Gerd Schwerhoff: Zungen wie Schwerter. Blasphemie in alteuropäischen
Gesellschaften 1200-1650, Konstanz: UVK 2005.
Das Blasphemieverbot ist eine klassische Norm, die niemals durchgesetzt
wurde. Schwerhoff untersucht die Gotteslästerung als performativen
Sprechakt und vermißt den Graben zwischen theologischer Dramatiseriung
und alltagsweltlicher Bagatellisierung des Delikts. Der Gegenstand ist
wie kaum ein anderer geeignet, eine ganze Reihe fundamentaler
Wandlungsvorgänge wie unter der Lupe zu betrachten: den Wandel der
religiösen Weltdeutung und der kirchlichen und weltlichen
Strafpraxis, die Herausbildung von Normkonkurrenzen und die sozial
distinktionsstiftende Rolle von Normen. Eine souverän
geschriebene, material- und ergebnisreiche, sehr scharfsinnige Studie.
Gerd Althoff: Heinrich IV., Darmstadt: WBG 2006.
Die Biographie entzaubert den König nachhaltig, indem sie die Vorwürfe
seiner Gegner einmal ernst nimmt und nicht von vornherein als klerikale
Verleumdungen abtut: Auch wenn nicht herauszufinden sei, ob sie im
einzelnen zutrafen oder nicht, so müsse man doch erklären, warum die
Zeitgenossen sie glaubwürdig fanden. Dabei zeigt sich nebenbei in
manchem entlarvenden Detail, wie lange die deutsche Mediävistik noch
Elemente des herrschaftsverklärenden Geschichtsbildes aus dem 19. Jh.
mitgeschleppt hat. Erstaunliches ergibt sich übrigens auch für die
Geschlechtergeschichte: Wo Heinrich von den Zeitgenossen der
Vergewaltigung beschuldigt wurde, deuteten Historiker das stets zu einem
Ehebruch der Frau um.
Volker Remmert: Widmung, Welterklärung und Wissenschaftslegitimation.
Titelbilder und ihre Wissen Funktionen in der wissenschaftlichen
Revolution, Wiesbaden: Harrassowitz 2005.
Dass Bilder als historische Quellen eine ganz neue Sicht auf die Dinge
ermöglichen können, zeigt Remmert in diesem Buch für die
Wissenschaftsgeschichte. Eine bibliophil ausgestattete, hochgelehrte und
zugleich überaus anschauliche Studie über die Titelkupfer
wissenschaftlicher Werke des 17. Jahrhunderts, die schlagend deutlich
macht, welch große Rolle visuelle Botschaften bei der Herausbildung der
neuen Wissenskultur spielten.
Aloys Winterling (Hg.): Historische Anthropologie, Stuttgart: Franz Steiner 2006.
Der erste Band einer neuen Reihe, die klassische Aufsätze zu
verschiedenen historischen Teildisziplinen versammelt und jeweils durch
eine informative Einleitung verbindet. In diesem Band geht es mit
der Historischen Anthropologie um eine Teildisziplin, deren methodische
Konturen besonders vage sind und über die durchaus
konkurrierende Vorstellungen kursieren. Ein disziplingeschichtlicher
Überblick, wie ihn Winterling in seiner klaren und präzisen
Einleitung liefert, ist deshalb besonders wertvoll.
Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt, Reinbek: Rowohlt 2005.
Nicht zufällig der einzige historische Roman, der für
die H-Soz-u-Kult-Bestenliste 2006 vorgeschlagen worden ist. Die großen
Geister der Wissenschaftsgeschichte um 1800 treten als verschrobene
Misanthropen in Erscheinung: wunderbar ironisch und dabei absolut sicher
in den historischen Details. Ein historischer Roman gerade für
diejenigen, die historische Romane eigentlich verabscheuen.