Rezension über:

Deniz Burcu Erciyas: Wealth, Aristocracy and Royal Propaganda under the Hellenistic Kingdom of the Mithridatids in the Central Black Sea Region of Turkey (= Colloquia Pontica; Vol. 12), Leiden / Boston: Brill 2006, xxiii + 210 S., 86 fig., ISBN 978-90-04-14609-9, EUR 119,00
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Rezension von:
Erich Kettenhofen
Fachbereich III, Universität Trier
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Erich Kettenhofen: Rezension von: Deniz Burcu Erciyas: Wealth, Aristocracy and Royal Propaganda under the Hellenistic Kingdom of the Mithridatids in the Central Black Sea Region of Turkey, Leiden / Boston: Brill 2006, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 5 [15.05.2006], URL: https://www.sehepunkte.de
/2006/05/9986.html


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Deniz Burcu Erciyas: Wealth, Aristocracy and Royal Propaganda under the Hellenistic Kingdom of the Mithridatids in the Central Black Sea Region of Turkey

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Als 12. Band der Reihe Colloquia Pontica liegt die Arbeit einer türkischen Wissenschaftlerin vor, die auf ihrer 2001 an der University of Cincinnati eingereichten Dissertation basiert. Das Buch hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Das Hauptgewicht liegt auf einer 1995 entdeckten Grabanlage aus der Küstenstadt Samsun (in der Antike: Amisos) mit fünf Gräbern (vgl. 69, Fig. 18). Deren Ausmaße und Beschaffenheit, vor allem aber die dort gefundenen Gegenstände werden von der Autorin sorgfältig beschrieben und in zahlreichen Aufnahmen in schwarz-weißer Farbe anschaulich dokumentiert; auch das umfangreiche Vergleichsmaterial, das sie vorlegt, kann ikonografisch überzeugen. Erciyas datiert die Grabanlage in die frühhellenistische Epoche, in die Zeit zwischen dem letzten Drittel des 4. Jahrhunderts und der 1. Hälfte des 3. Jahrhunderts v.Chr. (so 111), und meint, dass die hier bestattete Familie zur reichen Oberschicht von Amisos gerechnet werden darf (113). Sie schließt daraus, dass Amisos schon in dieser Zeit bedeutende Handelsaktivitäten mit dem restlichen Anatolien und 'vielleicht mit dem Osten' besaß (115). [1] Der Fund ist zweifellos - in Anbetracht der Quellenarmut der frühhellenistischen Epoche - beeindruckend und wird zum ersten Male 'im Westen' publiziert, wie der Herausgeber der Reihe, Gocha R. Tsetskhladze, betont (VII). Wenn dieser im Vorwort vermerkt, dass Erciyas 'alles verfügbare Quellenmaterial zusammengetragen hat, um ein möglichst klares Bild der zentralen Schwarzmeerregion in der hellenistischen Zeit' zu zeichnen (VII), so ist dies schwerlich hier gelungen. Bescheidener formuliert die Autorin im letzten Satz, sie hoffe, sie habe "the building blocks" geliefert für die zukünftige Forschung dieser Randzone (182). Neben der Grabanlage zählt zu diesen "building blocks" das Monument Mithradates' VI. auf Delos, das bereits von F. Chapouthier 1935 im Rahmen der Beschreibung des Heiligtums der Götter von Samothrake behandelt wurde (134-146). Seine Behandlung fällt allerdings weit aus dem pontischen Schwarzmeergebiet, dem das Hauptinteresse des Werkes gelten sollte.

Das Buch ist nach der Einführung und der Beschreibung der Methodenanalyse (Kap. 1: 1-8) in drei Kapitel eingeteilt, denen "conclusions" als 5. Kapitel (175-182) sich anschließen. Kap. 2 beschreibt das 'hellenistische Königtum der Mithradatiden' in einer 'kurzen Geschichte der Mithradatiden' (9-17), die bereits von B. McGing übersichtlicher und zudem gehaltvoller in seiner Arbeit über die Außenpolitik Mithradates' VI. vorgestellt wurde [2], sowie 'Leben und Politik Mithradates VI.' (17-28). Auf diesem knappen Raum kann nur bereits längst Bekanntes wiederholt werden.

