Rezension über:

Adriana Craciun: British women writers and the French Revolution. Citizens of the world, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2005, XII + 225 S., ISBN 978-1-4039-0235-1, GBP 45,00
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Rezension von:
Katrin Urschel
National University of Ireland, Galway
Redaktionelle Betreuung:
Susanne Lachenicht
Empfohlene Zitierweise:
Katrin Urschel: Rezension von: Adriana Craciun: British women writers and the French Revolution. Citizens of the world, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2005, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 6 [15.06.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/06/10917.html


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Adriana Craciun: British women writers and the French Revolution

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Britische romantische Literatur bewegt sich analog zum politischen Diskurs im Spannungsfeld zwischen pastoralem Nationalismus und weltbürgerlichem Radikalismus. Wie diese beiden Seiten in den Texten männlicher Literaten ihren Ausdruck finden, ist sehr gut erforscht. Untersuchungen zur Frauenliteratur der Romantik konzentrierten sich bislang vor allem auf nationalistische Aspekte, beispielsweise in den Romanen Jane Austens, sowie auf den radikalen Feminismus einzelner Akteurinnen wie Mary Wollstonecraft.

Adriana Craciun stellt in der hier zu besprechenden Studie die kosmopolitischen Ideen und Erfahrungen britischer feministischer Schriftstellerinnen in den Mittelpunkt und analysiert deren ideologische und ästhetische Innovationen. Im Zentrum ihrer Untersuchungen stehen Helen Maria Williams, Charlotte Smith, Mary Robinson und Mary Wollstonecraft, die sich allesamt durch feministische und revolutionäre Gedichte, Romane, Briefe und Essays auszeichneten und im Frankreich-kritischen Großbritannien wegen ihrer Reisen und Beziehungen nach Frankreich angefeindet wurden. Die vier Autorinnen sahen im Kosmopolitismus die Chance, transnationale feministische Allianzen zu schmieden und Rousseausche Aufklärungsideale zu ergänzen und durchzusetzen. Die Literaturwissenschaftlerin Craciun interpretiert die Texte dieser Frauen nicht nur im Hinblick auf ästhetische Merkmale. Ihre historische Analyse ist gründlich und nimmt ebenso viel Raum ein. Craciun knüpft an die Kosmopolitismus-Theorien von Kant, Calhoun und Habermas an, stellt Verbindungen zur kolonialen Expansion und dem wirtschaftlichem Denken der Zeit her und präsentiert die Schriftstellerinnen im philosophischen und juristischen Kontext der 1790er Jahre. Konkret geht es ihr um die distinkt französischen Einflüsse auf die britischen Autorinnen sowie die Sexualisierung der revolutionären Krise.

Das Buch gliedert sich in vier Kapitel, von denen sich jedes schwerpunktmäßig dem Werk und Kontext einer der vier Schriftstellerinnen widmet. Weitere Autorinnen wie Anna Laetitia Barbauld, Amelia Opie, Fanny Burney und Hannah More werden für den Vergleich herangezogen. Zudem werden immer wieder Bezüge zum romantischen Mainstream, wie er von Wordsworth und Coleridge geprägt wurde, hergestellt.

Im ersten Kapitel kontrastiert Craciun die Ziele und Errungenschaften der "Female Philosophers", allen voran Mary Wollstonecraft, mit den Strategien, die ihre Zeitgenossen anwandten, um diese zu diskreditieren. Dazu gehören die Assoziation ihrer Positionen mit Rousseaus radikaler Politik und sexueller Grenzüberschreitung, implizite Vergleiche mit den "Philosopher Whores" in der Pornographie und die Dämonisierung ihrer Schriften als satanistisches Gedankengut. Craciun erläutert klar die feinen Unterschiede zwischen den Positionen der verschiedenen Schriftstellerinnen, Philosophen und Kritikern und vernachlässigt auch nicht die Gemeinsamkeiten, die im Gedankengut der revolutionären und konterrevolutionären Schriftstellerinnen bestehen.

