Rezension über:

Walter Lehmann: Die Bundesrepublik und Franco-Spanien in den 50er Jahren. NS-Vergangenheit als Bürde? (= Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte; Bd. 92), München: Oldenbourg 2006, 247 S., ISBN 978-3-486-57987-1, EUR 24,80
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Rezension von:
Sören Brinkmann
Friedrich-Alexander-Universität, Erlangen-Nürnberg
Redaktionelle Betreuung:
Peter Helmberger
Empfohlene Zitierweise:
Sören Brinkmann: Rezension von: Walter Lehmann: Die Bundesrepublik und Franco-Spanien in den 50er Jahren. NS-Vergangenheit als Bürde?, München: Oldenbourg 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 2 [15.02.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/02/11318.html


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Walter Lehmann: Die Bundesrepublik und Franco-Spanien in den 50er Jahren

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Gemessen an dem Interesse, das die Beziehungen zwischen dem 'Dritten Reich' und der Franco-Diktatur seit Beginn des Spanischen Bürgerkrieges im Juli 1936 auf sich gezogen hat, blieb das deutsch-spanische Verhältnis nach 1945 lange Zeit ein historiografisch unbeschriebenes Blatt. Gerade die gemeinsame Vergangenheit in Gestalt der gegenseitigen Waffenhilfe im vermeintlichen Abwehrkampf gegen den Bolschewismus sowie die internationale Abseitsstellung beider Staaten im Nachkriegseuropa sollte jedoch Grundlage sein für eine politische Annäherung, deren Höhepunkte bereits in den Arbeiten von Carlos Collado Seidel und Birgit Aschmann zur Sprache gekommen sind. [1] Die Studie von Walter Lehmann erweitert dieses Panorama vor allem thematisch, etwa mit Blick auf die Wirtschaftsbeziehungen, bleibt in chronologischer Hinsicht aber ebenfalls auf die 50er-Jahre beschränkt. Der Blick liegt dabei auf der deutschen Seite, die zunächst nur ein geringes Interesse an Spanien hegte. In der Anfangsphase ging es demnach vor allem um die Wiedergewinnung beschlagnahmten deutschen Vermögens. Die sich fast über die gesamten 50er-Jahre hinziehenden Verhandlungen sollten dann aber in der sich verändernden internationalen Konstellation zum Ausgangspunkt für die deutsche Initiative werden, Spanien in den europäischen Einigungsprozess mit einzubeziehen. Ideologisch rückgebunden in der damals in katholisch-konservativen Kreisen populären Idee eines christlichen Abendlandes avancierte die Adenauer-Regierung zum Fürsprecher einer spanischen EWG-Mitgliedschaft. Damit allerdings geriet sie in deutlichen Gegensatz zu ihren westeuropäischen Partnern, für die eine europäische Integration des franquistischen Spanien ebenso wie eine NATO-Mitgliedschaft aus politischen Gründen nicht infrage kam.

Der Blick auf die wirtschaftlichen Austauschbeziehungen beider Staaten in einem gesonderten Kapitel belegt, dass das deutsch-spanische Verhältnis, trotz eines bisweilen völlig kritiklosen Spanienbildes innerhalb der deutschen Diplomatie, keinesfalls spannungsfrei war. Hier wurde die wachsende Diskrepanz zwischen der boomenden deutschen Industrienation und dem bis Ende der 50er-Jahre autarkistisch orientierten Agrarland Spanien zur Ursache einer in zunehmendem Maße ungleichen Beziehung. Dessen ungeachtet unternahm die Bundesregierung 1959 den Versuch, das bilaterale Verhältnis auf militärischem Gebiet zu vertiefen, wobei sie nach Ansicht Lehmanns allerdings einer "doppelten Fehleinschätzung" (157) unterlag: Denn einerseits überschätzte sie als geschichtlich belastetes NATO-Neumitglied den eigenen Handlungsspielraum und andererseits missachtete sie vor eben diesem historischen Hintergrund die symbolische Brisanz einer militärischen Verbindung zum Spanien Francos. Dem Plan, deutsche Militärstützpunkte auf der Iberischen Halbinsel zu errichten, setzte schließlich 1960 US-amerikanischer Druck ein Ende.

An dem mangelnden Feingefühl in Bezug auf die historische Dimension der deutsch-spanischen Beziehungen änderte aber auch diese Zurückweisung wenig. Vielmehr blieb die bundesdeutsche Perspektive geprägt von aus der NS-Zeit ererbten Denkmustern, für die der von Lehmann in einem aufschlussreichen Schlusskapitel behandelte Umgang mit dem Erbe der einstigen Waffenbrüderschaft zwischen Franco und Hitler zum Prüfstein wurde. Während nämlich die Soldaten der Legion Condor und die spanischen Kämpfer der Blauen Division durch Bundesgesetze in den Genuss zum Teil umfangreicher Versorgungsleistungen kamen, sollten deutsche Interbrigadisten und die spanischen Opfer des nationalsozialistischen Terrors im Hinblick auf Rentenansprüche und Entschädigungsleistungen weitgehend leer ausgehen. Gerade dieses Kapitel historischer Ungerechtigkeit beleuchtet zu haben, bildet ein wichtiges Verdienst Lehmanns, dessen Arbeit damit auch für die in Spanien gegenwärtig laufende Debatte um die Opfer von Bürgerkrieg und Franquismus Relevanz erhält.


Anmerkung:

[1] Carlos Collado Seidel: Die deutsch-spanischen Beziehungen in der Nachkriegeszeit: Das Projekt deutscher Militärstützpunkte in Spanien 1960, Saarbrücken 1991; ders.: Angst vor dem "Vierten Reich". Die Alliierten und die Ausschaltung des deutschen Einflusses in Spanien 1944 - 1958, Paderborn 2001; Birgit Aschmann: "Treue Freunde ..."? Westdeutschland und Spanien 1945-1963, Stuttgart 1999.

Sören Brinkmann