Wolfgang Wallenta: Katholische Konfessionalisierung in Augsburg 1548-1648 (= Studien zur Geschichtsforschung der Neuzeit; Bd. 28), Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2003, 352 S., ISBN 978-3-8300-0854-5, EUR 98,00
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Der zu rezensierende Band wurde 2001 in Augsburg als Dissertation eingereicht und mit dem bistumsgeschichtlichen Förderpreis 2002 der Diözese Augsburg ausgezeichnet. Wolfgang Wallenta weist in seiner knapp gehaltenen Einleitung darauf hin, dass die katholische Konfessionalisierung in der Reichsstadt Augsburg bisher nur als Appendix zur Bikonfessionalität der Stadt behandelt worden sei, und beabsichtigt, mit seiner Arbeit die angesprochene Forschungslücke zu schließen. Er begibt sich damit auf hochkarätig besetztes Terrain. [1] Herausgearbeitet werden sollen, laut Wallenta, jene "Strukturen und Mechanismen des Konfessionalisierungsprozesses [...], die zur Herstellung einer konfessionellen Homogenität innerhalb des katholischen Bevölkerungsteils führten" (15). Zugleich zweifelt Wallenta aber an, ob das Konfessionalisierungsparadigma beim gegenwärtigen Forschungsstand überhaupt ein geeignetes Instrument zur Untersuchung eines gemischtkonfessionellen Territoriums sei, eine Frage, die an diesem Punkt vielleicht nicht nur eines Hinweises, sondern einer Klärung bedurft hätte.
Die Arbeit gliedert sich in zwei große Abschnitte, wobei im ersten "Chronologie und Phasen des Konfessionalisierungsprozesses 1548 bis 1648", im zweiten "Formen der Konfessionalisierung" behandelt werden. Wallenta geht es nach einer Einführung in die Entwicklung von Stadt und Kirche in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts vor allem um eine Herausarbeitung der Verdichtungsphasen katholischer Konfessionalisierung. Im Kapitel zu den Anfängen der katholischen Konfessionalisierung zwischen Interim und Religionsfrieden werden die ersten Versuche rigider Rekatholisierung durch den Kaiser, den Bischof und die katholischen Mitglieder des Stadtrates behandelt, die aber im Zuge der allgemeinen Entwicklung im Reich scheiterten und den Rat zu einem Ausgleichskurs zwangen. Für die nächste Phase vom Religionsfrieden 1555 bis zum Kalenderstreit von 1583/84 sieht Wallenta beim Rat zwar Sympathien für die katholische Sache, auf städtisch-politischer Ebene habe aber eine Politik der gegenseitigen Duldung geherrscht. Diese ließ sich im Alltagsleben nur schwer aufrechterhalten und führte zur fortschreitenden, von ständigen Konflikten begleiteten Abgrenzung der Konfessionen. Das letzte Kapitel dieses Abschnitts setzt sich mit dem Geschehen zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs auseinander, das für Augsburg im Zeichen von Rekatholisierung und mehrfachem Elitenwechsel stand und erst mit der Einführung der Parität wieder ruhiges Fahrwasser erreichte.
Dieser Abschnitt ist im Grunde eine Darstellung der allgemeinen Stadtgeschichte unter konfessionellen Aspekten und beschäftigt sich weniger mit der katholischen Konfessionalisierung im Speziellen. Die langen Zitate hätten sicherlich durch Zusammenfassungen ersetzt werden können. Zudem weist die Darstellung an einigen Stellen Widersprüche auf: Symptomatisch ist zum Beispiel Wallentas Erstaunen darüber, wie widerstandslos die protestantische Mehrheit der Bevölkerung während des Dreißigjährigen Kriegs die massiven Eingriffe in ihre Rechte ertragen habe (129). Einige Seiten weiter (137) erwähnt er jedoch im Widerspruch dazu Formen passiven Widerstands auf protestantischer Seite. Auch wird das Geschehen jenseits der Augsburger Stadtmauern nur bedingt in die Analyse einbezogen. Es soll hier keiner zwanghaften Komparatistik das Wort geredet werden, aber die Forschung zu anderen Städten und Territorien wenigstens als Hintergrundfolie für die eigenen Überlegungen zu benutzen, hätte ausgereicht, um allgemeine Phänomene und Augsburger Besonderheiten besser herauszuarbeiten.
