Rezension über:

Elisabet Enß: Holzschnitzereien der spätantiken bis frühislamischen Zeit aus Ägypten. Funktion und Dekor (= Spätantike - Frühes Christentum - Byzanz. Kunst im ersten Jahrtausend. Reihe A: Grundlagen und Monumente; Bd. 13), Wiesbaden: Reichert Verlag 2005, 246 S., 226 Tafeln, ISBN 978-3-89500-398-1, EUR 178,00
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Rezension von:
Martin Dennert
Christliche Archäologie und Kunstgeschichte, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg/Brsg.
Redaktionelle Betreuung:
Ute Verstegen
Empfohlene Zitierweise:
Martin Dennert: Rezension von: Elisabet Enß: Holzschnitzereien der spätantiken bis frühislamischen Zeit aus Ägypten. Funktion und Dekor, Wiesbaden: Reichert Verlag 2005, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 7/8 [15.07.2006], URL: https://www.sehepunkte.de
/2006/07/10142.html


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Elisabet Enß: Holzschnitzereien der spätantiken bis frühislamischen Zeit aus Ägypten

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Die Kunst des spätantiken Ägypten erfreut sich in den letzten Jahren vermehrt des Interesses auch der deutschsprachigen Christlichen Archäologie. [1] Innerhalb dieses Forschungsgebietes bildet das vorliegende Buch eine erfreuliche Erweiterung.

Dank des trockenen Klimas blieben im Sandboden Ägyptens große Mengen an Holzobjekten erhalten, eine Materialgruppe, die uns in anderen Teilen des Mittelmeerraumes weitgehend fehlt. In ihrem Buch, einer überarbeiteten Bonner Dissertation (2002), beschäftigt sich Elisabet Enß mit einem Teilbereich, nämlich Holzarbeiten spätantiker und frühislamischer Zeit, die in der Architektur oder als Teile von Möbeln Verwendung fanden. Kleinere Gebrauchsgegenstände, wie sie ebenfalls zahlreich vorhanden sind, werden ausgenommen.

Nach einer kurzen Einleitung und Aufzählung des Forschungsstandes folgen Kapitel zu Provenienzen, Datierung, Holzarten, Technik, Funktion, Dekor, Ornament, Stil und Ikonografie, ohne dass auf alle davon hier eingegangen werden kann.

Den Hauptteil der Arbeit bildet eigentlich der Katalog (103-227) mit 429 plus 32 Katalognummern. Er kann nicht hoch genug gewürdigt werden, hat die Verfasserin doch den größten Teil der Stücke in Autopsie gesehen; wo dies nicht der Fall ist, wird es eigens vermerkt. Vollständigkeit dürfte soweit wie möglich erreicht sein, wobei sich sammlungsgeschichtlich bedingt die Hauptmasse der Objekte in den Museen von Athen, Berlin, Kairo und Paris befindet. Aufgenommen sind auch zahlreiche bisher unpublizierte Stücke. Die technischen Angaben und Beschreibungen sind knapp und präzise auf das Wesentliche beschränkt. Der Tafelteil vereinigt auf opulenten 226 Tafeln Abbildungen aller Katalognummern, z. T. in mehreren Ansichten, sowie zahlreiche Vergleichsstücke.

Nur knapp 40% des Materials haben eine gesicherte Herkunft, der Rest gelangte ohne Angabe der Provenienz in Sammlungen. Noch weniger stammen aus gut dokumentierten Ausgrabungen. Die größte Gruppe kommt aus Bawit, einem Kloster in Mittelägypten, wobei auch hier der genaue Kontext oft nicht bekannt ist.

Grundlagen der Datierung (19-21) könnten die Fundzusammenhänge sein, doch sind diese meist nicht bekannt oder selbst nicht sicher genug datiert. Naturwissenschaftliche Datierungsmethoden wie die Dendrochronologie oder die 14C-Methode können nicht angewandt werden, da für die verwendeten Holzarten im Raum Ägypten noch keine Jahresringkurven vorliegen; eine 14C-Datierung erwies sich im Rahmen einer Dissertation als zu aufwändig und teuer. Auch der stilistische Zugang bleibt verwehrt, gibt es doch nur ein einziges inschriftlich datiertes Stück, einen Fries aus Kairo, datiert 734/5 (Kat. 133). Die Verfasserin zieht die etwas unbefriedigende, aber wohl methodisch richtige Konsequenz, bei den Stücken im Katalogteil auf eine Datierung zu verzichten. Es ließen sich anscheinend keine Kriterien aufstellen, die bei den meisten Stücken eine engere Datierung als "4.-8. Jahrhundert" zulassen.

