Katrin Ellen Kummer: Landstände und Landschaftsverordnung unter Maximilian I. von Bayern (1598-1651) (= Schriften zur Verfassungsgeschichte; Bd. 74), Berlin: Duncker & Humblot 2006, 262 S., ISBN 978-3-428-11643-0, EUR 78,00
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Monika Schaupp: Die Landstände in den zollerischen Fürstentümern Ansbach und Kulmbach im 16. Jahrhundert, München: Bayerische Akademie der Wissenschaften 2004
Hannes Ziegler: Trauen und Glauben. Vertrauen in der politischen Kultur des Alten Reiches im Konfessionellen Zeitalter, Affalterbach: Didymos-Verlag 2017
Die Beziehungen zwischen Fürst und Ständen in der frühen Neuzeit sind, nicht zuletzt vor dem Hintergrund sich verändernder allgemeinpolitischer Entwicklungen, unterschiedlich gedeutet worden. Sah man die Stände lange als Hemmschuh bei einer gleichsam natürlichen Evolution hin zum modernen Staat, so entdeckte man sie nach 1945 als Ahnen heutiger demokratischer Repräsentation. Wurde oft der Konflikt betont ("Dualismus"), so gerät in letzter Zeit vor allem die Zusammenarbeit zwischen Fürsten und ständischen Eliten in den Blick. Einigermaßen einig ist sich die Forschung, dass durch den Dreißigjährigen Krieg und die Kriege nach 1648 (bis 1714) der ständische Einfluss landauf, landab zugunsten eines gesteigerten fürstlichen Machtanspruchs zurücktrat und der Landesherr die ständische Mitsprache in puncto Außenbeziehungen, Militär und Steuern weitgehend ausschaltete. Gleichwohl wird das Fortbestehen ständischer Institutionen und ihre Bedeutung für Verwaltung und (modern gesprochen) Innenpolitik auch im 18. Jahrhundert meist nicht mehr nur als Relikt angesehen, sondern es wird die Vitalität ständischer politischer Partizipation betont.
Die Autorin der vorliegenden Dissertation knüpft an die neuere Forschungsentwicklung an, wenn sie programmatisch formuliert: "Die grundsätzliche Fragestellung, die diese Arbeit leiten soll, ist die nach der Kooperation zwischen Landesherr und Landständen" (21). Mit dem Thema wird versucht, eine Lücke zu schließen, denn während die bayerischen Stände des 16. Jahrhunderts Gegenstand verschiedener Arbeiten waren, fehlte bisher eine entsprechende Studie über ihre Entwicklung während der langen Regierungszeit Maximilians I. Der Schwerpunkt der Studie liegt auf den fürstlichen Steuerforderungen, dem ständischen Steuerbewilligungsrecht und der Steuereinnahme und -verwaltung, die seit dem 16. Jahrhundert aufgebaut worden war.
Nach einem einleitenden Teil schildert die Verfasserin ausführlich die Landtagsverhandlungen von 1605 und 1612 sowie die Tätigkeit des Großen Ausschusses, der die Verhandlungen für die Stände mit Maximilian während dieser Landtage im Wesentlichen führte (24-81). Nach 1612 fand erst 1669 wieder ein Landtag statt: Bis dahin, also auch während der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, wurden die Stände durch die Landschaftsverordnung vertreten; die Zusammensetzung und Arbeitsweise dieses Deputiertengremiums wird geschildert, ferner die Verhandlungen mit den Vertretern des Fürsten, die immer häufiger und immer mehr Steuern verschiedenen Charakters forderten. "Nach längerem Austausch von Argumenten bewilligten die Landstände dann doch die meisten Forderungen des Fürsten. In einigen wenigen Punkten gab auch der Fürst nach, aber meistens war er in der Lage, seine Forderungen vollständig durchzusetzen", fasst Kummer diese Verhandlungen zusammen (155). Ging es hart auf hart, so setzte sich Maximilian aber auch über das ständische Steuerbewilligungsrecht hinweg und drückte die Landschaftsverordnung "auf den Status eines fürstlichen Steuereinnahmeorgans" herunter (126). Es folgt ein ausführlicher Teil über die Einnahme und Verwaltung der Steuern und Aufschläge (die teils als Zoll, teils als Konsumsteuer erhoben wurden), schließlich eine knappe "Schlussbemerkung" (218f.), in der u.a. betont wird, dass die Verordneten sich in der langen landtagslosen Zeit 1612-1669 zunehmend der Gesamtheit der Stände entfremdeten. Zu dieser Entwicklung trug nicht nur die Tatsache bei, dass Maximilian Landtage nach 1612 bewusst vermied, sondern auch der Umstand, dass etliche ständische Verordnete zugleich fürstliche Amtsträger waren - ein keineswegs auf Bayern beschränktes Phänomen, das für die Deutung des fürstlich-ständischen Verhältnisses bisher vielleicht zu wenig beachtet wird. Acht Tabellen mit detaillierten Zahlenangaben zum bayerischen Finanz- und Steuerwesen bereichern den Text; mehrere Quellen exemplarischen Charakters sind als Anhang angefügt.
