Alessio Monciatti (a cura di): Domus et splendia palatia. Residenze papali e cardinalizie a Roma fra XII e XV secolo. Atti della giornata di studio, Pisa, Scuola Normale Superiore 14 novembre 2002 (= Seminari e convegni; 1), Pisa: Edizioni della Normale 2004, XII + 216 S., 157 s/w-Abb., ISBN 978-88-7642-135-8, EUR 35,00
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Mehrere mittelalterliche Schriftquellen wie die im Titel zitierten Gesta Friderici I. Imperatoris von Otto von Freising halten - wie topisch auch immer gefärbt - die Bedeutung der adeligen sowie klerikalen Residenzen für das Stadtbild Roms fest. Dieses als wandlungsfähigen Organismus zu begreifen, der Kontinuitäten ausbildet und sich verschiedenartigen Faktoren anpasst, hat Richard Krautheimer in 'Rome. Profile of a City, 312-1308' auf beeindruckende Weise gelehrt. Mit den Studien zu den Hauptsitzen der Päpste im Lateran und im Vatikan sowie mit Untersuchungen zu den Anwesen des römischen Stadtadels hat man der Architektur der Herrschaftsträger bereits große Aufmerksamkeit gezollt. Weitgehend unbeachtet blieben aber die Topografie, Architektur und Ausstattung der Wohnsitze einer weiteren Gruppe von einflussreichen Mitspielern im lokal- und kirchenpolitischen Gefüge Roms - des Kardinalkollegiums. Dieses hatte sich im Zuge der Kirchenreform des 11. Jahrhunderts als eine Institution der Gesamtkirche konstituiert. Die Kardinäle übernahmen Leitungsfunktionen in der päpstlichen curia und wirkten im Konsistorium an der päpstlichen Regierung mit. In den Papstwahldekreten von 1059 und 1179 erhielten sie zunächst das Vorzugs-, dann das ausschließliche Recht zur Wahl des Pontifex. Die Bedeutung ihrer Niederlassungen für die politische Topografie der Stadt, aber auch für die Entwicklung der Residenzarchitektur ist nicht unerheblich. Gleiches gilt im Übrigen für die von den Päpsten genutzten Wohnsitze in Rom außerhalb des Laterans und des Vatikans. Dass man diese Residenzen bisher kaum als eigenständigen Faktor im städtischen Panorama des hohen und späten Mittelalters wahrgenommen hat, dürfte vor allem an der Überlieferungssituation liegen. Häufig sind sie in einem stark überbauten Zustand auf uns gekommen bzw. nur schriftlich oder grafisch dokumentiert.
Alessio Monciatti, der sich seit einigen Jahren mit der mittelalterlichen Bau-, Funktions- und Ausstattungsgeschichte des päpstlichen Palastes im Vatikan befasst, hatte im November 2002 zu einem Studientag an die Scuola Normale Superiore in Pisa eingeladen, um den 'status quo' der Forschung abzustecken. Der daraus hervorgegangene Tagungsband umfasst jene zehn Beiträge, die sich Kardinals- und Papstresidenzen in Rom widmen. Die avignonesische Phase sowie die Papstresidenzen im Kirchenstaat, denen man in den letzten Jahren bereits ausführliche Untersuchungen gewidmet hat, wurden ausgeklammert. Dem so fokussierten Band gelingt es, in der Summe der Einzelbeiträge dieses Feld in seiner diachronen Entwicklung zu skizzieren und die Bandbreite der Faktoren, die auf diese Bauaufgabe Einfluss nahmen, aufzuzeigen. Er präsentiert einige neue Funde, die das Bild erheblich erweitern, und stellt verschiedene Herangehensweisen bei der Rekonstruktion der mehrheitlich untergegangenen Ensembles vor.
Andrea Augenti skizziert in seinem einleitenden Aufsatz anhand von Quellenbelegen die Kontinuitäten und Neuanfänge in der Wahl der weltlichen und päpstlichen Amtssitze in Rom im ersten christlichen Jahrtausend. Die Standortwahl sowie die bauliche Gestaltung erscheinen als sinnfälliger Ausdruck für die Verschiebung der Machtverhältnisse in der Stadt zwischen Spätantike und hohem Mittelalter. Christoph Luitpold Frommel schlägt in seinem abschließenden Beitrag den Bogen vom Mittelalter in die Neuzeit. Er zeigt eine Verbindungslinie zwischen den Bauprojekten des humanistisch gebildeten, aber noch der mittelalterlichen Architektur verpflichteten Nikolaus V. für den Vatikanpalast und den Plänen Julius' II. und Bramantes auf.