Ein erstes Hauptkapitel bilden die Überlegungen zur Funktion der Stücke (28-52). Hier gelingt es der Verfasserin durch genaue eigene Beobachtungen sowie die Auswertung der wenigen Fundzusammenhänge, die Verwendung praktisch aller Stücke sicher nachzuweisen. Zu erwähnen sind als Hauptgruppen insbesondere dekorierte Architekturbalken, dekorierte Friese und Platten, die ins Mauerwerk eingelassen wurden - anscheinend eine Spezialität Ägyptens -, sowie Türen und Möbelteile. Etwas ermüdend wirkt dann das zweite Hauptkapitel zum Dekor (53-81), in dem alle Stücke in der Reihenfolge ihrer Funktion noch einmal nach ihrer Dekoration untersucht werden. Dieses Vorgehen kann nicht als besonders glücklich angesehen werden, werden doch z. B. Tierdarstellungen neben diversen kurzen Bemerkungen auf S. 61, 71 und 75-78 ausführlich diskutiert, je nachdem, auf welcher Art von Holzgegenstand sie erscheinen. Dies lässt kein Gesamtbild der möglichen Bilderwelt eines einzelnen Komplexes entstehen. Auch das Kapitel zur Ikonografie (91-100) hilft hier nicht weiter, besteht es doch mehr aus Tabellen und Statistiken, als dass es Zusammenhänge erkennen ließe.

Hervorzuheben ist aber sicherlich, das die Mehrzahl der Stücke rein ornamental dekoriert sind, bei zahlreichen weiteren das Ornamentale durch Tierdarstellungen erweitert wird, und nur auf etwa 15% der Schnitzereien menschliche Figuren dargestellt sind, die meist aber nicht näher zu identifizieren sind. Lediglich in 11 Fällen ist eine christliche Benennung möglich. So weisen fünf Objekte eine Darstellung Christi zwischen den Aposteln auf, bemerkenswert ist außerdem die Neuinterpretation einer Szene von der Tür der Kairener Sitt Barbara-Kirche als Thomaszweifel durch die Autorin.

Im Verlauf der Untersuchung zieht die Autorin immer wieder Beispiele aus anderen Gattungen der Kunst im spätantiken Ägypten zum Vergleich heran, etwa der Steinplastik, der Malerei oder der Textilkunst. Dies zeigt teilweise interessante Querverbindungen auf, so etwa in Bezug auf Friesmuster, die in Bawit sowohl in Schnitzerei, in der Steinplastik und der Malerei aufkommen (102). Diese Beobachtungen werden dann aber nicht weiter ausgewertet, etwa im Hinblick auf die Frage nach Werkstattorganisation oder Musterbüchern.

Die kleinteilige Arbeit der Verfasserin legt ein bisher kaum bekanntes Material strukturiert vor und wird als Grundlage für diese Gattung sicher zum Standardwerk werden. Das Buch kann als Baustein einer zukünftigen Kunstgeschichte des spätantiken Ägypten dienen.


Anmerkung:

[1] Genannt seien nur die wichtigsten drei jüngeren Werke auf den Gebieten der Architektur, Steinplastik und Textilien: Peter Grossmann: Christliche Architektur in Ägypten, Leiden u. a. 2002; Kirsten Krumeich: Spätantike Bauskulptur aus Oxyrhynchos. Lokale Produktion - äußere Einflüsse, Wiesbaden 2003; Sabine Schrenk: Textilien des Mittelmeerraumes aus spätantiker bis frühislamischer Zeit. Die Textilsammlung der Abegg-Stiftung 4, Riggisberg 2004.

Martin Dennert