In Kapitel 3, umschrieben "Wealth in the City" (29-120), holt die Autorin weit aus, wenn sie mit der Epoche der griechischen Kolonisation der südlichen Schwarzmeerküste beginnt (29-36). Ausführlicher werden die hellenistischen Städte der Region behandelt (36-62), aber auch hier liegt in Bithynia and Pontus aus der Feder von D. Wilson eine vorzügliche Landeskunde vor, über die Erciyas nicht hinauskommt. [3] Viele Einzelzeugnisse hatte auch bereits T. R. S. Broughton vorgelegt, allerdings mit einer größeren Gewichtung auf der römischen Kaiserzeit. [4] Einer kurzen Beschreibung von Amisos (Kap. 3. B 3: 62-67) folgt dann in B. 4. die Beschreibung des oben genannten Fundes (67-115), die damit fast 28 Prozent des Textvolumens des Buches einnimmt. Unorganisch schließt sich eine Beschreibung der pontischen Münzprägestätten unter Mithradates VI. an (115-120). [5] Die Klassifikation der pontischen Bronzeprägung folgt derjenigen F. Imhoof-Blumers aus dem Jahre 1912. F. de Callatay hat jüngst die Chronologie überprüft und ist zu abweichenden Ergebnissen gelangt. [6]

Kapitel 4 richtet unter dem Titel "Wealth and Propaganda beyond the City" (121-173) den Blick über 'die Stadt' hinaus. Erciyas trägt hier in fünf Abschnitten wichtige Aspekte der Herrschaft des pontischen Königs zusammen, entfernt sich von der Zielsetzung der Arbeit, wie sie der Herausgeber beschreibt (VII), dabei in beträchtlichem Maße. Im ersten Abschnitt (The Recognition of the Mithradatic Family in the Aegean and the Royal Coins of the Pontic Kings; 121-134) weitet sie den Blick auf die Vorgänger Mithradates' VI. im pontischen Königtum; ansonsten sind die Abschnitte einzelnen Problemfeldern der Herrschaft Mithradates' VI. gewidmet. So untersucht sie Ehreninschriften (122-125), "Royal Coins of the Pontic Kings" (125-134) wie auch das schon erwähnte Monument für Mithradates VI. auf Delos (Chapter 4. B. 134-146), Portraits Mithradates' VI. (146-162), wo Fragen der Zuweisung von Büsten an Mithradates methodisch nicht ausgeklammert werden dürfen, von der zentralen Fragestellung des Buches jedoch weit wegführen. Es folgen Darlegungen zur Münzpolitik Mithradates' VI. im gesamten Schwarzmeergebiet (162-166) sowie zu Münzhortfunden im Mittelmeergebiet (bis in den Kaukasus), wo pontische Münzen entdeckt wurden; der chronologische Rahmen ist hier allerdings wieder sehr weit gespannt.

Liest man das 5. Kapitel (Conclusions: 175-182), so rückt die "central Black Sea region" (VII) erneut stärker in den Focus des Lesers, hier wiederum der Fund der Grabanlage in Samsun, woraus Erciyas eine 'soziale Komplexität in den Städten der Schwarzmeerregion der Türkei' folgert. Er belegt - darin ist ihr sicherlich zuzustimmen - 'die Art des Reichtums, zu dem die Aristokratie dieser Stadt in der frühhellenistischen Zeit [7] Zugang hatte'; darin sieht sie einen wertvollen Beleg für die steigende Bedeutung der Städte an der südlichen Schwarzmeerküste schon zwei Jahrhunderte vor der Regierung Mithradates' VI. (181).

Die Publikation des Fundes und die vergleichende Interpretation der in der Grabanlage gefundenen Objekte ist zweifellos ein Verdienst der Verfasserin, die in einem längeren Aufsatz hätten vorgestellt werden können. Ein einheitliches, klares Konzept fehlt meines Erachtens. Bei der Lektüre des Buches verstärkte sich mir der Eindruck, dass zeitlich wie räumlich disparate Themata um diesen Abschnitt (67-115) gruppiert wurden, um ihn als selbstständige Monografie vorlegen zu können, deren exorbitant hoher Preis in einem krassen Missverhältnis steht zu eklatanten Mängeln in der Gestaltung des Buches. Wer Landschaftsaufnahmen genießen will, blicke in Zaberns Bildband zur Archäologie, den Christian Marek über Pontus et Bithynia vorgelegt hat. [8] Fig. 6 und Fig. 17 sind in großem Maßstab gezeichnet, sodass 370 Toponyme nur - in kaum lesbarer Form - mit Zahlen gekennzeichnet sind, die im Appendix (181-188) aufgelistet werden müssen. Ebenso ärgerlich sind die Münzen auf den Plates I-III dokumentiert, die z. T. selbst mithilfe einer Lupe unkenntlich bleiben (vgl. Pl. I 4 und I 5; Pl. III 9-13); ihre Beschreibung findet sich getrennt auf den Seiten XVIII-XX. [9] Auch hier zeigt der erwähnte Bildband, was technisch möglich ist. [10] In der Bibliografie (189-204) sind lediglich englische und türkische Titel korrekt geschrieben, bei französischen und deutschen Titeln sind zahllose Fehler zu beanstanden. Wie mag es um die Auswertung von Beiträgen stehen mit Schreibungen wie "von den Anfengan bis zur Zeit der Achaemeniden" (198) oder "Feschrift fur Franz Altheim" (202)?

