Rezension über:

Pauline Gräfin von Spee: Die klassizistische Porzellanplastik der Meissener Manufaktur von 1764 bis 1814. http://hss.ulb.uni-bonn.de/diss_online/phil_fak/2004/spee_pauline/index.htm, Bonn: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität 2004

Rezension von:
Martin Eberle
Städtisches Museum Braunschweig
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Martin Eberle: Rezension von: Pauline Gräfin von Spee: Die klassizistische Porzellanplastik der Meissener Manufaktur von 1764 bis 1814. http://hss.ulb.uni-bonn.de/diss_online/phil_fak/2004/spee_pauline/index.htm, Bonn: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität 2004, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 10 [15.10.2006], URL: https://www.sehepunkte.de
/2006/10/9497.html


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Pauline Gräfin von Spee: Die klassizistische Porzellanplastik der Meissener Manufaktur von 1764 bis 1814

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Während die Porzellanplastik des Rokoko und des Jugendstils für die deutschen Manufakturen hervorragend untersucht ist, fehlte bislang eine entsprechende Darstellung der Porzellanplastik des Klassizismus. Die Arbeit von Pauline Gräfin von Spee schafft hier erstmalig eine Basis für zukünftige Forschungsvorhaben.

Gegenstand der Untersuchung sind die Porzellanplastiken der Meissener Manufaktur der Zeit um 1764 bis 1814, wobei allein die bedeutsamen Modelle in der Dresdner Porzellansammlung im Zwinger und die Sammlung im Depot der Meissener Porzellanmanufaktur berücksichtigt wurden: Arbeiten aus weiteren Museen oder in privaten Sammlungen fanden keinen Eingang in die Betrachtung. Nach einer Diskussion zum Forschungsstand und zu den kunsttheoretischen Grundlagen des Klassizismus wird die Entwicklung der Porzellanplastik anhand einzelner Beispiele maßgebliche Künstler anschaulich und detailreich untersucht. So gliedern sich die einzelnen Kapitel der Arbeit nach dem Schaffen von Künstlern wie Michel Victor Acier, Johann Joachim Kaendler (Spätwerk) oder Johann Carl Schönheit. Den biografischen Daten folgt im Kapitel jeweils die kunsthistorische Diskussion zum plastischen Schaffen. Als Unterkapitel und in Einschüben wird auf kulturgeschichtliche Veränderungen - wie etwa den Bedeutungs- und Funktionswandel des figürlichen Porzellans im untersuchten Zeitraum - oder wirtschaftliche Entwicklungen eingegangen. Den Abschluss bildet ein Ausblick auf die Entwicklung der Porzellanplastik nach 1814. Der Arbeit schließt sich dann ein hervorragend recherchierter, leider unbebildert gebliebener Katalog der 298 untersuchten Plastiken aus den Sammlungen in Dresden und Meißen an. Neben Titel, modellierendem Künstler und der Modelldatierung findet man hier die Formnummer, Maße und entsprechende Literaturverweise sowie eine eingehende Beschreibung und Einbettung der Plastik in das Schaffen des jeweiligen Künstlers.

