Rezension über:

Florian Weiland-Pollerberg: Amor und Psyche in der Renaissance. Medienspezifisches Erzählen im Bild (= Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte; Bd. 20), Petersberg: Michael Imhof Verlag 2004, 144 S., 3 Farb-, 119 s/w-Abb., ISBN 978-3-937251-16-5, EUR 49,90
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Rezension von:
Anna Schreurs-Morét
Kunstgeschichtliches Institut, Goethe-Universität, Frankfurt/M.
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Anna Schreurs-Morét: Rezension von: Florian Weiland-Pollerberg: Amor und Psyche in der Renaissance. Medienspezifisches Erzählen im Bild, Petersberg: Michael Imhof Verlag 2004, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 11 [15.11.2005], URL: https://www.sehepunkte.de
/2005/11/7217.html


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Florian Weiland-Pollerberg: Amor und Psyche in der Renaissance

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Versucht man, das Thema des vorliegenden Buches kurz zu skizzieren, gerät man leicht in Versuchung, einen neuen Untertitel zu suchen. Ziel der Publikation ist es aufzuzeigen, wie ein populäres, der antiken Literatur entnommenes Thema der Bildkünste im 16. Jahrhundert auf verschiedenen Bildträgern (Cassoni, Freskenzyklen, Druckgrafik), abhängig von Funktion, Auftraggeber und Rezipientenkreis unterschiedlich dargestellt wird, was die Auswahl der Szenen und die Schwerpunktlegung angeht. Hierfür den Terminus "medienspezifisches Erzählen" zu wählen, erscheint problematisch, ist es doch nicht eigentlich das Medium, sondern vielmehr die Funktion - wie der Autor selbst immer wieder hervorhebt - welche die Darstellungsweise bestimmt. So verwirrt der neue Begriff, der hier nicht auf unterschiedliche Medien wie Text und Bild (wie man es gerade bei der Umsetzung eines antiken Stoffes in der Renaissance erwarten würde), bezogen wird, mehr, als er Klarheit und Präzision in der Auseinandersetzung schafft, dies vor allem vor dem Hintergrund eines immer inflationärer gebrauchten (und damit immer unschärfer werdenden) Medienbegriffs. Ist das, was der Autor als medienspezifisches Erzählen bezeichnet, nicht in Wirklichkeit ein funktions- bzw. publikumsspezifisches Erzählen?

In insgesamt sechs Kapiteln bearbeitet der Autor die spezifischen Schwerpunktsetzungen bei der künstlerischen Umsetzung des antiken Stoffes: Der antike Mythos von Amor und Psyche, überliefert in den Metamorphosen des Lucius Apuleius, der Neuzeit gleichfalls übermittelt durch allegorisierende Kurzfassungen von Fabius Claudius Fulgentius und Giovanni Boccaccio, wird seit der Mitte des 15. Jahrhunderts zum Thema zahlreicher Kunstwerke. Der Autor geht von der Grundthese aus, dass der "bekannte Stoff [...] vorrangig in Abhängigkeit von den strukturellen Gegebenheiten des jeweiligen Mediums unterschiedlich moduliert wird" (5). In drei großen Kapiteln, denen zwei grundlegende Kapitel über die Begrifflichkeit und die Methode der Arbeit (Medium, Dispositiv und Rezipientenstruktur, Kap. 2) und die Fabula des Apuleius (Kap. 2) vorangestellt sind, untersucht er die spezifische Umsetzung des Sujets in der Cassone-Malerei (Kap. 3), in Freskenzyklen (Kap. 4) und in der Druckgrafik (Kap. 5). Den Abschluss der Arbeit bildet eine Zusammenfassung, in der die These eines medienspezifischen Erzählens in der Renaissance auf der Grundlage der analysierten Kunstwerke noch einmal stark gemacht wird. Den Anhang bildet zum einen eine kurze, das Kapitel über die Cassoni ergänzende Auseinandersetzung über die verschiedenen Variationen des Themas bei Jacopo del Sellaio und seiner Werkstatt, zum anderen der Versuch einer Rekonstruktion des vollständigen Bildprogramms der Psyche-Loggia in der Farnesina. Zudem ist - ebenfalls als eine Art Anhang - die Kupferstichserie "Favola di Psiche" (um 1532), die Antonio Salamanca verlegte und deren Entwürfe der Autor Raffael zuschreibt, komplett abgedruckt.