Ihr zweites Kapitel betrachtet Craciun als Teststudie, um zu zeigen, dass es weiterer Forschung bedarf, um aus den Werken weiblicher Romantikerinnen "Master Narratives" herauszuarbeiten. Ihre besondere Leistung besteht darin, bisher kaum beachtete Romane, Gedichte und nichtfiktionale Prosatexte von Mary Robinson zu untersuchen und die Autorin von einer bisher unbekannten Seite zu präsentieren. Sie rekonstruiert dazu die Publikationshintergründe von Robinsons Gelegenheitsgedichten, die nur zu einem kleinen Teil in ihren Poetical Works gesammelt und damit kanonisiert wurden. Des Weiteren argumentiert sie überzeugend, dass sich Robinson hinter bisher nicht identifizierten Pseudonymen verbirgt und unter diesen provokative Texte verfasste, die Robinson als viel radikaler erscheinen lassen, als dies in der Forschung bislang angenommen wurde. Das Kapitel wird durch zwei Anhänge ergänzt - eine Zeittafel, die Robinsons Texte in den Veröffentlichungskontext vom Januar 1794 einordnet, sowie einen Brief, den Robinson unter dem Pseudonym Tabitha Bramble an Robert Dundas schickte.

Die Reaktionen britischer Schriftstellerinnen auf Robespierre, ein bisher kaum beachteter Aspekt der Revolutionsliteratur, sind Thema des dritten Kapitels. Die epistemologischen und ideologischen Schwierigkeiten, die mit der Wahrnehmung und Präsentation Robespierres verbunden waren, trugen mit dazu bei, dass historisch-kritische und feministisch-literarische Porträts auseinanderdrifteten. Als zentrale Texte untersucht Craciun hier die späteren Bände von Helen Maria Williams Letters written in France (1795-96). Dass Williams Robespierre stets als frauenfeindliches, perverses und terrorisierendes Monster darstellte, ist bekannt. Craciun arbeitet allerdings auch die Ähnlichkeiten zwischen Williams und Robespierres rhetorischen Strategien heraus um zu zeigen, dass beide ihre jeweils eigene Politik für die legitime Umsetzung Rousseauscher Ideale hielten. An der Robespierre-Darstellung, vor allem in seiner Verkörperung der Terrorherrschaft des Mannes über die Frau, wird schließlich die feministische Kritik an der britischen und französischen Geschlechterpolitik festgemacht. In ihrer literarischen Form, einer Mischung aus sentimentaler Romanze und Schauerroman, hat diese zur Entstehung des historischen Romans beigetragen.

Den Schwerpunkt des letzten Kapitels bildet die Emigration als eines der Leitmotive in der diskutierten Literatur. Craciun gibt zunächst einen Überblick über die Problematik französischer Emigranten in der britischen, vor allem konterrevolutionären Literatur, und konzentriert sich anschließend auf die Romane von Charlotte Smith, die klar im internationalen Kontakt platziert wird. Die Annahme, sie sei nie in Frankreich gewesen, wird durch Archivmaterial widerlegt. Zu Frankreich als Hauptspielort kosmopolitischer Romane gesellen sich die USA. Obwohl Schriftstellerinnen wie Smith intendierten, Identitäten zu kreieren, die über nationale, geografische und genealogische Verbindungen hinausgingen, und Freiheit und Tugend als die wichtigsten Werte ansahen, tragen ihre idealisierten Emigranten, wie Craciun verdeutlicht, eine Mitschuld an der Schaffung kolonialer Strukturen und der Zementierung von Klassen-, Rassen- und Geschlechterunterschieden. Sie diskutiert die häufig verwendete Frauen-Sklaven-Analogie ausführlich und weist auf die Widersprüche und Unvollkommenheiten in den Aufklärungsidealen hin, wie sie von Smith, Robinson, Williams und Wollstonecraft in der feministischen Literatur propagiert wurden. Im Epilog wird nicht nur die Fortführung kosmopolitischer Leitlinien während der napoleonischen Herrschaft nachgezeichnet, sondern es werden auch interessante Bezüge zur heutigen Beurteilung des angloamerikanischen und französischen Feminismus hergestellt.

Letztendlich verdeutlicht das Buch in bemerkenswert detaillierter Form, dass die Themen, die zur Zeit der französischen Revolution auf der feministischen Tagesordnung standen, sich nicht allzu sehr von denen unterscheiden, die heute den modernen globalen Feminismus beschäftigen. Craciuns Berücksichtigung einer Vielzahl von Schriftstellerinnen und unzähliger literarischer Texte verschiedener Genres sowie ihre konstant interdisziplinäre Arbeitsweise stellen für den Leser manchmal eine Herausforderung dar, machen das Projekt aber äußerst facettenreich und wertvoll für zukünftige Forschung auf dem Gebiet - sowohl in den Geschichts- wie auch in den Literaturwissenschaften.

Katrin Urschel