Zwischen diesen zeitlichen Polen liegt der Schwerpunkt der Beiträge auf dem 13. Jahrhundert. Die von den Historikern Sandro Carocci und Agostino Paravicini Bagliani beigesteuerten Aufsätze machen deutlich, wie sehr die Standortwahl der Kardinäle sowie der Ausbau ihrer Wohnsitze von politischen, wirtschaftlichen sowie mentalitätsgeschichtlichen Faktoren abhingen - eine eindringliche Warnung vor monokausalen oder bauimmanenten Erklärungsversuchen. Carocci skizziert den Aufstieg der römischen Baronalfamilien im 13. Jahrhundert, aus denen sich regelmäßig Mitglieder des Kardinalkollegs rekrutierten. Die wirtschaftliche Potenz dieser Familien sowie ihr lokalpolitischer Einfluss bewogen offenbar etliche Kardinäle, sich nicht an ihrer Titelkirche niederzulassen, sondern auf dem Terrain der Familie. Dies gilt z. B. für den späteren Papst Honorius IV. Savelli (1285-1287), der sein Amt vom Familienbesitz auf dem Aventin aus ausübte. - Pierre-Yves Le Pogam rekonstruiert in seinem Beitrag die Ausdehnung dieser Rocca Savelli anhand der Reste der Umfassungsmauern. - Zu Recht fragt Carocci auch nach der gegenseitigen Beeinflussung solcher munitiones und etwa der Initiative Papst Innozenz' III. zur Befestigung von Vatikan und Lateran. Eine weitere Rolle bei der Entscheidung für Bauinvestitionen in Rom spielte - insbesondere im 13. Jahrhundert - die Mobilität der Kurie. Paravicini Bagliani verknüpft den von Innozenz III. eingeführten Wechsel zwischen Winter- und Sommerresidenzen kulturgeschichtlich mit dem gestiegenen Interesse an Medizin, Gesundheitsvorsorge und Naturerlebnis.
Drei weitere Aufsätze rekonstruieren verloren geglaubte Gebäude bzw. stellen jüngst entdeckte Fresken vor, die die bisherige Denkmälerkenntnis beträchtlich erweitern. Bei der Restaurierung des Komplexes von SS. Quattro Coronati seit 1985 kam ein enzyklopädischer Freskenzyklus in der so genannten Aula gotica ans Licht. Nach seiner Bekanntmachung 1999 stellt Andreina Draghi nun ihre ersten Bemühungen zur ikonografischen Bearbeitung einzelner Bilder, unter anderem der Monatsserie, vor. Hier scheint große Skepsis geboten, geht sie doch nicht von der Jahrhunderte langen Bild- und Texttradition dieser Sujets aus [1], sondern stülpt ihnen unter Heranziehung theologischer Texte eine - meiner Ansicht nach - nicht haltbare eschatologische Deutung über. Es bleibt zu hoffen, dass dieser für die römische Malerei des Duecento immens wichtige Zyklus, der offenbar von Stefano Conti, dem von 1244-1253 amtierenden Vikar von Rom, in Auftrag gegeben wurde, eine angemessene Bearbeitung erfährt. Serena Romano stellt erstmals Fragmente von eindrucksvollen Tierdarstellungen und fiktiven Architekturen in zwei Räumen des ehemaligen Kanonikerstifts von S. Clemente vor. Aus der künstlerischen Einordnung resultiert ebenfalls eine Datierung in die Mitte des 13. Jahrhunderts. Romano knüpft plausible Überlegungen zu den während der Abwesenheit des Papstes 1244-1253 als Vikare eingesetzten Kardinälen als Auftraggeber der Fresken in SS. Quattro Coronati und S. Clemente an. Überzeugend ist auch Georg Schelberts Studie zu dem Palast Nikolaus' V. bei S. Maria Maggiore, einer der letzten päpstlichen Residenzen außerhalb des Vatikans. Mit großer Akribie rekonstruiert er anhand architektonischer Überreste und zahlreicher Bildquellen die Geschichte und Gestalt dieses Baus.
Alessio Monciatti nähert sich der Frage nach der Typologie der päpstlichen Residenzen im Mittelalter. Seine Bauuntersuchung des Papstpalastes im Sacro Convento von Assisi zeigt eine dem späteren Palast Nikolaus' III. im Vatikan vergleichbare Raumfolge auf. Seine Folgerung, Struktur und Funktion der beiden päpstlichen Paläste seien bekannt und bewusst aufeinander bezogen worden, stützt er mit dem Verweis auf eine zeitgenössische Architekturdarstellung. Der Hintergrund in Cimabues Fresko 'Der Sturz des Simon Magus' in der Oberkirche von S. Francesco in Assisi sei als akkurate Wiedergabe der nachweisbaren Baukörper des Vatikanischen Palastes im 13. Jahrhundert zu lesen. Chiara Frugonis Deutung des architektonischen Hintergrunds einer Szene aus dem Franziskuszyklus in der Oberkirche von Assisi, der Befreiung des Pietro von Alife, als topografisch identifizierbare bzw. sprechende Architektur für die handelnden Personen bleibt hypothetisch; im übrigen widmet sie sich vorrangig der Erläuterung des von ihr an anderer Stelle ausführlich behandelten Bildgeschehens.
Viele Fragen zu den Residenzen der kirchlichen Elite im mittelalterlichen Rom sind noch offen. Es ist das Verdienst dieses Bandes, die Aufmerksamkeit auf den minder beachteten Themenkomplex gelenkt und den Maßstab für seine weitere Erforschung hoch angesetzt zu haben. "I muri di Roma [...] potrebbero riservare ulteriori future sorprese a chi si preoccupa di indagarli" (Romano, 76).
Anmerkung:
[1] Das Bankett im Januar und die ermattete Personifikation des August, die sie hier behandelt, ließen sich damit viel schlüssiger erklären; siehe die Ausführungen zu den Monatsbildern am Hauptportal von S. Marco in Venedig von Guido Tigler: Il portale maggiore di San Marco a Venezia. Aspetti iconografici e stilistici dei rilievi duecenteschi, Venedig 1995 (= Istituto Veneto di Scienze, Lettere ed Arti, Memorie, Bd. 59), Kap. 5, 153-211.
Andrea Lermer