Felicitas Schmieder: Die mittelalterliche Stadt (= Geschichte kompakt), Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2005, VII + 152 S., ISBN 978-3-534-15134-9, EUR 14,90
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Mit diesem Band greift die Reihe "Geschichte kompakt" ein weiteres zentrales Thema von Studium und Forschung im Bereich der mittelalterlichen Geschichte auf, für das es keinen kurz gefassten Gesamtüberblick neueren Datums gab. Angesichts der unterschiedlichen Ausprägungen des Phänomens Stadt, das keine einheitliche Beschreibung zulässt, und der Fülle von Aspekten, unter denen es betrachtet werden kann, musste die mit eigenen Forschungsarbeiten in der Stadtgeschichte gut ausgewiesene Autorin Schwerpunkte setzen. Sie entschied sich zum einen dafür, im Zusammenhang mit der Frage der Definition von Stadt zunächst auf die antike Stadtkultur im Mittelmeerraum und auf deren Erben, die byzantinische und die islamische Stadt, einzugehen. Zum anderen legt sie mehr Gewicht auf die Entstehung von Städten und die Ausprägung städtischer Rechts- und Verfassungsstrukturen im Hochmittelalter als auf die Ausdifferenzierung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens in spätmittelalterlichen Städten, zumal für Letzteres mit Eberhard Isenmanns "Deutsche Stadt im Spätmittelalter" ein umfassendes Handbuch vorliegt. [1]
Anhand eines Blicks auf die ältesten Stadtkulturen des Alten Orients kontrastiert die Verfasserin einleitend die nur scheinbar eindeutigen Vorstellungen von "Stadt" mit den Schwierigkeiten und Grenzen einer allgemein gültigen Definition. Fortgeführt wird diese vergleichende Reflexion in einem kurzen ersten Kapitel über die Vorgeschichte der mittelalterlichen Stadt mit einem Überblick über antike, byzantinische und islamische Städte. Das zweite Kapitel behandelt die Entstehung von Siedlungen und Städten im deutschen Reich und fragt nach Kontinuitäten und Neuanfängen, Konzepten und topografischen, wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Bedingungen. Konkrete Beispiele geben eine Vorstellung von unterschiedlichen Wurzeln, Entwicklungen und Funktionen einzelner Städte und ihrer Zuordnung zu den von der Forschung gebildeten Stadttypen. Begriffe, deren Kenntnis in anderer Fachliteratur oft vorausgesetzt wird, sind den Konventionen der Reihe entsprechend in optisch hervorgehobenen Absätzen erklärt; nicht ganz in diesem Sinn wird diese Kennzeichnung bisweilen auch für kurze historische Abrisse zu einzelnen Städten eingesetzt. Quellenzitate, die in dieser Reihe in grau hinterlegten Kästchen hervorgehoben werden, finden sich hauptsächlich im dritten Kapitel, das unter der Überschrift "Stadt und Herrschaft" vor allem die Herausbildung städtischer Freiheiten und Rechte behandelt. Dafür werden zunächst demografische sowie religiöse und soziale Voraussetzungen und die Entwicklungen in Italien, Nordfrankreich und Flandern erläutert. Im Zentrum steht sodann die kommunale Entwicklung der rheinischen Städte, gefolgt von einem Abschnitt zu Gründungsstädten. Zum Abschluss dieses Kapitels werden die Typen Königsstadt / Reichsstadt, Territorialstadt und Kleinstadt anhand von Beispielen in ihrer Entwicklung vorgestellt, wobei die kleinen Städte zusammen mit dem Phänomen "Stadtrechtsfamilien" in einem kurzen Abschnitt abgehandelt werden, der ihrer zahlenmäßigen Bedeutung nicht gerecht wird. Das vierte Kapitel verfolgt die Emanzipation der Bürger vom Stadtherrn weiter ins Spätmittelalter und bleibt damit hauptsächlich bei Fragen von Recht und Verfassung. Ein eigener Abschnitt ist dem symbiotischen Verhältnis von Stadt und Kirche gewidmet, einschließlich der Bedeutung der Kirche für Schriftlichkeit, Bildung und Sozialfürsorge. Etwas unbefriedigend erscheint ein Abschnitt dieses Kapitels, in dem unter der Überschrift "Städtische Herrschaft - Herrschaft der Stadt" und der Unterüberschrift "Obrigkeit, Verwillkürung und Polizei" dann Brücken, Brunnen und - die gewiss nicht unwichtige - Ratsgesetzgebung zur Schweinehaltung herausgegriffen werden. Anschließend finden sich noch zwei kurze Unterkapitel zum Verhältnis Stadt-Umland und zum Thema Städtebünde. Ein Resümee gibt es nicht. Die Rezensentin kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass am Schluss noch gewaltig gekürzt werden musste, um den Umfang einzuhalten. Diesem Druck sind wohl auch die oft sehr kompakten und langen Sätze mit Klammern und Parenthesen geschuldet, die die Lektüre nicht immer leicht fließen lassen und einen Anfänger vielleicht überfordern. Eine Kürzung hat vielleicht auch aus der Verpflichtung der Freien Städte zu Romhilfe für den Kaiser (für den Romzug zur Kaiserkrönung) die Aussage werden lassen, dass die Reichsstädte "nur Rom Hilfe leisteten" (82). Das Literaturverzeichnis ist den Zielsetzungen der Reihe entsprechend knapp gehalten, Anmerkungen sind nicht vorgesehen; manche Erwähnung von Forschungsthesen im Text lässt sich deshalb nicht zuordnen, mehrfach aber wird ein Name in Klammern angegeben. Ein Namenregister (Städte, Landschaften und Personen) beschließt den Band.
Das Phänomen Stadt im Mittelalter auf 150 Seiten gedrängt auf dem Stand der Forschung vorgestellt zu haben ist eine respektable Leistung der Autorin. Besonders gut gelungen erscheint die Verbindung von konkreten Beispielen mit Ausführungen zur allgemeinen Entwicklung, die eine gute Vorstellung davon vermittelt, dass die Forschung zwar ein Bündel von Kriterien namhaft machen kann, die eine Stadt ausmachen, dass aber gerade deren unterschiedliche und lückenhafte Verwirklichung auch unter ganz verschiedenen Bezeichnungen in einzelnen Städten typisch ist für das Mittelalter.
Anmerkung:
[1] Eberhard Isenmann: Deutsche Stadt im Spätmittelalter 1250-1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Stuttgart 1988.
Gertrud Thoma