Sujit Sivasundaram: Nature and the Godly Empire. Science and Evangelical Mission in the Pacific, 1795-1850 (= Cambridge Social and Cultural Histories), Cambridge: Cambridge University Press 2005, xi + 244 S., ISBN 978-0-521-84836-7, GBP 48,00
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Sujit Sivasundarams Buch ist ein beeindruckendes Beispiel für die methodisch gelungene Zusammenführung von Wissenschaftsgeschichte und Imperialgeschichte. Während sie in der angelsächsischen Forschung seit Langem erfolgreich praktiziert wird, muss für sie anderorts noch eher geworben werden, obwohl auf der Hand liegt, dass die Imperialismen und die (Natur-)Wissenschaften nicht nur voneinander profitierten, sondern dass die jeweiligen, an die Imperien geknüpften Nationskonzepte einerseits und der Universalismus der modernen Wissenschaften andererseits auch in ihrer theoretischen Substanz keinen Widerspruch darstellten. Das Spezifische dieses begrüßenswert schlanken, elegant geschriebenen Bandes ist es nun, in das System der imperialen und wissenschaftlichen Erfassung der außereuropäischen Welt die Frage nach der Bedeutung der evangelikalen Mission eingeflochten zu haben.
Um sie zu beleuchten, konzentriert sich Sivasundaram auf den pazifischen Raum in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sein Buch ist übersichtlich und klar in sechs Kapitel gegliedert, es ist die überarbeitete Fassung einer am Department of History and Philosophy of Science der Cambridge University eingereichten Dissertation. Die Kapitelüberschriften sind gleichwohl etwas zu poetisch und dadurch rätselhaft verschlüsselt formuliert: bereits die Erste des auch längsten Kapitels ("The light of the sun: stimulus for mission") lässt eigentlich nicht ahnen, dass das Buch insgesamt so angelegt ist, in seiner ersten Hälfte über die privaten Dimensionen des Evangelikalismus zu handeln, während die zweite Buchhälfte den öffentlichen Bereich in den Mittelpunkt stellt. Christentum und Naturgeschichte, so lautet das Ergebnis dieser aber insgesamt faszinierenden Studie, ergänzten einander idealerweise in ihrem Anliegen, der Menschheit die Botschaft zu bringen, sie könne heilsgeschichtlich erlöst werden. Alle Regionen der Welt, ob Londoner 'Metropole' oder koloniale 'Peripherie', sollten diese Botschaft empfangen, woraus die Missionare die Rechtfertigung für ihre Arbeit bezogen.
Dass sie ihre missionarische Arbeit in Großbritannien wie auf den pazifischen Inseln in gleicher Weise machten, war der Überzeugung geschuldet, ihr Wissenschaftsbegriff decke sich mit ihrem Glaubensbegriff und beide treibe der Motor einer von einer Naturtheologie inspirierten Zivilisierungsmission an. Indem die Evangelikalen mithilfe der Naturgeschichte die Völker der Erde zu klassifizieren versuchten, bedienten sie sich in den Worten Sivasundarams der Rhetorik einer umfassenden Humanität (210) und gaben ihrem Wunsch Ausdruck, die Menschheit in ihrer Gesamtheit könne stetig verbessert werden. Von den Inselbewohnern des Pazifik meinte man, sie lebten in einer Einheit mit der Natur. Wenn sie aber einer verbreiteten Auffassung zufolge die Unterschiede zwischen vegetativer Natur, Tierreich und Menschheit anerkannten und realisierten, dass allein die Natur auf Gott verweise, ohne damit etwas Göttliches zu verkörpern, würden sie in ihrem Verständnis des Christentums einen zivilisatorischen Fortschritt erfahren und den britischen Christen gleichkommen können.
Die praktische experimentelle und materielle Seite der Naturbeobachtung, Klassifizierung, Sammlung und schließlich musealen Ausstellung korrespondierte mit der evangelikalen Ansicht, eine religiös orientierte Naturwissenschaft biete angesichts des seit der Aufklärung zunehmend säkularisierten Wissens eine willkommene Alternative. Überdies konnte an sie die Erwartung geknüpft werden, für den im Pazifik vorherrschenden Naturalismus einen Ersatz zu schaffen. Um die abstrakte Ebene dieses Verständnisses einer Symbiose von "Nature and the Godly Empire" nicht dominieren zu lassen, lässt Sujit Sivasundaram in die laufende Erzählung geschickt Fallbeispiele einfließen, die seine Thesen illustrieren. Missionare werden als Wissenschaftler dargestellt. Als John Williams sein Buch A Narrative of Missionary Enterprises im Jahr 1837 veröffentlichte und damit zunächst viel Aufsehen erregte, hinterfragte er nichts Geringeres als die Theorien des angesehenen Geologen Charles Lyall. Doch die wissenschaftliche Expertise eines Vertreters religiöser Überzeugungen wurde nicht gelohnt, zumindest nicht von den mächtigen Repräsentanten des Faches. Charles Darwin etwa soll von den Studien und geologischen Untersuchungen, die Williams an den Korallenriffen der Lagunen der pazifischen Inseln vorgenommen hatte, für seine Arbeit The Structure and Distribution of Coral Reefs (1842) maßgeblich profitiert haben. Für Anerkennung und Ruhm in der Öffentlichkeit haben dem Missionar seine Forschungen und Sammlungen jedoch nicht genützt, denn während seine Arbeiten bis heute weitgehend unbeachtet geblieben sind, vergeht kaum ein akademisches Jahr, in dem nicht Aspekte aus Darwins Leben und Werk von der internationalen Forschung gewürdigt werden.
Auch aus diesem Grund ist das mit zahlreichen schönen Illustrationen ausgestattete Buch als ein bedeutender Beitrag zur britischen Geschichte zu sehen. Sivasundaram bürstet sie gleichsam gegen den Strich, wenn er zurecht behauptet, die teleologische Meistererzählung der berühmten und so gut erforschten Naturwissenschaftler reflektiere nur die eine Seite, er dagegen wolle eine Wissensgeschichte der Missionare von unten bieten und damit herausstellen, dass es miteinander konkurrierende Formen des Wissens gegeben habe: "Missionary natural history was a form of knowledge that cannot be strictly categorised as religion, science or colonialism; it co-existed in the early nineteenth century with other forms of more studied knowledge; and its practitioners saw themselves as more accurate and able observers than gentlemanly natural historians." (213). In der Summe zeigt dieses Buch eindringlich, wie es der London Missionary Society gelang, die Wissensaneignung in der kolonialen Welt einer breiteren britischen Öffentlichkeit zu vermitteln und als Teilaspekt eines religiös motivierten Expansionismus zu etikettieren. Was von kulturwissenschaftlicher und postkolonialer Perspektive schon lange gefordert wird, nämlich Kolonialmacht und Kolonie in einem interdependenten Verhältnis zu betrachten, aus dem ein für beide Seiten profitables Herrschaftswissen resultierte, wurde von den hier untersuchten britischen Missionaren der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewissermaßen bereits praktisch vorgelebt.
Benedikt Stuchtey