder des Hochaltars von St. Blasius in Abtenau 1518 verantwortlich zeichnet, wird der Vater von Hans Bocksberger d. Ä. vermutet. Dieser Hans Bocksberger d. Ä. (um 1510-1561, nun erstmals mit gesichertem Sterbedatum) wird seine Lehr- und Wanderjahre in Italien verbracht haben. 1542 ist er für die Ausmalung einzelner Räume in der Landshuter Stadtresidenz, 1543 für die Schlosskapelle in Neuburg a. d. Donau und 1548 für den Hradschin in Prag nachweisbar. Weitere Arbeiten führte er in Linz, Innsbruck und München aus.

Aus seiner Werkstatt gingen sein Sohn, Hans Bocksberger d. J., und eventuell auch dessen Cousin (?) Melchior Bocksberger hervor. Die beiden Letzteren gewinnen in dieser Untersuchung an Profil: Noch Saurs Allgemeines Künstlerlexikon [1] benennt beide als ein und dieselbe Person!

Der angestrebte Gesamtüberblick über das Schaffen der drei Meister wird durch Werkkataloge sowie einen erstmalig in diesem Umfang vorgelegten Quellenanhang ergänzt. Ein Register fehlt.

Susanne Kaeppele konnte sich nur auf wenige Vorarbeiten stützen - so auf den bereits 1930 veröffentlichten Aufsatz von Max Goering [2] und die Arbeiten von Horst H. Stierhof [3]. Als "wichtige Methode" benennt die Autorin Leonardos Motto "saper vedere"; ihre stilkritische, kennerschaftliche Herangehensweise erläutert sie jedoch nicht eingehender.

Die Ausmalung der Schlosskapelle in Neuburg a. d. D. wählt die Autorin zum Ausgangspunkt ihrer Analyse des Stils Bocksbergers d. Ä. Die Kapelle - die erste, die ausschließlich für den neuen protestantischen Ritus genutzt wurde - wird unter Berücksichtigung der Baugeschichte des Schlosses sowie der Präferenzen und Ziele des Auftraggebers, des Pfalzgrafen Ottheinrich, bei der Ausgestaltung des Programmes vorgestellt. Die Autorin entwickelt keine neue Deutung, sondern folgt weitgehend den Forschungen von Stierhof (1972/1993) und Rudolf Riedinger. [4]

Kaeppele weist insbesondere auf die Einflüsse hin, die von Italien (Kreis der Raffael-Nachfolge, bes. Giulio Romano, Palazzo Te, Mantua) und von der deutschen Druckgrafik (Hans Holbein d. J.) ausgingen. Sie nimmt dabei an, dass die neue Lehre mittels "italienischer, katholischer" Bilder verbreitet worden sei, doch dass deren Stil von den Zeitgenossen als so neu empfunden wurde, dass er fortan als Ausdruck einer neuen Religion gelten konnte (60). Eine These, für die die Autorin keine zeitgenössischen Belege beibringt. Die Fragen nach dem Adressatenkreis und dessen Bildungshorizont oder nach der festen Konstituierung einer protestantischen Bildersprache zu diesem Zeitpunkt werden nicht gestellt.

Zu Recht muss betont werden, dass wir uns auf Grund der schlechten Quellenlage und Bestandsüberlieferung schnell in den Bereich des Spekulativen begeben, doch meines Erachtens verknüpft die Autorin vorschnell Unbewiesenes mit Vermutungen, die in "Gewissheiten" einmünden. Nur ein Beispiel: "Jörg Breu d. Ä. arbeitete wie gesagt auch in Neuburg/Donau, er malte dort vermutlich [!] den Rittersaal 1537/38 aus und ist auch 1541 noch einmal in den Quellen erwähnt. Eine Zusammenarbeit mit Hans Bocksberger d. Ä. liegt nahe, da die beiden etwa gleichaltrig waren [!], wahrscheinlich [!] zusammen einen Teil ihrer Wanderschaft in Italien verbracht haben und in der Schloßkapelle in Neuburg/Donau 1543 ein Wandfeld (Joseph wird aus dem Brunnen gezogen) nach einem Holzschnitt des Augsburger Malers entstanden war." (124) Diese Aspekte zu klären ist uns auf Grund der Quellenlage nicht möglich, deshalb sollten wir sie auch als offene Fragen formulieren.