Ist man mit der Kunst des Porzellans nur bedingt vertraut, so ist der Einstieg in die Arbeit zunächst beschwerlich. Statt der doch sehr erzwungenen Einbettung in den kunsttheoretischen Kontext des Klassizismus - ich denke, dass die Schriften Johann Joachim Winckelmanns nur bedingt bei der Betrachtung des Porzellans heranzuziehen sind - wäre es wünschenswert gewesen, die Einschübe und Unterkapitel zusammenzufassen und in einem allgemeinen Teil der Besprechung der Künstlerpersönlichkeiten voranzustellen. Die Krise, in der sich die deutschen Porzellanmanufakturen im untersuchten Zeitraum befanden, betraf nicht nur Meißen. Eine einführende Darstellung dieser Krise - bedingt durch die veränderten kulturgeschichtlichen Vorraussetzungen wie einer neuen Form der Tafelkultur, die neue Konkurrenz durch die englischen Steingutwaren, das Aufkommen der günstiger arbeitenden Thüringer Manufakturen, den Wandel ästhetischer Vorstellungen oder die technischen Veränderungen - wäre ebenfalls sinnvoll gewesen. Gleichzeitig hätte man an dieser Stelle auch aufzeigen können, wie sich die anderen Manufakturen gegenüber dem Klassizismus verhalten bzw. welche Gegenmaßnahmen diese während der aufkommenden Krise ergriffen. Gerade die kleineren Manufakturen wie Fürstenberg oder Höchst, vor allem aber auch die Thüringer Manufakturen, fanden andere - vielleicht auch zukunftsorientiertere - Lösungen. In Thüringen griff man so in der Porzellanplastik ausdrücklich bürgerliche Themen auf, in Fürstenberg widmete man sich früh der Porträtplastik aus Biskuitporzellan. Meißen blieb doch lange Zeit sehr stark der Konvention der eigenen Erfolgsgeschichte verbunden. Von besonderer Bedeutung wäre es auch gewesen, die Berliner Manufaktur in dieser Zeit etwas genauer zu betrachten, da hier engste künstlerische Bezüge zu Meißen nachgewiesen werden können, wo aber der preußische König zumindest bis 1788 die künstlerische Leistung persönlich überwachte. Dagegen scheint es mir diskussionswürdig, ob Sèvres damals wirklich so bedeutend für die Entwicklung der Porzellanplastik in Deutschland war, wie in der Arbeit an mehreren Stellen betont wird. Ebenso wäre es notwendig gewesen, in der Arbeit die Entwicklung des Gefäß-Porzellans in groben Zügen aufgezeigt zu sehen, das leichter die Stilentwicklungen des Klassizismus aufnehmen konnte und oft ein wichtiges Barometer für die künstlerische Weiterentwicklung an den einzelnen Manufakturen darstellt. Auch dies klingt in der Arbeit nur sporadisch an.

Wirklich bedenklich erscheint es mir aber, dass bisweilen auch die Staffierung (also die Bemalung) der Porzellanplastiken als Beleg für den Klassizismus angeführt wird. Die Staffierung ist hierbei oft vom Auftraggeber abhängig oder aber unabhängig von dem Modelleur den eigenen Leistungen der Malerabteilung verpflichtet. So fehlt weiterhin der Hinweis, ob die Staffierung der vorgestellten Plastiken auch in dem entsprechenden Zeitraum ausgeführt wurde. Diese Ergebnisse mögen mit viel Vorsicht zur Kenntnis genommen werden.

Trotz dieser hier angeführten geringfügigen Mängel ist vor allem hervorzuheben, dass sich Pauline Gräfin von Spee erstmals dieses Themas annimmt. So galt die Porzellanplastik dieser Zeit bislang in der Forschung - wenn überhaupt berücksichtigt - als kaum eigenständig und wurde überdeckt vom Schaffen des frühen und mittleren Johann Joachim Kaendler. Die sehr beschreibende, nüchterne und sachliche Herangehensweise der Autorin ist hervorzuheben, da Sie dem Betrachter einen neutralen Blick bei der Entdeckung der Porzellanplastik der Nach-Kaendlerzeit erlaubt. Dennoch tritt erfreulicherweise eine tiefe Leidenschaft der Autorin für die Porzellanplastiken zutage, so etwa, wenn sie zu einer Gruppe von Acier schreibt: "Die Figuren sind nun nicht mehr nur Statue, Allegorie oder Monument, sondern rührende Genreszenen, teils belehrend oder ironisch wie die Gruppe "La jeune fille qui à cassé ses oeufs" 1777, die den bürgerlichen Genrebildern des Biedermeiers vorausgreifen." In Wirklichkeit handelt es sich hier allerdings um ein Thema der Empfindsamkeit, das wohl nur mit aller Vorsicht mit dem Biedermeier zu vergleichen ist.

Im Rahmen der sehr sachlichen Gliederung nach Künstlern leistet die Autorin dreierlei: Zum einen wird das künstlerische Schaffen mit dem Lebenslauf verwoben, zum anderen können in einem ersten Ansatz die individuellen Eigenheiten herausgearbeitet werden, was gerade beim reifen Klassizismus höchst diffizil ist. Vor allem aber wird das Augenmerk des Lesers auf die einzelnen, heute meist in der Forschung zu Unrecht vergessenen, Künstler gelenkt. Abseits von den längst erforschten Namen wie Johann Joachim Kaendler oder Peter Reinicke entdeckt man nun auch Persönlichkeiten, die eine weitergehende Beschäftigung lohnen. Insofern bleibt sehr zu hoffen, dass die Arbeit von Pauline Gräfin von Spee zu einer weiteren Auseinandersetzung der Forschung mit der Porzellanplastik des Klassizismus führen wird.

Martin Eberle