Besonders die Abschnitte über die Verordneten und ihre Tätigkeit, über Einzug und Verwaltung von Steuern und Aufschlägen sind informativ. Sie führen nicht zuletzt vor Augen, wie wichtig die landständische Steuereinnahme und -verwaltung für Maximilian war.
Es ist schade, dass die Verfasserin nicht noch wenigstens kurz auf die Entwicklung der Fürst-Stände-Beziehungen sowie das Thema Steuer in anderen Territorien des Reiches eingeht und Bayern auf diese Weise einordnet. Doch ist dies zu verschmerzen, ebenso wie der Umstand, dass Mazarin, Piccolomini, Tilly und Wallenstein im Personenverzeichnis ihr jeweiliger Vorname vorenthalten wird und der schwedische König in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges als "Gustav Adolf I." dort erscheint (richtig: Gustav II. Adolf). Schwerer wiegen die sprachlichen Schwächen. Damit ist ein gelegentlich unnötig geschraubter und komplizierter Stil ("... schilderte er seine Geldnot in Bezug auf die zu unterstützenden Armeen", 112) oder ein Verfallen in die Quellensprache gemeint, aber auch Fehler in Grammatik und Ausdruck.
Der Rezensent hätte sich insgesamt mehr Genauigkeit in der Wortwahl und damit auch in der Interpretation gewünscht. Da ist etwa zuerst pauschal für den ganzen Dreißigjährigen Krieg von einer "Notsituation des Landes" die Rede, die das Verhältnis der Stände zum Fürsten veränderte (156), dann wird aber zwei Seiten später zutreffend konstatiert, dass sich die "Notlage des Krieges [...] zum ersten Mal 1632 einstellte" (158). Einerseits heißt es, dass die Verordnung 1634 "auf den Status eines fürstlichen Steuereinnahmeorgans reduziert worden" sei (126); andererseits wird festgehalten, sie sei keineswegs "ein Organ fürstlichen Willens" geworden (159). Was gilt nun?
Ein komplizierteres Problem der Wortwahl betrifft die Argumente beider Seiten. Die Verfasserin gewährt erfreulicherweise immer wieder Einblick in die argumentativ verwendeten Begriffe, die Fürst und Stände bei den Verhandlungen ins Feld führten. Die Prominenz des Gemeinwohlarguments wird deutlich, aber z.B. auch die Landesnot wird erwähnt; oder der Leser erfährt, wie die Stände den Fürsten 1605 an seine Pflicht erinnerten, dass er sie "'zu schuzen und zu schirmen'" habe (33). So gewinnt man Einblick in die politischen Normen, soweit sie auf der argumentativen Ebene fassbar sind - und das ist eine Stärke der Arbeit. Leider schwankt die Verfasserin in der Beurteilung solcher Argumente hin und her. Einmal ergeht das Urteil über das ständische Argument, es habe sich um "reine Verhandlungstaktik" gehandelt (33), ein andermal wird Maximilians Argumentation voll und ganz als Spiegel der Realität akzeptiert (44). Und es heißt: "Das Prinzip, das den Anstieg der landständischen Macht im 16. Jahrhundert begleitet hatte, nämlich das mitregierende und kontrollierende Organ zu sein, welches das Landeswohl befördert, war im 17. Jahrhundert unter einem Landesherrn, der eben dieses Landeswohl effizienter und geschickter beförderte als irgend ein Landstand dies je vermocht hätte - natürlich auch immer aus dem Blickwinkel der Machterhaltung für die eigene Familie heraus - hinfällig geworden" (158). Hier wird das zeitgenössische Argument des Gemeinwohls unversehens zum (nicht näher definierten) Kriterium heutiger Beurteilung und der Alleinvertretungsanspruch Maximilians auf das bonum commune erscheint als objektive Bestandsaufnahme, eingeschränkt nur durch den Einschub.
Schließlich: Unter dem Aspekt, dass Forschungsergebnisse in aktuelle politische Debatten eingebracht werden, ist es in Grenzen sinnvoll, wenn Begriffe wie "Staat" und "Repräsentanz", die für das heutige Politikverständnis zentral sind, an die Stände und Fürsten der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts herangetragen werden. Und trotzdem: Muss man sich vornehmen, die ständische "Leistung für das Staatswesen" zu zeigen (21)? Haben die Stände das nötig? Und was soll der Leser in der behandelten Zeit unter "Staatswesen" verstehen? Sicher hat Kummer recht, wenn sie betont, dass die Ständeverordnung "keine politische Gruppierung [war], die aufgrund eines Auftrags der Untertanen agierte" (110). Aber das behauptet auch niemand, und der Streit darum, ob und wie die Stände das Land repräsentierten, gehört einer späteren Zeit an. Dass der Landesherr hingegen in der frühen Neuzeit nicht mehr nur seine Dynastie "repräsentierte", sondern "in erster Linie Repräsentant seines Landes" war, die von ihm verursachten Schulden mithin "öffentliche Staatsausgaben" waren (193), setzt ein Verständnis fürstlicher Herrschaft und von "Staat" voraus, das in der behandelten Zeit erst entstand und zumindest umstritten war.
Fazit: Es ist schade, dass das Ergebnis erheblicher Mühen durch die genannten Ungenauigkeiten auf ganz unnötige Weise beeinträchtigt wird.
Volker Seresse