Bei russischen Titeln, die sämtlich in englischer Übersetzung zitiert werden, ist nur gelegentlich "in Russian" hinzugefügt. Aufsätze aus der Zeitschrift Vestnik Drevnej Istorii (VDI) sind in unterschiedlicher Form zitiert (vgl. etwa die beiden Titel Golenko 1966 und 1969 sowie den Titel Saprykin 1979a). Gelegentlich tauchen auch Beiträge auf, wo nur die Anfangsseite zitiert wird. Deren Titel sind aus der Monografie von B. C. McGing übernommen, der in dieser Form konsequent seine Bibliografie gestaltet hat. [11] Es fehlen auch zahlreiche im Buch zitierte Arbeiten (so etwa Winter 1894: 148 Anm. 35; French 1995: XIII; Smith 1988, ein sehr häufig zitiertes Werk; French 1988b: 41 Anm. 16 sowie 57; Gruen: 121; Robert 1966: 135 Anm. 18). Vermissen wird man für die behandelte Thematik: O. P. Doonan, Sinop Landscapes: Exploring Connections in a Black Sea Hinterland, Philadelphia 2004. Ein ausführlicher Index (205-210) beschließt die Monografie; auf ein Stellenregister ist hingegen verzichtet worden.

Die Schreibung mancher griechischen Vokabel ist ungewöhnlich, so dunasteia (10), uparchos (25), suntrophos (140), ärgerlich Pontos Euxenios (29) für Pontos Euxeinos. Stellenangaben (so 48 Anm. 21; 50 Anm. 27) sind nicht immer korrekt, griechische Textpassagen nicht korrekt wiedergegeben (64 Anm. 42 und 43) bzw. übersetzt (so 37 monuments of the king für mnēmata basileō n). Weitere Versehen müssen hier unerwähnt bleiben. Dieses Werk ist, das sei abschließend in aller Deutlichkeit gesagt, kein Ruhmesblatt für die Reihe Colloquia Pontica wie für den renommierten Verlag.


Anmerkungen:

[1] Bei den Zitaten in einfachen Anführungszeichen handelt es sich um Übersetzungen des Rezensenten.

[2] B. C. McGing: The Foreign Policy of Mithridates VI Eupator King of Pontus (= Mnemosyne, Supplementum 89), Leiden 1986, 13-42.

[3] Auf der Basis seiner unpubliziert gebliebenen Dissertation aus dem Jahr 1960 beschrieb D. Wilson Bithynia and Pontus im Rahmen des von A. H. M. Jones herausgegebenen Standardwerkes The Cities of the Eastern Roman Provinces, 2. Aufl., Oxford 1971, 147-173.

[4] T. R. S. Broughton: Roman Asia, in: T. Frank (ed.): An Economic Survey of Ancient Rome IV, Baltimore 1938, 591-950.

[5] Erciyas begründet (115) die Behandlung des Themas an diesem Ort folgendermaßen: "The wealth of Amisos must have continued into the reign of Mithradates VI, evident in its prominent role of minting large quantities of coins".

[6] Coins and Archaeology: the (Mis)use of Mithradatic Coins for Chronological Purposes in the Bosporan Area, in: V. F. Stolba / L. Hannestad: Chronologies of the Black Sea Area in the Period c. 400 - 100 BC, Aarhus 2005. Erciyas weist in einer Besprechung des Kongressbandes selbst (URL: http://ccat.sas.upenn.edu/bmcr/2005/2005-09-70.html) auf die Relevanz des Beitrages hin, ohne dies in ihrer Monografie indes zu berücksichtigen.

[7] Erciyas spricht allerdings (181) vom "people of Amisos".

[8] Christian Marek: Pontus et Bithynia. Die römischen Provinzen im Norden Kleinasiens, Mainz am Rhein 2003.

[9] Pl. I, Nr. 32 und 35 sind zudem vertauscht.

[10] Vgl. dort etwa Abb. 59-63b auf Seite 42: Münzen, im Maßstab vergrößert, mit jeweiliger Beschreibung und Inventarnummer.

[11] Vgl. McGing 180-189 und dazu etwa die von Erciyas zitierten Arbeiten von Glew 1977b, Glew 1981; Hardie, Krahmer, Leaf, Neverov 1973 und 1976, Oikonomides 1958, Robert 1960 und 1978, Salomone Gaggero ( Puldeva statt korrekt Pupuldeva ), Saprykin 1979a, Shelov 1962 und 1980, Wilhelm.

Erich Kettenhofen