Rezension über:

Stefan Grohé: Stillleben. Meisterwerke der holländischen Malerei, München: Prestel 2004, 144 S., 90 Farb-, 10 s/w-Abb., ISBN 978-3-7913-3236-9, EUR 39,95
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Rezension von:
Claus Grimm
Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg
Redaktionelle Betreuung:
Dagmar Hirschfelder
Empfohlene Zitierweise:
Claus Grimm: Rezension von: Stefan Grohé: Stillleben. Meisterwerke der holländischen Malerei, München: Prestel 2004, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 7/8 [15.07.2005], URL: https://www.sehepunkte.de
/2005/07/5042.html


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Stefan Grohé: Stillleben

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Der Band gehört zur Gattung des gepflegten "Coffee-table-book", das sich an einen weiten Kreis von Kunstbegeisterten wendet. Er erschließt sich leicht beim Durchblättern, da fast alle rechten Seiten mit ganzseitigen Abbildungen belegt sind. Ein einführender Übersichtstext von 12 Seiten, betitelt "Die Natur der Dinge", geht dem Abbildungsteil voraus, der in drei Abschnitte gegliedert ist: "Sammeln. Vielfalt und Schönheit der Natur", "Speisen. Augenschmaus und Sinnenfreude" und "Schauen. Die Faszination der Oberfläche". Den Abbildungen sind jeweils ein bis zwei Spalten Textkommentar gegenübergestellt. Der Anhang besteht aus einer Liste mit den Bildtiteln und -daten und einer Seite mit bibliografischen Hinweisen.

Die Texte sind ein lockerer Mix aus fantasievoller Betrachtung, historischen Ausführungen und spontanen ästhetischen Überlegungen und kommen ohne Anmerkungen aus: "Ganz diesseitig erleben wir die Dinge allein in ihrer Erscheinungswirklichkeit" heißt es etwa auf Seite 124. Offensichtlich wird kein Unterschied zwischen der historischen Bedeutungswahrnehmung und dem Sehen moderner Betrachter gemacht: "Wo ein Floris van Dijck am Anfang des Jahrhunderts seine Aufgabe noch darin sah, dem Betrachter mehrere Ansichten eines Gegenstandes zugleich (?) zu zeigen und als Maler eine offensichtliche Ordnung im vermeintlichen Durcheinander der Dinge zu stiften, überlässt Kalf dies nun beinahe vollständig dem Betrachter. Auf der Grundlage einer meisterhaften Beherrschung von Farbe und Pinsel beschränkt er sich auf Andeutungen, die wir mit unserer Vorstellungskraft füllen müssen". Neben solchen leicht hingeschriebenen Sätzen wird in manchen Texten auch eine detaillierte Information zum Maler, zu Bildthemen und -motiven angeboten. Dort vermisst man jedoch die weiterführenden Belege. Auch hätte eine Ordnung nach historischen Kategorien, nach Landschaften, Schulen und Meistern, nach einer Chronologie von Themen oder nach Bildgattungen dem Verständnis des vorgestellten Bildmaterials gedient.

Die Qualität des Bandes liegt in den vielen gut gedruckten Reproduktionen. Leider orientiert sich die Auswahl der vorgestellten Bilder allzu eng an derjenigen vorangegangener Bücher, sodass mit wenigen Ausnahmen nur gezeigt wird, was bereits in farbiger Großabbildung und im Detail bekannt ist. Schade ist auch, dass kein einziges bisher unbekanntes Werk vorgestellt wird, beziehungsweise, dass von den in den letzten 20 Jahren neu aufgetauchten Gemälden - auch aus den Beständen wenig bekannter öffentlicher und privater Sammlungen - keine Notiz genommen wurde. Immerhin wären hier einige bedeutende Nachträge zur bisherigen Literatur möglich gewesen.

Die Präzision und Farbbalance einer ganzen Reihe von Abbildungen ist jedoch bestechend und setzt einen Standard, der für andere Publikationen zum Vorbild dienen kann, und der auch innerhalb des vorgelegten Buches sofort Schwächen der Bilderhaltung (Kalf, 115; Gijsbrechts, 133, 136-137), der geringeren Ausführungsqualität (Claesz., 85-87), der unscharfen Fotografie (Ruysch, 69; Kalf, 125,126) und des durch Aufnahme oder Druck erzeugten roten Farbstichs (Memling, 8) hervortreten lässt. In diesem Zusammenhang fällt auch die Aufnahme von Gemälden auf, die unter einem braunen Firnis verdeckt und entsprechend farbverzerrt erscheinen (van der Ast, 27; Heda, 100-101).

In der Summe: ein Band mit einer Reihe von vorzüglichen Reproduktionen, die die Oberflächen der Originalbilder nahe ans Auge holen und auf das anschauende Erlebnis im Museum gespannt machen. Künftigen Publikationen dieser Darstellungsqualität ist zu wünschen, dass sie in den Dienst weiterführender historischer Befunde gestellt werden können.

Claus Grimm