Hiltrud Kier / Marianne Gechter (Hgg.): Frauenklöster im Rheinland und in Westfalen, Regensburg: Schnell & Steiner 2004, 223 S., ISBN 978-3-7954-1676-8, EUR 14,90
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Das erste Halbjahr 2005 stand an Rhein und Ruhr ganz im Zeichen der Kulturgeschichte mittelalterlicher Frauenklöster. Visuelle und geistige Höhepunkte bildeten die hervorragend konzipierte Ausstellung 'Krone und Schleier' in der Kunst- und Ausstellungshalle in Bonn und im Ruhrlandmuseum Essen nebst Ausstellungskatalog sowie eine Internationale Tagung zu diesem Thema (Krone und Schleier. Kunst aus mittelalterlichen Frauenklöstern, Ausst. Ruhrlandmuseum Essen / Kunst- und Ausstellungshalle Bonn 2005). In den Ausstellungen wurden der Öffentlichkeit erstmals Alltag und Bildkultur mittelalterlicher Klöster und Stifte in wichtigen Regionen des Heiligen Römischen Reiches anhand einer Fülle von Ausstattungsstücken näher gebracht, die heute über museale Sammlungen der ganzen Welt verstreut sind. Der vorliegende Band "Frauenklöster im Rheinland und in Westfalen", der sich als Begleitpublikation zu den Ausstellungen versteht (7), ermöglicht es, die Werke der Ausstattung mit den architektonischen Relikten ins Verhältnis zu setzen und regt in diesem Sinne zum Besuch von Frauenklöstern und Frauenstiften in der näheren Umgebung an.
Das Konzept des Klosterführers entwickelten die Kunsthistorikerinnen Hiltrud Kier und Marianne Gechter, die diesen in Zusammenarbeit mit einer Gruppe junger Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker erstellten. "Frauenklöster in Rheinland und Westfalen" steht damit auch für das fruchtbare und für alle Seiten Gewinn bringende Zusammenwirken von Forschung, Lehre und beruflicher Praxis, sind doch einige der Mitwirkenden zum Zeitpunkt der Entstehung des Bandes Studierende des Kunsthistorischen Instituts an der Universität Bonn gewesen.
Den Auftakt des Führers bildet eine kulturgeschichtliche Einführung der Herausgeberinnen in das Thema, ergänzt um eine kurze systematische Literaturliste. Das erste Kapitel hebt die Vielfalt religiöser Frauengemeinschaften sowie ihre Entwicklung hervor, von den Kanonissenstiften und Doppelklöstern bis zu den Ordensneugründungen, und erörtert das Verhältnis der Orden und männlichen Religionsgemeinschaften zu den weiblichen Kommunitäten. Das nachfolgende Kapitel ist den spirituellen und religiösen Idealen und Aufgaben gewidmet und diskutiert die Frage der sozialen Zusammensetzung der Konvente in Mittelalter und Früher Neuzeit. Sodann werden in aller Kürze die wirtschaftlichen Grundlagen und der administrative Aufbau der Gemeinschaften beleuchtet und zugleich auf die verschiedenen rechtlichen Grundlagen der Klöster und Stifte aufmerksam gemacht. Die Herausgeberinnen betonen, dass weibliche Kommunitäten nicht nur Aufgaben der Familienmemoria übernahmen oder karitative Leistungen anboten, sondern vor allem im Mittelalter als Orte der Wissensvermehrung und Wissensvermittlung den Vergleich mit männlichen Gemeinschaften ohne Abstriche standhielten. Ein weiteres Kapitel widmet sich einigen herausragenden Persönlichkeiten, Stifterinnen, Äbtissinnen und Konventsmitglieder. Zum Abschluss ihrer Einführung gehen Marianne Gechter und Hiltrud Kier auf Besonderheiten der architektonischen und künstlerischen Ausstattung ein, die Reichtum und Selbstverständnis der Konvente und ihrer Mitglieder spiegeln und als wichtige Quelle für das alltägliche Leben in den Klöstern dienen. Die Autorinnen verweisen dabei auf die Vielfalt der erhaltenen Klosteranlagen und heben die Rolle der Stiftsdamen und Nonnen als Künstlerinnen besonders in der Buch- und Textilproduktion hervor. Davon zeugen auch die nachfolgenden etwa ein- bis dreiseitigen Kurzvorstellungen der insgesamt 83 Klöster und Stifte im Rheinland und in Westfalen, von denen bauliche Strukturen und Teile der künstlerischen Ausstattung erhalten sind. Jeder Autor behandelte fünf und mehr Frauenkonvente, wobei nicht nur mittelalterliche Klöster und Stifte, sondern auch katholische Reformbewegungen des 16. und 17. Jahrhunderts berücksichtigt werden. Nur wenige Gründungen des 19. und 20. Jahrhunderts wurden aufgenommen, was die Herausgeberinnen zutreffend mit der schlechten Forschungslage begründen (12).