Der zweite Abschnitt zu den Formen der katholischen Konfessionalisierung orientiert sich an den von Wolfgang Reinhard in mehreren Aufsätzen entwickelten Methoden der Konfessionalisierung, die Wallenta unter Berücksichtigung der Augsburger Spezifika - für die er stellvertretend die Zusammenarbeit der Fugger mit den Jesuiten anführt (163) - abhandelt. Politische Implikationen der Konfessionalisierung bleiben unberücksichtigt, da der Autor sie wegen der politischen Neutralität des Rates für kaum greifbar hält. Auf den folgenden 140 Seiten werden dann die Methoden der Konfessionalisierung nach Reinhard abgearbeitet, beginnend mit der Gewinnung klarer Glaubensbekenntnisse und konkreter religiöser Zielsetzungen: In diesem ersten Kapitel wird die Diözesansynode von 1567 sowie die Durchführung des Tridentinums im Hochstift Augsburg beschrieben. Es fehlt an der Rückbindung zur Stadt Augsburg, und aus den Befunden werden nur selten allgemeine Schlussfolgerungen gezogen.
Das folgende Kapitel zu den Jesuiten ist mit knapp 40 Seiten das umfangreichste dieses Abschnitts, in dem jedoch methodische und interpretatorische Defizite insbesondere im Hinblick auf die Rolle der Religion in der Frühen Neuzeit sichtbar werden: Das wichtige Phänomen des Exorzismus wird als bizarr abgetan (193), und durchaus spannende Befunde - wie beispielsweise zu den Grenzen des konfessionellen Rigorismus der Fugger, wenn deren wirtschaftliche Interessen durch konfessionell gebundenes Handeln bedroht waren (192) - werden in den Fußnoten versteckt oder ohne Bewertung gelassen. Stattdessen beschäftigt sich Wallenta mit der Augsburger Ausprägung jener Aspekte, die üblicherweise in Untersuchungen zum Wirken der Jesuiten angesprochen werden - Predigt, Seelsorge, Bildung und Theater - und kommt zu dem wenig überraschenden Ergebnis, dass die katholische Konfessionalisierung in Augsburg ohne die Jesuiten anders und weniger erfolgreich verlaufen wäre.
Es folgen kurze Kapitel zu den anderen Reformorden und zur Rolle der Bischöfe, zu Heiligen- und Reliquienverehrung, zu Prozessionen und Wallfahrten, Bruderschaften, Visitationen, konfessionsspezifischer Namensgebung, zu Bautätigkeit, Kunst und Repräsentation sowie Buchdruck, die nicht wesentlich über die beschreibende, nur lokalgeschichtlich relevante Ebene hinaus gelangen. Deutlich werden die Defizite der Arbeit auch im letzten Unterkapitel zur Einflussnahme der katholischen Nachbarterritorien, in dem sich der Autor auf drei Seiten nur mit der Kontrolle katholischer, in Augsburg lebender Untertanen aus den Nachbarterritorien durch Beichtzettel und Religionsagenten auseinander setzt.
Das Buch mündet in eine dreiseitige Schlussbetrachtung. Als Ergebnis hält Wallenta fest, dass der Begriff "Konfessionsbildung" vollkommen ausreichend ist, wenn man sich in einer Untersuchung auf die "kirchliche Binnenkonfessionalisierung" beschränkt - und dass "sich die katholische Kirche um 1600 im Vergleich zur spätmittelalterlichen, vorreformatorischen Kirche in deutlich verändertem Gewand präsentierte und mit dieser nur bedingt verglichen werden kann" (305). Dies als Schlusssatz unter eine 2001 verfasste Dissertation zu setzen, ist angesichts der differenzierten Forschungslage zum Konzept der Konfessionalisierung wenig befriedigend. Man fragt sich, wieso Wallenta seine Arbeit überhaupt mit dem Begriff der Konfessionalisierung überschrieben hat.
Anmerkung:
[1] Von den zahlreichen Untersuchungen zu Augsburg sollen wenigstens erwähnt werden: Etienne François: Die unsichtbare Grenze. Protestanten und Katholiken in Augsburg 1648-1806, Sigmaringen 1991; Bernd Roeck: Eine Stadt in Krieg und Frieden. Studien zur Geschichte der Reichsstadt Augsburg zwischen Kalenderstreit und Parität, 2 Bde., Göttingen 1987/89; Paul Warmbrunn: Zwei Konfessionen in einer Stadt. Das Zusammenleben von Katholiken und Protestanten in den paritätischen Reichsstädten Augsburg, Biberach, Ravensburg und Dinkelsbühl von 1548-1648, Wiesbaden 1983. Für die wesentliche Literatur zur Konfessionalisierung sei hier nur auf den Band von Stefan Ehrenpreis und Ute Lotz-Heumann: Reformation und konfessionelles Zeitalter, Darmstadt 2002, verwiesen, wo auch die einschlägigen Aufsätze Wolfgang Reinhards zu den Methoden der Konfessionalisierung genannt werden.
Anna Ohlidal