Im ersten Kapitel thematisiert der Autor die Unschärfe des Medium-Begriffes und skizziert kurz die verschiedenen Verwendungsformen und Theorien, die darauf abheben. Hierbei kristallisieren sich für ihn zwei Fragestellung heraus: Inwiefern bestimmt das Bildformat (eine Determinante, die durch das "Medium" vorgegeben ist) die Gestaltung des Künstlers (8)? Welche Rollen spielen der "Gebrauchskontext", der Betrachterbezug und der Auftraggeber für die Gestaltung des Themas in den unterschiedlichen "Medien" Cassoni, Freskenzyklen, Druckgrafik (9)? Hier wird sein Ansatz insofern deutlich, als es ihm nämlich darum geht, hinsichtlich der von ihm untersuchten Kunstwerke nicht nur "ikonografische und kennerschaftliche Fragen" zu stellen, wie es die bisherige Forschung seiner Meinung nach tat, sondern die Erzählstruktur auf die gezielte Wirkung beim Betrachter zu beziehen. Dass hierbei keine neuen Wege beschritten werden, macht seine eigene Aussage, er wolle "nachweisen, dass ihr Bildprogramm nicht losgelöst von ihrem Gebrauchskontext gesehen werden darf, sondern in erheblichem Maße von ihm bestimmt ist" (9) deutlich. Viele interessante und wichtige Fragen, denen auch in den folgenden Kapiteln nachgegangen wird, werden in der Einleitung angesprochen. Was stört, ist allein die Vehemenz, mit der der Autor seine Meinung vorträgt, erstmalig diese Fragen zu stellen, und die Entschiedenheit, dafür den neuen Begriff des medienspezifischen Erzählens etablieren zu müssen.

Das zweite Kapitel macht den Leser mit dem Psyche-Mythos sowie mit den verschiedenen Deutungstraditionen vertraut. Mit dem dritten Kapitel beginnt die Analyse der Mythos-Darstellungen. Die in Museen oft aus dem Zusammenhang geholten Bildtafeln der Cassoni stellt der Autor hier in ihrem funktionellen Kontext vor Augen, indem er zunächst die Geschichte und Tradition der Cassoni darstellt. Ganz offensichtlich sollten die Bildthemen dem Brautpaar zum Hochzeitstag und für ihr zukünftiges Leben eine Botschaft vermitteln. Eine gründliche Analyse der beiden Cassone-Tafeln mit der Geschichte von Amor und Psyche, die sich heute in der Gemäldesammlung in Berlin befinden und dem Meister der Argonautentafeln zugeschrieben werden, macht deutlich, in welch hohem Maße gerade diese Geschichte mit ihren zahlreichen Parallelen zu einer wirklichen Hochzeit sich für die Ausstattung einer Hochzeitstruhe eignete. Kleinere Details, wie die zeitgenössische Kleidung und ganz persönliche Verweise auf die Auftraggeber, wie Wappen und Sternzeichenbilder am Himmel, erleichtern die Identifikation mit dem Brautpaar (43). Bei der Auswahl und Umsetzung der Szenen, die so gestaltet sind, dass sie "zu einer idealen Vorausnahme des realen Hochzeitszeremoniells werden", wird der überlieferten Geschichte "durchaus Gewalt angetan, etwa dadurch, dass gewisse entscheidende Elemente der Erzählhandlung ausgeblendet werden" (44). Da hier der Verwendungszweck der Truhen die Auswahl der illustrierten Szenen und ihre Gewichtung bestimme und der ursprüngliche Gebrauchskontext das Bildprogramm beeinflusse, mache es hier Sinn - so der Autor -, von einem medienspezifischen Erzählen zu sprechen. Wäre hier nicht der Begriff des funktionsspezifischen Erzählens eindeutiger?