Ungeachtet der Voraussetzungen, dass die an der Ausmalung der Landshuter Stadtresidenz beteiligten Künstler (unter anderen Bocksberger d. Ä., Herman Posthumus, Ludwig Refinger) angehalten waren, ihren persönlichen Stil einem einheitlichen Gesamteindruck unterzuordnen, dass ihnen nicht einzelne Räume zugewiesen waren und die Wandmalereien im 18. Jahrhundert überarbeitet beziehungsweise übertüncht worden sind (zum Beispiel liegt im Latona-Zimmer ein Substanzverlust von bis zu 85 Prozent (!) vor), strebt die Autorin eine Händescheidung an. Der Argumentation muss in weiten Teilen "unbesehen" gefolgt werden, weil Abbildungen für das Latona-Zimmer und den Italienischen Saal fehlen. Die Bildbeschreibungen warten besonders in diesem Teil mit stetig sich wiederholenden Formulierungen wie "abgebildet", "erkennt man", "sieht man" oder "befindet sich" auf (letzteres allein sechs Mal in einem Absatz (80)).

Als eigene Arbeiten Bocksbergers in Landshut bestimmt Susanne Kaeppele die nördliche Hofloggia (die nach dem Befund zu urteilen (267) kaum mehr existent ist und deren Programm nicht mehr gelesen werden kann), eine Lünette im Ecksaal, das Athena-Arachne-Zimmer, den "1780 flächig überarbeiteten" Italienischen Saal und die Monatsbilder im Apollozimmer. Die Beschreibung des Kapellenganges mit Jagdszenen mündet in einen Exkurs "Landschaftsmalerei" ein, in dem die Autorin die These vertritt, dass diese Gattung die Devotio moderna abgelöst habe, da der "emotionale Bildgebrauch in der persönlichen Andacht" von jener übernommen worden sei! Eine bedeutende Rolle für die Ausmalung spiele wiederum der Palazzo Te mit der Loggia delle Muse.

Trotz bestehender Motivverwandtschaften zwischen dem Holzschnitt "Gastmahl des reichen Prassers" von Jörg Breu d. J. und einer themengleichen Szene an der Nordwand des Rittersaales im Goldegger Schloss ist es meines Erachtens nicht erlaubt, den Augsburger Künstler für die beiden so unterschiedlichen Medien heranzuziehen, zumal sich gravierende Unterschiede im Figurenkonzept, im Bildaufbau beziehungsweise im Verhältnis von Figur und Landschaft offenbaren. Aus den angesprochenen stilistischen Abweichungen folgert die Autorin eine Zusammenarbeit von Breu und Bocksberger im Rittersaal.

Ausgeschieden aus seinem Werk werden Fresken in der Spitalkirche von Bad Aussee (1553/64). Bei der Bewertung ihm zugeschriebener Portraits (König Ferdinand I. und Königin Anna, Salzburg, Museum Carolino Augusteum; Ferdinand I., Schloss Ambras) obwaltet auf Grund fehlender Vergleichswerke größere Vorsicht.

Die Auseinandersetzung mit Melchior Bocksberger (um 1537 - 1585/7) konzentriert sich auf Grund des vollständigen Verlustes seiner Fassadenmalereien auf sein zeichnerisches Werk. Vermutlich zwischen 1558 und 1573 als Hofmaler Albrechts V. tätig, sind für ihn Aufträge für die Ausmalung des Dachauer Schlosses (1563), für die Kirche in Schloss Isareck bei Moosburg (1570) und im Barfüßerkloster in München (1571) archivalisch gesichert.

Schlecht erhalten oder überrestauriert sind seine Regensburger Arbeiten: Der Goliath am Goliathhaus, der Ostflügel des Kreuzganges von St. Emmeran, der Bischofshof und die Neue Waag. Ausführlicher werden aus seinem größeren zeichnerischen Œuvre der Entwurf für das Regensburger Rathaus (1573) sowie ein weiterer großformatiger Rathausentwurf (Historisches Museum Regensburg) besprochen. Einem zwar sicheren, doch eklektischen Stil verpflichtet, formuliert Bocksberger ein für Rathausdekorationen des 16. Jahrhunderts typisches Fassadenprogramm, dessen Gestaltung nicht so sehr mit einer auf die tektonischen Gegebenheiten Bezug nehmenden, sondern eher freien malerischen Lösung aufwartet. Durchaus originell und witzig, frei im Umgang mit grafischen Vorlagen gelingen ihm großzügige Fassadengestaltungen.