Natürlich kann auf 25 Seiten Text keine umfassende Betrachtung der schillernden Vielfalt religiöser Frauengemeinschaften erfolgen. Umso erfreulicher ist es, dass es den Herausgeberinnen gelingt, einerseits grundlegende Beobachtungen an die nachfolgend im Katalog vorgestellten Klöster zurückzubinden und andererseits den Leser für offene Fragen und Probleme der historischen und kunsthistorischen Forschung zu sensibilisieren. So ist immer noch nicht hinreichend und befriedigend die liturgische Funktion einzelner Bauteile, wie beispielsweise der Westwerke, geklärt. Auch die Frage, wo sich der Chor der Stiftsdamen und Nonnen befand, muss stets am Einzelfall überprüft werden. Auch fordern die Autorinnen eine differenzierte Betrachtungsweise der spätmittelalterlichen Klosterreform ein, die eben nicht allein in einem durch männliche Reformatoren immer wieder beklagten Disziplinverlust in Frauenklöstern begründet liegt.
Im Vordergrund der Kurzvorstellungen im Hauptteil des Klosterführers stehen die Geschichte der insgesamt 83 Konvente sowie die Beschreibung von Architektur und Ausstattung. Hinzu kommen Angaben zur Ordens- oder Kongregationszugehörigkeit, zuweilen auch zur besonderen Bedeutung einzelner Kommunitäten oder zur Sakrallandschaft der näheren Umgebung. Den Schluss bilden weiterführende Literaturangaben. Alle Einträge werden ergänzt durch farbige Abbildungen der erhaltenen Bauten und besonderer Ausstattungsstücke. Die Kurzvorstellungen der Klöster sind zu dreizehn Routen zusammengefasst, die jeweils ergänzt durch eine Straßenkarte und Informationen, wie Öffnungszeiten und Kontaktadressen, den Leser dazu einladen, sich selbst auf Spurensuche zu begeben und die Relikte der reichen Kultur weiblicher Religionsgemeinschaften zu entdecken. Zu berücksichtigen ist, dass sich die Routen nebst Karten an den Autofahrer wenden.
Das Problem der Fachtermini und spezifischer, die religiösen Gemeinschaften im Allgemeinen, Frauenstifte und Frauenklöster im Besonderen betreffenden Begriffe wird durch ein Glossar am Ende des Buches sowie durch Stichwortkästen, die über die Katalogeinträge verteilt sind, aufgefangen. Diese grün hinterlegten Kästen bieten die Möglichkeit, auf einzelne, bedeutende Ausstattungsstücke gesondert einzugehen, herausragende Persönlichkeiten vorzustellen, allgemeine sowie mit dem jeweiligen Kloster oder Stift verbundene frömmigkeitsgeschichtliche (wie Memoria und lokale Wallfahrten), wirtschaftshistorische (Weinbau) und institutionsspezifische Aspekte (Beginen, Benediktinerinnen, Inkorporation) zu erörtern. Auf alle Stichwörter kann auch über ein, dem Katalog nachgeordnetes Verzeichnis zugegriffen werden.
Der Führer zu den Frauenklöstern lehnt sich in seiner Systematik und auch in der grafischen Gestaltung an den 2003 erschienenen Rheinischen Klosterführer an. [1] Auch wenn darin bereits einige Frauenklöster und Stifte aufgenommen sind, so bietet der vorliegende Band erstmals einen umfassenden Blick auf die Überlieferung religiöser Frauengemeinschaften nicht nur im Rheinland. Dabei ist bekanntes, aber auch viel unbekanntes Material zu Tage gefördert worden, das nicht nur zur Besichtigung, sondern hoffentlich auch zu weiterführender Beschäftigung anregt.
Anmerkung:
[1] Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz (Hg.): Klosterführer Rheinland, Köln 2003.
Kristin Böse