Anjana Buckow: Zwischen Propaganda und Realpolitik. Die USA und der sowjetisch besetzte Teil Deutschlands 1945-1955 (= USA-Studien; Bd. 13), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2003, 697 S., ISBN 978-3-515-08261-7, EUR 90,00
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Die Forschungen zur amerikanischen Deutschlandpolitik nach 1945 haben sich viele Jahre fast ausschließlich mit dem Westteil des Landes beschäftigt. Die DDR galt ausschließlich als Satellit der Sowjetunion, nicht als eigenständiger Staat, sodass ihr kaum politische Bedeutung zugemessen wurde. Erst die jüngere Forschung setzt sich differenzierter mit den Beziehungen der Vereinigten Staaten zu SBZ und DDR auseinander, gerade im Hinblick auf mögliche Implikationen für die Bundesrepublik und die Sowjetunion (vgl. die Tagung des Heidelberg Center for American Studies (2004) unter http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de /tagungsberichte/id=732&sort=datum& order=down&search=klassenfeind).
In ihrer an der Universität Halle-Wittenberg vorgelegten Dissertation untersucht Anjana Buckow für den Zeitraum von 1945 bis 1955, "welches Bild man sich in den Kreisen der amerikanischen Außenpolitiker und Diplomaten von der SBZ/DDR machte und welche Konsequenzen daraus für die amerikanische Politik gezogen wurden" (11). Sie wertet dazu erstmals die einschlägigen Bestände der National Archives and Records Administration aus und konzentriert sich, ausgehend von grundsätzlichen Überlegungen zur Perzeptionstheorie, auf den kleinen Kreis außenpolitischer Akteure, Diplomaten, Politiker, Militärs.
Die Berichterstattung über Ostdeutschland beruhte auf einer Reihe von Quellen: Flüchtlinge aus der SBZ wurden anhand von Fragebögen systematisch befragt. Direkten Kontakt mit der Bevölkerung hatten US-Diplomaten vor allem auf der Leipziger Messe. Hinzu kam die Auswertung der ostdeutschen Medien, die als "authentisches Sprachrohr" der Sowjets galten (110), regelmäßige Gespräche mit deutschen Politikern sowie Mitarbeitern der DGB-Beratungsstelle Ost und der Ost-Büros der westdeutschen Parteien. Zwischen 1950 und 1958 führten die Amerikaner ferner 24 Umfragen durch, v. a. in Ostberlin und in Leipzig. Aus den übrigen Teilen des Landes erhielten sie hingegen nur spärliche Informationen.
Quellenkritisch setzt sich Buckow mit den analysierten Berichten auseinander. Sie zeigt, dass die Amerikaner in der Regel von ihren unterschiedlichen Gesprächspartnern bereits gefilterte, oft auch schon vorinterpretierte Informationen erhielten. Verfolgt man den Weg der Berichte nach Washington, so bestätigt sich der geringe Stellenwert der DDR in Regierungskreisen, den die Forschung bereits vielfach konstatiert hat. Nur in Ausnahmesituationen landeten Memoranda über Ostdeutschland tatsächlich auf dem Tisch des US-Präsidenten, so nach dem 17. Juni 1953 (88). In keinem einzigen ausgewerteten Bericht tritt die DDR als eigenständiger Akteur auf (91). Sie war nur im Hinblick auf die Sowjetunion von Interesse und galt letztlich als Kolonie wie "Kenya (...) or Burma" (112).
Inhaltlich ist die Arbeit nach Sachthemen gegliedert (Kapitel 1-6). Neben dem zentralen Punkt der Berichterstattung, Berlin als "Insel im Meer des Kommunismus" (Eleanor Lansing Dulles, 537), kommt eine Fülle von Aspekten aus Politik, Wirtschaft und Sicherheit zur Sprache. Präzise erkannten die Analysten, dass die Wiederbewaffnung im Osten bereits früh den Weg über die Polizei nahm. Die Berichterstattung zum Aufstand am 17. Juni 1953 bestätigt die bisherigen Forschungsergebnisse. Die Beamten in Washington wurden von den Geschehnissen ebenso überrascht wie die Hochkommission vor Ort, die alle vier Stunden direkt nach Washington berichtete. Das generelle Dilemma der amerikanischen Politik in Ostdeutschland, einerseits stetige Obstruktion zu fördern, zugleich jedoch blutige Massenunruhen zu verhindern, tritt hier einmal mehr deutlich hervor.