Im folgenden Kapitel untersucht der Autor zwei Bildprogramme des 16. Jahrhunderts, die den Psyche-Mythos darstellen (die Loggia der Psyche in der römischen Villa Farnesina sowie die "Sala di Psiche" im Palazzo del Te), und damit zwei Freskenzyklen, die in hohem Maße die Lebenswirklichkeit des jeweiligen Auftraggebers reflektieren. Zu nennen sind hier nicht nur die Bezüge zu den jeweiligen Biografien. Darüber hinaus stellt, wie es der Autor weiter ausführt, die "vielschichtige Rezipientenkonfiguration" für die einzelnen Betrachter unterschiedliche Rollenmodelle bereit (78). Zudem dienten die Ausstattungen der Repräsentation und spiegelten einen Ausschnitt der Lebenswelt - die luxuriös inszenierten Feste - der Auftraggeber wieder. Die Malereien erscheinen in ihrer diesbezüglichen Auswahl der Szenen wie ein Teil dieser Inszenierung. Bei der Festsaaldekoration tritt in der Darstellung des Psyche-Mythos die Idee einer allegorischen Lesart zu Gunsten eines "erotisch aufgeladenen Bildprogramms" weit in den Hintergrund, so stellt es der Autor abschließend fest (79).

Eine stärkere Ausrichtung auf die christlichen Werte wird - wie der Autor herausstellt - im Wandfries Perino del Vagas in der Ausgestaltung eines Schlafzimmers der Engelsburg deutlich. Der Maler orientiert sich hier an der bereits erwähnten Stichserie, die um 1532 publiziert wurde. Einmal mehr tritt die problematische Verwendung des Mediumbegriffes vor Augen, denn von Festsaal zu Schlafzimmer wechselt nicht das Medium, sondern schlicht die Funktion, so wie es der Autor auch selbst formuliert: "der Verwendungskontext [beeinflusst] die Auswahl der dargestellten Szenen" (85). Als Schlüsselszene interpretiert der Autor hier die schlafende Psyche, die sich genau gegenüber dem Bett des Papstes (oder Burgherrn) befindet: Sie fokussiert die Interpretation auf Psyche als Sinnbild der Seele auf dem Weg zu Gott, die schließlich den Tod überwindet (90). Die Illustrationen der Druckgrafik, Holzschnitte der Boiardo- und der Siedler-Ausgabe, mit denen sich der Autor ebenfalls im Kapitel 5 auseinandersetzt, ergreifen in der Auswahl der Szenen und der Darstellung keine Partei für eine bestimmte Interpretation der Psyche-Geschichte und entsprechen so der Vielfalt von Rezipienten, auf die sie sich einzustellen hatten.

Deutlich arbeitet der Autor heraus, dass die Unterschiede bei der Umsetzung des Mythos - auf dem Cassone, im Freskenzyklus oder in der Druckgrafik - durch die unterschiedliche Funktion, die unterschiedlichen Auftraggeber, das verschiedenartige Publikum determiniert sind, also funktionsspezifisch, auftragsspezifisch und rezeptionsspezifisch erzählt wird. Der Begriff des Mediums wird jedoch - ohne mehr Präzision in die Argumentation zu bringen - umsonst strapaziert. Schaut man aufs Ganze, so stellt diese Publikation einen sehr wichtigen Beitrag zur Ikonografie des Amor-und-Psyche-Mythos im 15. und 16. Jahrhundert dar, die mit einer Fülle von wertvollen Einzelbeobachtungen die verschiedenen Umsetzungen eines antiken literarischen Stoffes klar herausstellt, zudem spannend zu lesen und flüssig geschrieben ist.

Anna Schreurs-Morét