Rezension über:

Johannes Laudage: Die Salier. Das erste deutsche Königshaus (= C.H. Beck Wissen; Bd. 2397), München: C.H.Beck 2006, 128 S., ISBN 978-3-406-53597-0, EUR 7,90
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Knut Görich: Die Staufer. Herrscher und Reich (= C.H. Beck Wissen; Bd. 2393), München: C.H.Beck 2006, 128 S., ISBN 978-3-406-53593-2, EUR 7,90
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Rezension von:
Christian Hillen
Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln
Redaktionelle Betreuung:
Christine Reinle
Empfohlene Zitierweise:
Christian Hillen: Salier und Staufer (Rezension), in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 9 [15.09.2006], URL: https://www.sehepunkte.de
/2006/09/10351.html


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Salier und Staufer

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In der heutigen Zeit des Pisa-Schocks und der Bildungsmisere, aber auch der Quiz-Shows und Wissensmagazine in den Medien, kommt es scheinbar immer mehr auf Wissen an: Fakten, Fakten, Fakten, um den Werbespruch eines bekannten deutschen Printerzeugnisses zu zitieren. Dieser Nachfrage kommt der Beck-Verlag aus München seit einiger Zeit mit seiner "Wissen"-Reihe nach. In standardisiertem Format mit standardisiertem Layout wird dem Publikum in kurzer, knapper Form "Wissen" aus dem Bereich der Geschichtswissenschaften geboten. Mit den frisch erschienenen Werken von Laudage und Görich wird die Reihe um zwei Themen aus der mittelalterlichen deutschen Geschichte bereichert.

Bereichert ist dabei wirklich wörtlich zu nehmen, denn wer gedacht hat, in solchen Büchlein, die in jeder Bahnhofsbuchhandlung zwischen Computer-Zeitschriften und Kitschromanen angeboten werden, könne nichts Gehaltvolles stehen, der wird auf eine angenehme Art enttäuscht werden. Die beiden Autoren bürgen als hervorragende Kenner ihres jeweiligen Themengebietes alleine schon für Qualität. Es gelingt Ihnen aber auch in geradezu beispielhafter Weise, den doch recht umfänglichen Stoff gut lesbar, leicht verständlich, ja geradezu leichtfüßig auszubreiten.

Beide orientieren sich - dies ist bei der Themenstellung auch nur schwer anders zu bewerkstelligen - an einer chronologischen Darstellung des jeweiligen deutschen Herrschergeschlechts. Die politischen Großereignisse werden nach heutigem Forschungsstand geschildert, so dass es auch dem historischen Laien ein leichtes ist, dem manchmal verwirrenden Gang der Geschichte zu folgen. Der Umfang des Buchs zwingt die Autoren zur Knappheit, gelegentlich sogar zur Oberflächlichkeit, was aber wiederum nur dem "Experten" auffällt. Die Darstellungen werden ergänzt durch Kartenmaterial sowie Stammbäume, im Falle des Salier-Bändchens sogar um Bilder.

Soweit unterscheiden sich die beiden Werke noch nicht von einer Reihe anderer populärer Geschichtsbücher. Was die beiden Bände jedoch über diese Art von Publikationen und ein bloßes Faktenwissen hinaus so wertvoll macht, ist die Einbettung in den Forschungsstand, die Deutung der Ereignisse oder gar des ganzen Zeitalters betreffend. Der Versuch, historischen Laien nahe zu bringen, dass die Beurteilung eines vergangenen Zeitalters immer vom gerade geltenden "Forschungsparadigma" abhängt, wird nicht oft unternommen und gelingt noch seltener. Laudage und Görich ist es aber durch ein Einführungs- und Schlusskapitel gelungen. Dort breiten sie aus welche Interpretationsansätze es gebeben hat und welcher "Meister-Erzählung" - wenn man es so nennen will - sie folgen.

Laudage sieht in der salischen Herrschaft eine fast schon permanente Krisenzeit. In diesem Jahrhundert der salischen Herrschaft sei ein beschleunigter Wandel zu verzeichnen, der das Ende der "charismatisch-autokratischen Herrschaft" (117) heraufbeschwor. Die Salier versuchten sich vergebens diesem Wandel in den Weg zu stellen. Sie kämpften gewissermaßen beständig gegen den Abstieg.

Görich interpretiert das staufische Jahrhundert entlang der Linie, die er durch seine Habilitation zur Ehre Barbarossas vorgegeben hat [1], nämlich den Ehrkonflikten und ihre Bedeutung für die Herrschaftstechnik und das Herrschaftssystem mittelalterlicher deutscher Könige. Immer wieder nimmt er den Leser an die Hand und demonstriert ihm, wie dieses oder jenes Ereignis mit einem Ehrkonflikt erklärt werden kann. So werden die kompliziert und für heutige Begriffe merkwürdig anmutenden Rituale in ein neues Licht gerückt und ergeben plötzlich auch einen neuen Sinn, der auch dem Nicht-Mediävisten einleuchtet.

Ergänzt und unterstützt werden die Erläuterung der beiden Autoren durch Auswahlbibliographien (im Falle von Laudage zusätzlich noch kommentiert), die ganz im Sinne dieser interpretativen Vermittlung historischen Wissens auf die entsprechend zu konsultierenden Werke hinweisen.

Fakten, Fakten, Fakten sind nicht alles. Narrative Darstellung und Wiedergabe von Quellen ist keine Geschichtswissenschaft, jedenfalls keine moderne. Wissen besteht auch aus Wissen um die Einordnung und Interpretation historischer Vorgänge in einen breiteren Kontext und vor allem in einen Forschungskontext. Laudage und Görich gelingt es, dies in der gebotenen Knappheit konzise zu demonstrieren und für Laien verständlich zu machen. Man kann nur wünschen, dass diese sich auch dafür interessieren und dass die beiden Bändchen eine weite Verbreitung finden.


Anmerkung:

[1] Knut Görich: Die Ehre Friedrich Barbarossas. Kommunikation, Konflikt und politisches Handeln im 12. Jahrhundert (Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. Studien zur Geschichte, Literatur und Kunst), Darmstadt 2001.

Christian Hillen