Phillip Lindley (ed.): Making Medieval Art, Donington: Shaun Tyas 2003, XII + 227 S., 113 illus., ISBN 978-1-900289-59-7, GBP 24,00
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In den neueren Forschungen zur mittelalterlichen Kunst nehmen die Berücksichtigung technologischer Aspekte, die bei der Entstehung mittelalterlicher Architektur und Kunstwerke eine Rolle spielten, und die Frage nach den Rahmenbedingungen der Handwerker und Künstler häufig breiteren Raum ein. Gleichwohl fehlt es bislang an einer ausreichenden Gesamtdarstellung, die alle relevanten Kunstgattungen einschließt. So lieferte beispielsweise die Reihe 'Medieval Craftsmen' des British Museum in ihrer Anschaulichkeit vorbildhafte Einführungen, die aber nicht alle Bereiche abdeckten und für ein weiterführendes Studium nicht ausreichend in die Tiefe gingen. [1]
Die hier zu besprechende Publikation basiert auf einem Projekt, das sich genau dieses Desiderat zum Ziel setzte. Dass nun zumindest ein Teil der Beiträge zur Publikation gelangte, ist das Verdienst Philipp Lindleys. Das Spektrum der Beiträge reicht von Wand- und Tafelmalerei über die Buchmalerei bis zu Skulptur und Textilkunst, wobei ein Schwerpunkt bei der Malerei festzustellen ist.
Mehrere überblicksartig angelegte Aufsätze sollen einen Einstieg in die Thematik bieten. So beschreibt beispielsweise Achim Timmermann "The Workshop Practice of Medieval Painters" (42-53). Der Autor schildert darin anschaulich die Herstellungsprozesse, die Zusammenarbeit zwischen den Künstlern sowie die Werkstattstrukturen, die Zunftorganisation, Ausbildung und Auftragsvergabe sowie die soziale Stellung der Maler. Man hätte allerdings erwartet, dass einem so zentralen Thema erheblich mehr Platz eingeräumt wird. Auf gut zehn Seiten lassen sich die verschiedenen Aspekte allenfalls anreißen.
Demgegenüber nimmt Philip Lindleys Einführung in die "Studio and Workshop Practices" der gotischen Bildhauer und Bildschnitzer (54-80) ungleich mehr Raum ein. Insgesamt gelingt es Lindley, ein differenziertes Bild der spätmittelalterlichen Produktion von Skulpturen zu entwickeln, wobei er als einer der besten Kenner der englischen Skulptur schwerpunktmäßig auf dortige Beispiele eingeht. Darüber hinaus konzentriert er sich jedoch allzu sehr auf Burgund, während beispielsweise die Parler und Prag überhaupt keine Erwähnung finden. Zum Teil fehlt auch wichtige neuere Literatur wie Robert Suckales bahnbrechender Aufsatz zu den Bamberger Domskulpturen. [2]
Besonders ist auf den Beitrag von Ann Massing zur Geschichte der Temperamalerei hinzuweisen (30-41), der auf nur wenigen Seiten eine gut geschriebene Einführung bietet. Ausgehend von dem Traktat Cennino Cenninis skizziert sie die Entwicklung in Italien, wo diese Technik besonders verbreitet war. Sie verweist in einem eigenen Abschnitt auch darauf, dass Tempera nördlich der Alpen gebräuchlicher war, als lange Zeit angenommen, und führt hier interessante Beispiele an, wie eine Anbetung der Könige aus dem Umkreis des Joos van Cleve im Fitzwilliam Museum Cambridge.
Liest man die hier vorgelegten Beiträge quer, wird auch schnell deutlich, warum wir bisher vergeblich auf eine Zusammenschau der verschiedenen Kunstgattungen warten. Eine Geschichte der technologischen Entwicklungen im Bereich der Kunst ist nicht zuletzt auf die Einbeziehung sehr verstreuter restauratorisch-konservatorischer Untersuchungen angewiesen, die zum Teil nicht publiziert sind. Dies erlaubt allenfalls Fallstudien oder regional begrenzte Ansätze.
Die Erforschung der mittelalterlichen Wandmalerei, der sich mehrere Beiträge des Bandes widmen, ist hierfür charakteristisch. So sind die dänischen Beispiele vergleichsweise gut dokumentiert und in einer Datenbank erfasst (vgl. den Beitrag von Axel Bolvig, 140-151). Auch für England liegen zahlreiche Einzelforschungen vor. So legt Miriam Gill mit ihrem Beitrag (173-201) eine profunde Fallstudie zu den Wandmalereien der Eton College Chapel vor, die zwar neuere Forschungsansätze einbindet, dafür aber technologische Aspekte weitgehend ausklammert.
