Matthew Leigh: Comedy and the Rise of Rome, Oxford: Oxford University Press 2004, XI + 241 S., ISBN 978-0-19-926676-0, GBP 53,00
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Bereits in seiner ersten Monografie "Lucan: Spectacle and Engagement" (Oxford 1997) hat sich Matthew Leigh mit den Wechselbeziehungen zwischen Literatur, Gesellschaft und Politik auseinander gesetzt. Mit einer entsprechenden Fragestellung wendet er sich in seinem neuen Buch der römisch-republikanischen fabula palliata zu. Dem Einleitungskapitel zufolge, in dem er die Voraussetzungen, Probleme und methodischen Grundlagen seines Vorgehens erläutert, möchte Leigh - im Unterschied zu analytischen oder metatheatralischen Ansätzen - die Komödien von Plautus und Terenz nicht (nur) als literarische Kunstwerke betrachten, sondern "different questions" an die Texte stellen (2), indem er "the comedies of Plautus and Terence in the light of Roman history and Roman history in the light of Plautus and Terence" untersucht, wobei er die beiden Aspekte in ständigem Dialog halten wolle (1).
Von früheren Versuchen der historischen Interpretation, einzelne Stellen in den Komödien im Hinblick auf konkrete historische Ereignisse zu deuten, distanziert sich Leigh (22): "The interaction of comedy and history characteristic of this study is rather different. True, there are many instances where a point of intersection between the events portrayed on the comic stage and those excavated from other ancient sources for the period may suggest a form of topicality. Yet such intersections are only the starting point for the investigation of various discursive categories: the ethical construction of military trickery; the Roman prisoner of war; the conflict between agrarian and mercantile economies; the exercise of imperium and the habit of command." Diese vier Themenkomplexe spiegeln die nach Leigh maßgeblichen Charakteristika der Zeit des Plautus und Terenz wider: "the fundamentally military culture of Rome and the economic and social transformation of the city consequent on the acquisition of empire" (1).
Die genannten Themenkomplexe bilden die Grundlage der vier, weitgehend selbstständigen Einzeluntersuchungen des Buchs, in denen die 'anderen' Fragestellungen im Wesentlichen unter Fokussierung auf eine Komödie und / oder ein strukturelles Komödienelement diskutiert werden. So folgen auf die "Introduction" (1-23) als Kapitel 2-5: "Plautus and Hannibal" (24-56), "The Captivi and the Paradoxes of Postliminium" (57-97), "City, Land, and Sea: New Comedy and the Discourse of Economies" (98-157), "Fatherhood and the Habit of Command: L. Aemilius Paullus and the Adelphoe" (158-191). Das Buch wird abgeschlossen durch eine Bibliografie (192-202) und Indices (203-241).
Im zweiten Kapitel geht Leigh davon aus, dass Plautus alle Komödien in und unmittelbar nach dem Zweiten Punischen Krieg geschrieben habe und sie folglich unter dem Einfluss der Auseinandersetzung mit den Karthagern und Hannibal stünden. Von der historischen Situation sei Plautus' Ausgestaltung der Rolle des servus callidus bedingt, da man nach den militärischen Erfahrungen trickreiches Handeln als typisch für die Karthager angesehen habe, wie sich besonders im Poenulus zeige.
Im dritten Kapitel wird am Beispiel von Plautus' Captivi, in denen die Thematik von Versklavung und Kriegsgefangenschaft vorgeführt werde, erörtert, wie die Entscheidung des Senats im Punischen Krieg, das Postliminium-Gesetz nicht auf römische Kriegsgefangene anzuwenden, auf der Komödienbühne durch ein Gegenbild im privaten Bereich reflektiert werde.
Das vierte Kapitel behandelt die in der antiken Literatur vielfach thematisierten Spannungen zwischen dem Arbeiten auf dem Land einerseits und dem städtischen Leben und kaufmännischer Tätigkeit andererseits. Auch wenn die Komödien im privaten Bereich spielten, würden solche im römischen kulturellen Kontext der Zeit aktuellen Konflikte angesprochen und symbolisiert durch die Orte, zu denen die Parodoi stereotyp führten, und die Personengruppen, die jeweils bestimmte Zugänge benutzten. Deutlich werde diese Problematik in Plautus' Mercator.
Im fünften Kapitel geht es um Terenz' Adelphoe im Hinblick auf die Aufführung an den Leichenspielen des L. Aemilius Paullus. Anders als frühere (wenig einflussreiche) Versuche einer historischen Interpretation (durch die Identifikation des Paullus mit einer Vater-Figur) sieht Leigh Elemente von Paullus' Charakter in beiden Vater-Figuren der Komödie. Anhand einer Analogie zwischen 'Vater' und Feldherr vermutet er außerdem in der Erziehungsthematik der Komödie einen Reflex von Paullus' Verhalten gegenüber den Soldaten.