Im Kalten Krieg wurde die Berichterstattung für einen direkten Vergleich beider Systeme instrumentalisiert. Die Frage, ob und inwieweit die Bevölkerung Reformen akzeptierte, zieht sich durch nahezu alle Berichte. Prominente Beispiele sind die Entnazifizierung, die Frage der deutschen Einheit oder die Bodenreform in der SBZ, deren möglichen Erfolg die Westmächte mit Argusaugen beobachteten. Der Kampf um einen erfolgreichen wirtschaftlichen Aufbau veranlasste Lucius D. Clay zu der Bemerkung, "dass es keine Wahl gebe, mit 1000 Kalorien Demokrat zu werden, wenn man als Kommunist 1500 Kalorien bekäme" (271). Buckow arbeitet exemplarisch auch heraus, dass es durchaus Interdependenzen zwischen der Wahrnehmung des Ostens und der eigenen Politik im Westen gab.
In einem zweiten, wesentlich kürzeren Teil (Kapitel 7) befasst sich Buckow mit der konkreten Politik gegenüber der SBZ/DDR. Die Vereinigten Staaten entfalteten im Rahmen des "double containment" auch im Osten eine rege Propagandatätigkeit, wobei der Rundfunk als zentrales Propagandamittel diente. Da eine statistische Auswertung des Publikumsinteresses unmöglich war, registrierte man aufmerksam andere Formen der Resonanz, etwa die aus dem Osten eingehenden Leserbriefe oder die häufigen Besuche Ostdeutscher im RIAS-Sendegebäude in West-Berlin. Daneben finanzierten die USA auch Flugblätter, Lebensmittelpakete, Lesestuben an der Sektorengrenze oder antikommunistische Widerstandsgruppen. Die Jugend galt von Anfang an, analog zur US-Besatzungszone, als wichtige politische Gruppe. Der große Einfluss der FDJ schockierte die Beobachter daher umso mehr, etwa auf dem 1. Deutschlandtreffen im Mai 1950. Zum Weltjugendfestival 1951 in Ostberlin waren die Amerikaner besser vorbereitet: West-Berlin bot ein umfangreiches Kontrastprogramm mit freiem Kinoeintritt, Ausstellungen und Sportveranstaltungen. Seit Juni 1953 verstärkten die USA ihre Bemühungen um die ostdeutsche Jugend: Stipendien für die FU Berlin, Ferienlager und Reiseprogramme für verlängerte Wochenenden in West-Berlin zeigen, dass man analog zu den positiven Erfahrungen des Kulturaustausches im Westen nun zunehmend auch im Osten auf das unmittelbare Erlebnis westlicher Lebensformen setzte.
All diese Aktivitäten können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen: Die Politik der USA gegenüber der DDR war letztlich eine "Nicht-Politik" (12), im Vergleich zur Bundesrepublik war die DDR "ziemlich unwichtig" (465). George F. Kennans These, wonach Ostdeutschland rasch "abzuschreiben" und der westliche Teil aktiv in ein westliches Bündnis zu integrieren sei (471), fand unter den US-Spitzendiplomaten in Washington früh Anhänger. Zudem stand das Bild der SBZ/DDR in amerikanischen Regierungskreisen nach Kriegsende rasch fest und wandelte sich bis 1955 höchstens "in Nuancen" (15). Buckow kritisiert in diesem Zusammenhang zu Recht, dass die DDR in der Regel undifferenziert als völlig von der Sowjetunion beherrschter "Monolith" (102) wahrgenommen wurde. Ihr Vergleich der US-Berichte mit dem Forschungsstand zur Frühgeschichte der DDR belegt, dass die amerikanischen Experten ein insgesamt weitgehend zutreffendes Bild der allmählichen Sowjetisierung Ostdeutschlands lieferten. Allerdings wäre hier oftmals eine präzisere Einordnung in den Forschungskontext wünschenswert gewesen.
Angesichts des weitgehend statischen DDR-Bildes zwischen 1945 und 1955 und der äußerst geringen Bedeutung Ostdeutschlands für die amerikanische Deutschlandpolitik hätte die Arbeit von einer deutlichen Straffung profitiert, zumal sie letztlich der begrenzten Perspektive ihrer Akteure verhaftet bleibt und den Blickwinkel nicht weitet (etwa auf andere Personengruppen oder auf die Berichterstattung zu Vergleichsländern des Ostblocks). Die Darstellung auf 653 Seiten macht es dem Leser schwer, die Kernaussagen aus der Fülle der Details zu filtern. Die vielen ähnlichen Zitate zu einzelnen Sachthemen bringen zudem kaum neue inhaltliche Erkenntnisse. Davon aber abgesehen, bietet die Studie einen quellenfundierten, materialreichen Blick hinter die Kulissen der amerikanischen Diplomatie gegenüber der SBZ/DDR.
Ellen Latzin