Rezension über:

Susanne Stadl: Die Kunsttätigkeit der Salesianerinnen im deutschsprachigen Raum: Wien - München - Amberg, Lindenberg: Josef Fink 2005, 280 S., ISBN 978-3-89870-197-6, EUR 24,00
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Rezension von:
Kathrin Mueller
München
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Kathrin Mueller: Rezension von: Susanne Stadl: Die Kunsttätigkeit der Salesianerinnen im deutschsprachigen Raum: Wien - München - Amberg, Lindenberg: Josef Fink 2005, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 1 [15.01.2006], URL: https://www.sehepunkte.de
/2006/01/9311.html


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Susanne Stadl: Die Kunsttätigkeit der Salesianerinnen im deutschsprachigen Raum: Wien - München - Amberg

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Für die Veröffentlichung ihrer Dissertation wählte Susanne Stadl den Titel "Die Kunsttätigkeit der Salesianerinnen im deutschsprachigen Raum. Wien - München - Amberg". Deshalb sei hier zunächst vorangestellt, dass der Leser im Text vergeblich nach aktiv "kunsttätigen" Salesianerinnen sucht. Vielmehr handelt es sich bei der vorliegenden Publikation um eine Analyse von Architektur und vor allem Bildprogrammen der entsprechenden Kirchenbauten unter besonderer Berücksichtigung der schriftlichen Quellen; dabei wird sogar mehrfach betont, dass die Nonnen selbst eben nicht für den jeweiligen Programmentwurf verantwortlich gewesen seien. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf der Münchner Salesianerinnenkirche St. Anna (der heutigen Damenstiftskirche). Nicht umsonst lautete der ursprüngliche Titel der Dissertation "Die Salesianerinnenkirche St. Anna in München". [1] Zum Vergleich werden im Anschluss die Kirchen in Wien und Amberg herangezogen. Die vierte Gründung in Sulzbach wird nicht berücksichtigt, "da die Kirche erst 1762 entstand und nie ein Deckenbildprogramm erhalten hat" (7). Mit diesem Zitat wird, allerdings ohne weitere Begründung, der zeitliche Rahmen abgesteckt; außerdem zeigt sich hier bereits in der Einleitung die Betonung, die im Folgenden der Deckenmalerei zugemessen wird.

Zu Beginn der Ausführungen steht ein Überblick über die Geschichte der Salesianerinnen in Bayern und Österreich. Der 1610 von Franz von Sales und Johanna Franziska von Chantal im savoyischen Annecy gegründete "Orden von der Heimsuchung Mariens" war 1667 von Kurfürstin Henriette Adelaide nach Bayern, zunächst nach München, geholt worden. Auch die Gründung des Klosters in Amberg lässt sich auf die Bemühungen der Kurfürstin zurückführen, zog sich jedoch bis in die 1690er-Jahre hin. In Wien erfolgten Klostergründung sowie Bau von Kirche und Kloster ab 1717 auf Betreiben der Kaiserin Amalia Wilhelmine.

Der Neubau der Münchner St.-Anna-Kirche erfolgte 1733-35. Die Zuschreibung an Johann Baptist Gunezrhainer kann die Autorin durch eine bisher nicht bekannte Quelle, eine Quittung von 1734, verifizieren (31). Anhand einer ebenfalls noch nicht publizierten Planserie für das Kloster (36) weist sie ferner eine Planänderung des Kirchengrundrisses nach. Demnach war zuerst ein Längsbau mit drei gleich großen Jochen vorgesehen, der jedoch noch während der Planung eine Zentralisierung erfuhr, indem das mittlere Joch vergrößert und so Raum für das große Kuppelfresko geschaffen wurde. Die Gestalt des ersten, nicht ausgeführten Grundrisses lässt sich auf einen seit 1628 mehrfach veröffentlichten "Idealplan" für ein Kloster zurückführen, den Franz von Sales 1621 hatte entwerfen lassen (38).

Diese Betonung der Rolle des Ordensstifters setzt sich in der Analyse von "Ikonographie und Ikonologie der Innenausstattung" (54) der Münchner Kirche fort, wobei die Autorin sich, ausgehend von einer akribischen ikonografischen Beschreibung, besonders mit dem Programm der Deckenfresken von Cosmas Damian Asam auseinandersetzt. "Anhand von Schriften des Ordensstifters Franz von Sales, verschiedener Predigten kurz vor und nach 1700 sowie der Circulaires der Salesianerinnen [...] wird [...] versucht, die Bedeutung des Innendekorations-Programms zur Entstehungszeit nachzuvollziehen." (55) Ausgehend von einer besonders exponierten Figur am Rande des Freskos, die von der bisherigen Forschung [2] kaum beachtet worden war und die Stadl als Franz von Sales identifiziert, deutet sie das ganze Deckenbildprogramm in unmittelbarem Bezug auf den Ordensstifter und dessen Schriften. Eine 1692 in der alten St.-Anna-Kirche zum 70. Todestag des Heiligen gehaltene Predigt von Karg von Bebenburg bildet eine wichtige Grundlage für diese Interpretation, in die auch die Altarbilder und die plastische Ausstattung mit einbezogen werden. Mehrfach, vor allem auch in Bezug auf die Herz-Jesu-Thematik (162), wird dabei der beratende Einfluss der Jesuiten bei der Konzeption des Bildprogramms betont.

