Rezension über:

Naděžda Blažíčková-Horová (ed.): František Ženíšek (1849-1916), Praha: Národní galerie v Praze 2005, 252 S., ISBN 978-80-7035-315-8, CZK 1.266,00
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Rezension von:
Michaela Marek
Institut für Kunstgeschichte, Universität Leipzig
Redaktionelle Betreuung:
Caroline Sternberg
Empfohlene Zitierweise:
Michaela Marek: Rezension von: Naděžda Blažíčková-Horová (ed.): František Ženíšek (1849-1916), Praha: Národní galerie v Praze 2005, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 4 [15.04.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/04/10506.html


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Naděžda Blažíčková-Horová (ed.): František Ženíšek (1849-1916)

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Das opulente Buch dokumentiert das Œuvre eines weiteren Hauptmeisters der tschechisch-böhmischen, mit der nationalkulturellen Emanzipation der Tschechen verbundenen Malerei im ausgehenden 19. Jahrhundert. In den letzten Jahren widmete die Prager Nationalgalerie bereits der Malerfamilie Mánes, Karel Vítězslav Mašek und zuletzt Václav Brožίk umfassende monografische Ausstellungen, begleitet von Katalogen in gleicher aufwändiger Ausstattung.

František Ženίšek zählt zu den auf zwiespältige Weise interessanten Figuren der neueren böhmischen Kunstgeschichte. Einerseits teilt er mit Josef Mánes, Václav Brožίk, Mikoláš Aleš und wenigen weiteren Begründern einer - personell - exklusiv nationalen Kunst im Zeitalter der politisch zugespitzten Konkurrenz zwischen den Nationalkulturen in der Habsburgermonarchie einen festen Platz im kollektiven Gedächtnis der Tschechen. Andererseits scheint gerade dieser Bekanntheitsgrad paradox dazu geführt zu haben, dass die meisten dieser Künstler bis zur Initiative der Nationalgalerie keine systematische wissenschaftliche Bearbeitung erfahren haben. Während Mánes und Aleš dank ihrer vielfach volkstümlichen Sujets und ihrer Neigung zu pathetisch heroisierenden Interpretationen der nationalen Geschichte vor allem in den 1950er-Jahren zu Gewährsmännern weit zurück reichender sozialistischer Traditionen stilisiert wurden, was ihnen auch wissenschaftliche Aufmerksamkeit sicherte, blieben andere dieser Künstler allenfalls als Schöpfer nationaler Monumente bekannt, aber ohne differenziertes Profil. Ženίšek ist gleich zweimal der kulturhistorisch bedingten Selektion der Wahrnehmung zum Opfer gefallen: Als Modemaler und gefragter Porträtist mit überwiegend bildungs- und großbürgerlichem, offiziösem und gelegentlich auch aristokratischem und höfischem Auftraggeberkreis kam er in der sozialistischen Tschechoslowakei für eine umfassende Œuvrepublikation nicht in Frage. Später blieb er dann als Repräsentant einer im regionalen Rahmen nachfrageorientierten, tendenziell konservativen, akademisch soliden Kunstauffassung im Schatten der Protagonisten der einsetzenden übernationalen Moderne, die auch in der tschechischen Kunstgeschichte vorrangige Aufmerksamkeit genossen.

Ženίšeks Name verbindet sich vor allem mit der malerischen Ausstattung der Publikumsräume im Prager tschechischen Nationaltheater, die er um 1880 teils allein, teils in Zusammenarbeit mit Mikoláš Aleš konzipierte und ausführte; hinzu tritt seine Beteiligung an der Ausmalung des so genannten Pantheons im Museum des Königreiches Böhmen, dem nachmaligen Nationalmuseum, in den späten 1890er-Jahren. Der vorliegende Katalog zeigt zum ersten Mal, dass die Allegorien und die Historien mit nationaler Thematik, wie sie hier verlangt waren, für den Künstler zwar nicht untypisch sind, aber quantitativ weit vor allem hinter der Porträtmalerei zurücktreten. Des Weiteren wird aus dem Überblick deutlich, dass die unterschiedlichen Stillagen dieser monumentalen Gemälde - ein grafisch betonter, spätnazarenischer Duktus im ersten Fall, ein flächiger Kolorismus im zweiten - keineswegs auf eine Entwicklung schließen lassen, sondern zwei unter mehreren Modi darstellen, die der Künstler in Abstimmung auf die Bildaufgabe nach Ermessen einsetzen konnte.