Von seinem zu vermutenden malerischen Schaffen, das noch von Goering als umfangreich beschrieben worden war, lässt Kaeppele nur mehr das Gemälde "Elias fährt gen Himmel" (München, Alte Pinakothek) gelten.

Eine schärfere Kontur gewinnt nun erstmalig Hans Bocksberger d. J., der noch von Sandrart überschwänglich gelobt worden war, dann aber dem Vergessen anheim fiel. Goering und Heinrich Geissler haben sich zuletzt mit seiner Person beschäftigt. [5] Sein Geburtsdatum ist nun mit 1539 bestätigt, aber auch seine Indienststellung durch Herzog Albrecht V. 1563 ist - obwohl er selbst in München nicht nachweisbar ist - gesichert.

Von zentraler Bedeutung für sein Schaffen sind seine nicht erhalten gebliebenen (!) Vorzeichnungen für die Bibelillustrationen von Jost Ammann (1564 erschienen). Deshalb überrascht Kaeppeles Bewertung, dass Bocksbergers Eigenanteil innerhalb der künstlerischen Zusammenarbeit mit Ammann auf Grund der engen Vorlagenbindung als "wesentlich geringer" eingeschätzt werden müsse als bei den späteren Livius-Illustrationen. Unklar bleibt für den Leser, wie auf einer solchen Grundlage die Gewichtung zwischen Ammann und Bocksberger genauer bestimmt werden kann.

Bocksbergers Themenspektrum erstreckt sich von Figuren- (Liviusillustrationen, 1568), exotischen Tier- (Neuw Thierbuch, 1569), Architektur- bis hin zu Seeschlachtenzeichnungen. Sein malerisches Werk wurde von Kaeppele auf zwei Gemälde ("Die Vierteilung von Mettius Fufetius", München, A.P.; und der "fast völlig untergegangenen" "Erstürmung eines Kastells", München, Nationalmuseum) reduziert, desgleichen vermochte eine Vielzahl ihm zugeschriebener Zeichnungen nicht mehr zu überzeugen.

Die Annahme einer Beteiligung Bocksbergers an der Ausmalung in Wasserburg am Inn und auf Burg Stredau bei Rottenmann - unter Rückgriff auf die Holzschnitte der Bocksberger-Ammann-Bibel - bestätigte sich nicht. Für die Freskierung des zerstörten Schließledersaals in Wasserburg darf "wahrscheinlich" Wolfgang Wagner in Anspruch genommen werden, wobei die Bewertung nur anhand von Fotografien aus dem 19. Jahrhundert (!) vorgenommen werden konnte. Andere Wandmalereien Bocksbergers sind nicht bekannt.

Grundsätzlich stellt sich angesichts der desolaten Werküberlieferung die Frage, ob die gewählte stilkritische Methode der geeignete Zugriff für die Untersuchung war. So muss eine Vielzahl der Ergebnisse im Ungefähren bleiben: Reich ist das Buch an Formulierungen wie "ganz bestimmt", "gewiss", "scheint sehr ähnlich", "erinnert", "wahrscheinlich" oder "vielleicht". Auch die teilweise unscharf reproduzierten Abbildungen geben dem Leser keine große Hilfestellung.


Anmerkungen:

[1] Saurs Allgemeines Künstlerlexikon 1996, Bd. 12, 52f.

[2] Max Goering: Die Malerfamilie Bocksberger, in: MJBK N.F. VII, 1930, 185 - 280.

[3] Horst H. Stierhof: Wand- und Deckenmalereien des Neuburger Schlosses im 16. Jahrhundert, Diss. München 1972, in: Neuburger Kollektaneenblatt 125, 1972, 5 - 72; Ders.: Die bildenden Künste am Münchner Fürstenhof. Ausst.-Kat. München 1982, Wiesbaden 1982, 39 - 49; Ders.: 'das biblisch gemäl': Die Kapelle im Ottheinrichsbau des Schlosses Neuburg an der Donau", Neuburg a. d. D. 1993.

[4] Rudolf Riedinger: Der typologische Gehalt der Fresken in der Schloßkapelle zu Neuburg an der Donau (1543), in: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 38, 1975, 900 - 944.

[5] Goering und Heinrich Geissler: Zeichnung in Deutschland. Deutsche Zeichner 1540 - 1640, 2 Bde., Stuttgart 1979/80.

Ulrike Wolff-Thomsen