Leighs Absicht, Elemente der fabula palliata nicht nur literarisch, sondern in Relation zur historischen Situation zu deuten, korrespondiert mit neueren Ansätzen, wie sie bei anderen Gattungen wie Geschichtsschreibung, Tragödie oder Praetexta versucht wurden. Die Komödie hat man wegen ihrer unpolitischen, familiären Situierung und ihrer Verortung im griechischen Umfeld unter diesem Aspekt noch nicht in gleicher Weise in den Blick genommen. Insofern ist es - unabhängig von den Ergebnissen im Einzelnen - ein begrüßenswerter Fortschritt, wenn Leigh Themen und Motive der fabula palliata 'im Dialog' mit der historischen Situation in Rom untersucht (wobei allerdings seine Abgrenzung gegenüber der Interpretation von Einzelbezügen in ihrer Schärfe nicht nachvollziehbar ist), zumal es sich um die für die literarische und historisch-politische Entwicklung Roms formative Periode der mittleren Republik handelt.
Daher ist es bedauerlich, dass Leigh noch nicht in jeder Hinsicht zu so überzeugenden und weiterführenden Ergebnissen gekommen ist, wie sein Ansatz sie erhoffen ließe. Im Hinblick auf dessen mögliches Potenzial müssen die Konzentration auf die fabula palliata und die Engführung der Fragestellung jeweils auf einzelne Aspekte und Stücke unbefriedigend erscheinen, weil auch ein über die Einzeluntersuchungen hinausgehendes Resümee fehlt. Man vermisst auch eine intensivere Berücksichtigung der neueren historischen Forschung zur Abfassungszeit der Komödien und von Untersuchungen zur politischen und sozialen Rolle des Theaters in dieser Phase.
Leighs Intention ist nachzuweisen, inwiefern Komödien durch ihre Thematik oder ihr Personal "the stamp of the historical moment of composition" tragen (24). Sicherlich enthalten die analysierten Komödien Reflexionen über Probleme, die (auch) in Rom aktuell gewesen sein dürften. Es ist allerdings zu überlegen, ob diese inhaltliche Relevanz nicht schon durch die im Stoff liegende Thematik oder den Aufführungskontext gegeben ist und inwiefern sie darüber hinaus durch Details des historischen Umfelds an den Stücken im Einzelnen nachweisbar ist. Gleichzeitig gerät bei einer ausschließlich auf historische Reflexe gerichteten Interpretation die Komplexität der fabula palliata in den Hintergrund. So wäre etwa zu fragen, ob bei einem für die Anlage der römischen Komödie konstitutiven Element wie dem servus callidus nicht weiterhin ebenso literarische und performative Gründe zu berücksichtigen sind (zumal der Sklave auch im Poenulus kein Punier ist).
Ein Grundproblem von Leighs historischer Betrachtungsweise besteht darin, dass zeitgenössische Stimmungen und Themen in Rom aus unterschiedlich kontextualisierten und mit entsprechender Vorsicht zu behandelnden Quellen rekonstruiert werden (98). Ferner betreffen die so gewonnenen Bezugspunkte verschiedene Dimensionen: Die militärische Konfrontation mit Karthago ist deutlicher in ihrer unmittelbaren Brisanz für das Publikum von Bedeutung als eine (indirekte) Aussage zum Verhältnis eines Feldherrn zu seinen Soldaten; die Kontrastierung von Land und Stadt ist als generellere Fragestellung nicht leicht als zeittypische Thematik für die römische Komödie zu erweisen.
Im Einzelnen bietet Leigh eine Fülle von Informationen und Quellenmaterial, teilweise mit ausführlichen Textzitaten und englischer Übersetzung, und diskutiert spezielle Fragen, die zum Verständnis dieser Texte oder für den allgemeinen literarischen oder historischen Kontext wichtig sind. Auch wenn der Leser so viel Wissenswertes erfährt, verliert sich die Darstellung dadurch manchmal im Detail. Das Argumentationsziel bleibt jedoch jeweils klar, weil die einzelnen Unterkapitel meist durch zusammenfassende Abschnitte abgeschlossen werden. Überhaupt findet sich eine große Zahl gliedernder, programmatischer und rekapitulierender Bemerkungen, die allerdings durch ihre gelegentliche Redundanz die Lektüre auch erschweren.
Diese Bemerkungen entspringen dem Wunsch, dass der von Matthew Leigh verdienstvoll eingeschlagene Weg, die fabula palliata in das politische und kulturelle Umfeld ihrer Zeit einzuordnen, zu einem umfassenderen und abgesicherteren Ergebnis führen möge. In der begonnenen Interdisziplinarität sollten die von ihm mit einzelnen Fallstudien gegebenen Anregungen und aufgezeigten Fragestellungen aufgenommen und weiterentwickelt werden.
Gesine Manuwald