Rezension über:

Norbert Henkelmann / Jörg Wunschhofer (Hgg.): Der Status Animarum des Amtes Stromberg von 1749/50, Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2006, XVII + 525 S., ISBN 978-3-89534-651-4, EUR 29,00
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Rezension von:
Peter Sieve
Bistum Münster, Archiv des Bischöflichen Offizialates, Vechta
Redaktionelle Betreuung:
Stephan Laux
Empfohlene Zitierweise:
Peter Sieve: Rezension von: Norbert Henkelmann / Jörg Wunschhofer (Hgg.): Der Status Animarum des Amtes Stromberg von 1749/50, Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 4 [15.04.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/04/11837.html


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Norbert Henkelmann / Jörg Wunschhofer (Hgg.): Der Status Animarum des Amtes Stromberg von 1749/50

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Das 1614 von Papst Paul V. veröffentlichte Rituale Romanum enthielt die Bestimmung, dass in den Pfarreien der katholischen Diözesen - neben den bereits durch das Tridentinum vorgeschriebenen Tauf- und Trauungsregistern sowie den Firmlings- und Totenregistern - sogenannte Bücher über den Stand der Seelen (Libri de statu animarum) angelegt werden sollten. Darin sollten genaue Angaben über die Teilnahme jeder Familie und ihrer einzelnen Mitglieder am kirchlichen Leben festgehalten werden. Dass solche Register nicht nur für die genealogische Forschung, sondern auch für die Bevölkerungs-, die Wirtschafts- und die Kulturgeschichte enormen Quellenwert besitzen, liegt auf der Hand. Dies gilt besonders dann, wenn derartige kirchliche Volkszählungen gleichzeitig innerhalb eines ganzen Landes durchgeführt wurden, wie es im Winter 1749/50 im Fürstbistum Münster, einem der großen geistlichen Territorien des Alten Reiches, der Fall gewesen ist.

Am 26. November 1749, im Anschluss an die alljährliche Herbstsynode der Diözese Münster, erhielten alle Seelsorger des Bistums eine Aufforderung ihres Generalvikars, innerhalb von sechs Wochen detaillierte Verzeichnisse ihrer jeweiligen Pfarrkinder einzusenden. Für jedes der rund 200 Kirchspiele des Hochstifts Münster sollte somit ein Status animarum mit den Namen, dem Alter und dem Familienstand sämtlicher Einwohner angefertigt werden. Daneben wurden weitere statistische Angaben über den Kommunionempfang, über Taufen, Trauungen und Todesfälle und über die Anzahl der Nichtkatholiken verlangt.

Es war dies nicht der erste Versuch im Fürstbistum Münster, eine Volkszählung mit seelsorglicher Zielsetzung durchzuführen. Bereits Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen hatte die Pfarrer zur jährlichen Einsendung solcher Verzeichnisse aufgefordert. Inhaltlich deckt sich sein diesbezüglicher Erlass von 1661 vollständig mit dem Erlass von 1749. [1] Aus der Zeit vor der Mitte des 18. Jahrhunderts liegen jedoch nur sporadisch für einzelne Kirchspiele entsprechende Listen vor, die anlässlich von Visitationsreisen gesondert angefertigt wurden, so etwa 1703 und 1713 für einige Pfarreien der Ämter Vechta und Cloppenburg.

Auch der erneute Vorstoß von 1749 fruchtete zunächst offenbar wenig. Die Pfarrer beriefen sich auf starke Bedenken der Gläubigen gegen die Erhebung. Anscheinend war im Volk die Befürchtung verbreitet, die Listen könnten von der staatlichen Verwaltung für steuerliche oder militärische Zwecke missbraucht werden. So sah sich der Generalvikar nach Ablauf der Einsendefrist genötigt, am 3. Januar 1750 die Abgabe der Listen anzumahnen und die Seelsorger aufzufordern, von der Kanzel herab bekannt zu geben, dass die befohlene Aufzeichnung "darumb allein erforderet werde, damit Ihre Churfürstliche Durchleucht zu Cölln etc. als Bischoff zu Münster etc., unser gnädigster Herr, von dem Zustand deren Seelen Ihro von Gott anvertraueten lieben Untertanen informirt seye". Da dies der zeitlichen und ewigen Wohlfahrt eines jeden zugute komme, sollten die Pfarrkinder "darüber gefassete wiedrige Gedancken fahren" lassen und sich ruhig verhalten.

Die nach Münster eingesandten Register der einzelnen Pfarreien sind in vier Handschriften gebunden, die heute im Bistumsarchiv Münster verwahrt werden. In diesen Bänden ist somit der Status animarum der meisten Kirchspiele des Fürstbistums enthalten. Allerdings gibt es einige Lücken, vor allem fehlen alle Kirchspiele der Stadt Münster selbst. Es versteht sich, dass besonders die Familienforscher früh auf den Quellenwert dieser Handschriften aufmerksam wurden. So haben Norbert Tandecki und Reinhard Cloppenburg bereits 1995 in drei Bänden der "Beiträge zur Emsländischen und Bentheimer Familienforschung" eine sorgfältige Edition der Register von 21 heute zu Niedersachsen gehörenden Kirchspielen der Ämter Meppen und Rheine-Bevergern vorgelegt. Daneben gibt es weitere Veröffentlichungen für einzelne Kirchspiele, die jedoch teilweise in der grauen Literatur versteckt sind.