Den eigentlichen Wert des Buches machen der Werkkatalog (197-246; 290 Nummern in chronologischer Abfolge) und die Fülle der überwiegend farbigen, qualitätvoll gedruckten Bildtafeln aus. Der Katalog beinhaltet einen Teil der heute noch bekannten Gemälde sowie einige Zeichnungen, darunter Wettbewerbsentwürfe, Kartons und unrealisiert gebliebene Entwürfe. Von den vielen erhaltenen Studien und Vorzeichnungen wurden nur wenige Beispiele ausgewählt. Im Unterschied zu den älteren Künstlermonografien beschränken sich die zumeist mit kleinen, gleichwohl hilfreichen Schwarzweißabbildungen versehenen Katalogartikel auf die wesentlichen Daten sowie Literaturangaben. Dies sind vielfach lediglich zeitgenössische Presseberichte und Kritiken. Archivquellen werden auch zu den prominenten Werken nicht benannt. An Stelle von Katalogtexten findet man heterogene Kommentare vor, die in sparsamster, bisweilen anekdotischer Form Auskunft über einzelne Aspekte des jeweiligen Werkzusammenhangs geben.

Wie dürftig noch immer die Kenntnis des zeitgenössischen Quellenmaterials selbst auf diesem begrenzten Feld ist, illustriert ein dem Katalog vorgeschalteter Beitrag von Tomáš Sekyrka und Tomáš Hylmar, der dem Leser einen Einblick in Dokumente zu Leben und Werk des Künstlers aus Prager Archiven verspricht. Hier sind jedoch lediglich ausführliche Zitate zumeist aus Ženίšeks Korrespondenz lose miteinander verbunden, die gleichwohl einen plastischen Eindruck von seiner geschäftsmäßig detachierten Einstellung zur Arbeit, vom wenig formellen Auftreten des angesehenen Meisters und nicht zuletzt von dem en passant artikulierten antideutschen und antisemitischen Chauvinismus vermitteln, der trotz selbstverständlicher Zweisprachigkeit zum Umgangston der nationalbewussten Gesellschaft gehörte.

Die sieben eingestreuten Textkapitel, die zusammen kaum 30 Seiten füllen, referieren etappenweise die Biografie des Künstlers und heben die wichtigsten oder die als herausragend eingeschätzten Werke der jeweiligen Phase hervor. Gelegentlich erläutert die Autorin knapp den Entstehungskontext, begnügt sich aber zumeist mit pauschalen Würdigungen. Der Leser soll blättern und schauen, nicht zum Sehen und Verstehen angeleitet werden, zumal Verweise auf die Abbildungen der angesprochenen Werke fehlen. Die chronologische Aufgliederung gehorcht anscheinend vor allem Geboten der Buchgestaltung. Zäsuren in der Entwicklung des Künstlers treten dadurch nicht zu Tage, im Gegenteil, die Kohärenz einzelner Werkgruppen wird über lange Zeiträume hinweg verschleiert.

Erst in der resümierenden Gesamtwürdigung kommt die Autorin auf die Vorbehalte zu sprechen, die Ženίšek seit den 1890er-Jahren aus der jüngeren Künstler- und Kritikergeneration entgegen schlugen, nachdem er mit Professuren an der Prager Kunstgewerbeschule und dann an der Akademie den Höhepunkt seiner künstlerischen und gesellschaftlichen Karriere erreicht hatte. Der Generationenkonflikt, verstärkt durch den sich anbahnenden Wertewandel in den Künsten, hätte den Blick auf kulturgeschichtlich interessante Fragen lenken können, wie sie sich an Künstlerpersönlichkeiten vom Zuschnitt Ženίšeks knüpfen ließen. Sein Erfolg gründete zweifellos im - hier mit zahlreichen Fotografien illustrierten - bürgerlichen Habitus, der ihm Türen öffnete. Vor allem aber verdankte er ihn einer in gewisser Weise handwerklichen Virtuosität. Er war zeit seines Lebens in der Lage und bereit, nahezu jedes der in den vorangegangenen Jahrzehnten gängigen stilistischen Register zu ziehen - wie wir es heute Baumeistern jener Zeit zubilligen, kaum noch aber Malern. Mit gleicher Selbstverständlichkeit bediente er auch hinsichtlich der Bildgattungen und -typen eine erstaunlich breite Nachfrage: von Porträts über literarische Genres, Historien und Heiligenbilder für Kirchenausstattungen bis hin zu monumentalen Allegorien, jeweils im 'angemessenen' Modus. Diese Wendigkeit, ein verbreitetes Phänomen, auch wenn die fokussierende Perspektive dieser Monografie darüber hinwegtäuschen mag, regt zum weiter gehenden Nachdenken über die Erwartungen, die eine bürgerliche Gesellschaft ungeachtet aller Modernisierungsschübe um und nach 1900 an die Kunst richtete - und zu sozialgeschichtlichen Studien an, die der Kunstgeschichte hier an die Seite treten müssen.

Das Buch liegt zwar nur in Tschechisch vor, aber es dürfte auch Interessierten, die dieser Sprache nicht mächtig sind, in den Hauptzügen zugänglich sein: weniger dank der allzu knappen englischen Zusammenfassung (248f.), vielmehr dank der vom Idiom unabhängigen Angaben im Katalogteil und vor allem der üppigen Ausstattung mit Abbildungen. Es ist dem Künstler wie auch diesem Buch zu wünschen, dass sich weitere Bearbeiter mit kulturgeschichtlicher Neugier finden.

Michaela Marek