Wenn auch im "Epilog" (198-201) die Kernaussagen noch einmal gebündelt dargelegt werden, so muss man doch feststellen, dass spätestens nach der Beschreibung der Deckenfresken die Argumentation an Übersichtlichkeit verliert. So folgt beispielsweise das Kapitel "Voraussetzungen für das Programm der Innenausstattung" (132-169) nach der ausführlichen Interpretation desselben. Auch die Predigt von 1692, die zuvor (65 ff.) schon als wesentliche Interpretationsgrundlage gedient hat, wird erst hier (142 ff.), im Zusammenhang mit der Predigttheorie des Franz von Sales, näher beschrieben. Erst jetzt zählt die Autorin die Gründe auf, die sie zu der Annahme veranlasst haben, "dass die Predigt von Karg von Bebenburg [...] mit herangezogen wurde, um die Bedeutung des Ordensstifters im Deckenfresko darzustellen." (148). Gerade in einer derart quellenorientierten Interpretation wäre es argumentativ sinnvoller gewesen, eine ausführliche und vor allem strukturierte Darlegung der verwendeten Quellen den Ausführungen voranzustellen.

Auch die Prioritäten, welche die Autorin einzelnen Aspekten zumisst, sind nicht immer unmittelbar nachvollziehbar. Beispielsweise endet die vergleichende Beschreibung der Wiener Kirche (170-182) unvermittelt in einem ausführlichen technischen Bericht über die letzte Restaurierung im Jahre 2000, während die ikonografische Analyse zuvor bereits im Ansatz stecken geblieben war. Im Gegensatz zu Wien erfährt Amberg (183-197) danach wieder eine extrem ausführliche Beschreibung und Analyse der Deckenbilder. Zwar war die Amberger Kirche bereits 1697-99 erbaut worden; Stadl beschränkt sich aber in ihren Ausführungen auf den Umbau 1757 - eine bequeme Lösung, da die Gestalt des Ursprungsbaus nicht sicher überliefert ist, schlüssiger jedoch, wenn man bedenkt, dass das Primat der Untersuchung auf den Deckenfresken liegt, die in Amberg von Gottfried Bernhard Göz im Zuge des Umbaus geschaffen wurden. Trotz dieser Uneinheitlichkeiten in der Argumentation wird im Vergleich der Münchner Salesianerinnenkirche mit denjenigen in Wien und Amberg ein wichtiger Punkt deutlich: jede der drei Kirchen hat in ihrem Bildprogramm je eine für den Orden wichtige Person zum Thema, "in Wien Maria, in München den Ordensstifter Franz von Sales und in Amberg die Ordensstifterin Johanna Franziska von Chantal" (7), wobei in Amberg streng genommen nicht so sehr das Leben der Ordensstifterin (186) im Mittelpunkt steht, sondern vielmehr ihre Verbindung zu Franz von Sales. Somit ergänzen die beiden Vergleiche die im Hauptteil des Buches hervorgehobene Bedeutung des Ordensstifters für Baugestalt und Bildprogramm der Münchner Kirche. Auch die Bedeutung der jeweiligen Auftraggeber und Programmentwerfer tritt hier noch einmal zu Tage.

Gerade im Zusammenhang mit den Bildprogrammen lässt die Arbeit noch einige Wünsche offen. Zwar rechtfertigt die Themenstellung eine Konzentration auf die wenigen Beispiele im deutsch-österreichischen Raum, in einigen Fällen hätten sich weiter ausgreifende Vergleiche dennoch angeboten. Gerade angesichts der besonderen Rolle, die die Jesuiten für den Salesianerinnenorden spielten (149 f.), wären Vergleiche mit jesuitischen Bildprogrammen eine sinnvolle Ergänzung. Ebenso könnte ein intensiverer Blick nach Frankreich aufschlussreich sein, existierten dort doch wesentlich mehr und vor allem ältere Salesianerinnenklöster, mit denen offenbar reger schriftlicher Austausch gepflegt wurde. Auch in dem Kapitel zur Herz-Jesu-Verehrung, zu deren Entstehung und Entwicklung Salesianerinnen und Jesuiten wesentlich beigetragen haben, macht sich das Fehlen von international vergleichenden Bildbeispielen schmerzlich bemerkbar.

Zusammenfassend erweist sich die vorliegende Arbeit primär als stark monografisch angelegter Versuch, anhand verschiedenartiger Schriftquellen eine ikonografische Analyse des Bildprogramms der Münchner Salesianerinnenkirche vorzunehmen. Besonders hervorgehoben sei deshalb an dieser Stelle noch die ungewöhnliche Form des Anhangs, in dem die herangezogenen Quellen nicht aufgezählt, sondern als Faksimile abgedruckt sind, wodurch wohl die Bedeutung der entsprechenden Quellen noch einmal unterstrichen werden soll. Angesichts der bisher nur äußerst unvollständigen Forschung zu St. Anna ist diese Analyse in jedem Falle zu begrüßen, zumal die heutige, rekonstruierte Gestalt der Kirche dem Betrachter nur einen sehr unvollkommenen Eindruck des einstigen Gesamtkunstwerks bietet.


Anmerkungen:

[1] Hochschulnachrichten, in: Kunstchronik 56 (2003), 479.

[2] V. a. Hermann Bauer / Bernhard Rupprecht (Hrsg.): Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland, Bd. 3/1, München 1987, 185-190.

Kathrin Mueller