Nun hat die Westfälische Gesellschaft für Genealogie und Familienforschung das ehrgeizige Projekt ins Auge gefasst, den gesamten Status animarum des Hochstifts Münster von 1749/50 in einer einheitlichen Edition für die genealogische und historische Forschung verfügbar zu machen. Wegen des großen Textumfangs wird diese Ausgabe zahlreiche Bände umfassen. Da die Originale der einzelnen Kirchspielslisten in den Handschriftenbänden ohne erkennbare Ordnung aufeinander folgen, haben die Herausgeber die sinnvolle Entscheidung getroffen, für die Edition die Ämter-Einteilung des alten Fürstbistums zugrunde zulegen. Der nun erschienene erste Band enthält die Register aller Kirchspiele des Amtes Stromberg.

Die knappe Einleitung beschränkt sich auf die wichtigsten Informationen zur Quelle und zu ihrer Aufbereitung, wobei die Edikte vom November 1749 und vom Januar 1750 faksimiliert sind. Es folgen in alphabetischer Reihenfolge die Register der zwölf Kirchspiele des Amtes Stromberg, deren Originale in drei der vier Handschriften verstreut enthalten sind: Diestedde, Enniger, Ennigerloh (einmal für 1749 und einmal für 1750), Herzfeld, Liesborn, Lippborg, Oelde, Ostenfelde, Stromberg, Sünninghausen, Wadersloh und Westkirchen. Bei jedem Kirchspiel sind zwei Originalseiten des betreffenden Registers als Faksimile beigegeben. Neben dem eigentlichen Status sind auch die von den meisten Pfarrern zusätzlich eingereichten Listen der im Jahr 1749 Getauften, Getrauten und Verstorbenen und die Angaben über die Nichtkatholiken ungekürzt abgedruckt. Die buchstabengetreue Transkription zeugt von penibler Sorgfalt. Abkürzungen sind durch Einklammerung der ergänzten Buchstaben kenntlich gemacht. Zu kritisieren bleibt allenfalls, dass bei der Wiedergabe einiger Listen der Abstand zwischen den Rubriken für die Namens- und die Altersangabe zu groß geraten ist.

Durch Fettdruck der Familiennamen wird die Übersichtlichkeit erhöht. In vielen Fällen sind zudem Ergebnisse der umfassenden genealogischen Recherchen des Mitherausgebers Henkelmann eingeflossen, indem Personennamen, die in der Originalquelle fehlen oder unvollständig wiedergegeben sind, in eckigen Klammern ergänzt wurden. Ein Glossar dient dem Verständnis der lateinischen Begriffe, die oft wenig mit dem klassischen Latein zu tun haben. Der umfangreiche Index am Schluss des Bandes erschließt alle Personen- und Ortsnamen, wobei die in den Quellen als Aufenthalts- bzw. Herkunftsorte erwähnten Ortsnamen gesondert hervorgehoben sind. Eine Karte im Vorsatz des Bandes veranschaulicht die Lage der zwölf Kirchspiele des Amtes Stromberg und der zugehörigen Bauerschaften. Auch der Einband des Buches ist gelungen: Zu sehen ist ein 1751 erbauter und 1973 abgebrochener Bauernhof, dessen Bauherr mit seiner Frau im Status des Kirchspiels Oelde aufgeführt ist.

Die Edition bietet die Grundlage für eine statistische und inhaltliche Auswertung der Register, die noch zu leisten wäre. Welche Bedeutung diese Quelle auch für die Wirtschaftsgeschichte hat, zeigt sich daran, dass bei den Familien in der Regel angegeben ist, ob es sich um Bauern, Kötter oder Mieter handelte beziehungsweise welchem Erwerb das Oberhaupt nachging. Die meisten in den Listen erfassten Personen lebten auf dem Land. Unter den Kirchdörfern ragten Oelde und Stromberg als Wigbolde heraus; Städte gab es nicht. Ein Kloster gab es in Liesborn, für das sich eine Auflistung des zahlreichen Dienstpersonals, aber keine der Nonnen findet. Die Seelenzahl wurde nicht von allen Pfarrern ausgerechnet, jedoch scheint Wadersloh (1917 Kommunikanten bei insgesamt 2602 Seelen) die größte und Sünninghausen (214 Kommunikanten) die kleinste Pfarrei gewesen zu sein. Besonderes Interesse verdienen die meist am Schluss der Kirchspielslisten zusammengefassten Angaben über Nichtkatholiken (Lutheraner, Calvinisten und Juden) und über auswärts wohnende Pfarrkinder, von denen sich viele in Holland aufhielten.


Anmerkung:

[1] Manfred Becker-Huberti: Die tridentinische Reform im Bistum Münster unter Fürstbischof Christoph Bernhard v. Galen 1650 bis 1678. Ein Beitrag zur Geschichte der katholischen Reform (= Westfalia Sacra, Bd. 6), Münster 1978, 279-281.

Peter Sieve