Ihre Bemerkungen zu den historischen Nachrichten über die Künstler und Entstehungszusammenhänge werfen weiterführende Fragen auf: Für Eton haben sich die Rollen der 'fabrica' mit dem Verzeichnis der Ausgaben erhalten, deren Angaben aber - wie so oft - an Eindeutigkeit zu wünschen übrig lassen: 1477 waren dort beispielsweise sieben Maler gleichzeitig tätig, ohne dass wir Genaueres über deren Namen und Aufgabenteilung erfahren. Auch wenn Personen konkret benannt sind, lässt sich deren Rolle nicht klar bestimmen. So erhielt ein William Baker in den Jahren 1486-87 Geldbeträge für Farben. Entweder handelte es sich um den Werkstattleiter selbst oder nur um einen Lieferanten (177). Vergleichende Studien über die Bezahlmodalitäten bei Aufträgen könnten hier weiterhelfen. Klar ist, dass der Zyklus von verschiedenen Malern geschaffen wurde, die sich an altniederländischer Kunst orientierten. Dabei ist sowohl die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass Künstler von dort nach England kamen, als auch, dass sich einheimische Künstler an den niederländischen Vorbildern orientierten. Gill weist darauf hin, dass hier auch der Name des vermeintlichen Werkstattleiters William Baker nicht weiterhilft, da in anderen Fällen belegt ist, dass Niederländer englische Namen annahmen, nachdem sie sich auf der Insel niedergelassen hatten. Auf jeden Fall war niederländische Kunst in England damals hoch geschätzt, wie dies Gill anhand zahlreicher Beispiele deutlich macht (190-192).
Für den deutschsprachigen Raum liegen überwiegend regionale Untersuchungen oder Fallstudien vor. [3] Es fehlen jedoch Gesamtdarstellungen auf der Basis neuerer Forschungen. Gerade in jüngster Zeit konnten zum Teil spektakuläre Entdeckungen gemacht werden, wie z. B. die Ausmalung des Kreuzgangs des Brandenburger Domes aus der Zeit des Bischofs Stefan Bodecker (1384-1459). So vermag es kaum zu überraschen, wenn Roger und Leslie Ling in ihrem gerafften Beitrag "Fresco and Other Forms of Wall Painting" (4-29) viele Gebiete nicht einmal streifen. Gerade die deutschen Beispiele sind darin zu gering gewichtet. Und überdies fehlen wichtige Literaturtitel, wie zum Beispiel Albert Knoepflis und Oskar Emmeneggers grundlegende Abhandlung zur "Wandmalerei bis zum Ende des Mittelalters", sodass man diesen Beitrag nicht ohne weiteres als Einstieg in das Thema empfehlen möchte. [4]
Zusammenfassend kann man feststellen, dass die komplizierte Entstehungsgeschichte des Projekts offenbar nicht ganz spurlos an der Publikation der Beiträge vorüber gegangen ist. Ihre Zusammenstellung besitzt zum Teil eher zufälligen Charakter. Zudem beziehen sich einige nicht auf das Oberthema des Buches. Aus Kostengründen scheint man auf eine umfangreiche farbige Bebilderung verzichtet zu haben, weshalb sich bei mehreren Beiträgen die Argumentationsgänge nur schwer nachvollziehen lassen, was gerade bei dieser Themenstellung besonders zu bedauern ist. Dennoch enthält der Band einige lesenswerte Beiträge, die unser Bild von den mittelalterlichen Künstlern und Kunsttechniken abrunden.
Anmerkungen:
[1] Vgl. z. B. Paul Binski: Painters (= Medieval Craftsmen), London: British Museum Press 1991.
[2] Robert Suckale: Die Bamberger Domskulpturen. Technik, Blockbehandlung, Ansichtigkeit und die Einbeziehung des Betrachters. In: Münchner Jahrbuch der Bildenden Kunst, N. F. 38 (1987), 27-82.
[3] Z. B. Ursula Schädler-Saub: Gotische Wandmalereien in Mittelfranken. Kunstgeschichte - Restaurierung - Denkmalpflege (= Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, 109), München: Lipp 2000.
[4] Albert Knoepfli / Oskar Emmenegger: Wandmalerei bis zum Ende des Mittelalters. Abgedruckt in: Reclams Handbuch der künstlerischen Techniken, Bd. 2, Stuttgart: Reclam 1990, 209-212.
Gerhard Lutz