Catie Gill: Women in the Seventeenth-Century Quaker Community. A Literary Study of Political Identities, 1650-1700 (= Women and Gender in the Early Modern World), Aldershot: Ashgate 2005, XI + 243 S., ISBN 978-0-7546-3985-5, GBP 47,50
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Die britische Frühneuzeit-Forschung ist nicht dafür bekannt, sich vom historischen Gegensatz zwischen konfessionellem Mainstream und religiösen Nonkonformisten den Blick verstellen zu lassen. So überrascht es nicht, dass die Philologin Catie Gill in ihrer Studie über die englischen Quäker (Religious Society of Friends) es vermeidet, die gesellschaftliche Bedeutung der radikalen Erneuerer auf ihren Status als Sekte zu reduzieren. Stattdessen geht es ihr um zwei Charakteristika, die seit einiger Zeit verstärkt das Interesse auf die Quäker lenken: zum einen deren geschickte Nutzung der Druckpresse zur Außenrepräsentation und zum anderen die von Anfang an ungewöhnliche Stellung von Frauen in der Quäkergemeinschaft. [1] Sie vertritt nachdrücklich das Anliegen "to re-write history to include women" (1).
Gill folgt dem Forschungskonsens, dass trotz des Prinzips der spirituellen Egalität (unterschiedslose Erleuchtung aller Menschen durch ein "inneres Licht") von einer Gleichstellung der Geschlechter bei den Quäkern nicht die Rede sein konnte. Die Sammlung der Quäker (um 1650) betrieben fast ausnahmslos Männer. Für das unmittelbar folgende, formative Jahrzehnt konstatiert Gill zwei gegenläufige Tendenzen: das Streben nach Einheit und die faktische (regionale, soziale und ideologische) Diversität (Kap. 1). Die Literatur dieser Zeit dokumentiert erhebliche Anstrengungen, aus einer anfangs äußerst heterogenen Bewegung eine homogene Gemeinschaft zu formen. Gill legt nun ihrer Arbeit die These zugrunde, Frauen hätten trotz männlicher Dominanz und innergemeinschaftlicher Restriktionen maßgeblich an der Konstruktion der Gruppenidentität mitgewirkt. Anhand von Quäkerpamphleten fragt sie nach Kontinuität und Wandel der Einflussmöglichkeiten von weiblichen Quäkern.
Texte von Autorenkollektiven, denen häufig Frauen angehörten, waren typisch für die Quäker. Gill untersucht Berichte über obrigkeitliche Verfolgungen (Kap. 2) und Petitionen (Kap. 3), die politischen Zielsetzungen wie der Etablierung von Glaubensfreiheit und der Abschaffung des Zehnten dienen sollten. Prophetische Traktate wurden hingegen meist von Einzelautorinnen verfasst (Kap. 4). Nach der Restauration der Stuarts verfestigte sich die Gemeinschaft organisatorisch, begann einen nach innen gewandten Quietismus zu kultivieren und mied zunehmend offensive Äußerungen. Stattdessen erschienen nun vermehrt an die Mitglieder selbst gerichtete Gedächtnisschriften. Neben diesen Texten berücksichtigt Gill die seit den 1670er Jahren etablierten separaten Frauenversammlungen (Kap. 5).
Kulturelle Vorgaben bestimmten die Geschlechterbeziehungen auch innerhalb der Gemeinschaft, so dass etwa öffentliche Äußerungen von Frauen an sich schon der Rechtfertigung bedurften. Durch narratologische Detailanalysen deckt Gill die Widersprüchlichkeit und Komplexität der vielstimmigen Texte auf. Während des Commonwealth ordneten Quäkerinnen ihre Individualität zwar rhetorisch dem Primat der Gemeinschaft unter, doch Gill zeigt eindrucksvoll, welche Wirkungsmacht ihnen die so strategisch verteidigte spirituelle Autorität verlieh: "They were shaping Friends' radical discourse whilst they were writing the community." (187) Für die spätere Zeit diagnostiziert sie hingegen eine "fractured identity" (158), da Frauen traditionelle Rollenbilder nur erweitern konnten, indem sie diese gleichzeitig bestätigten: "Later Quakerism seems far more limiting in the roles it provided." (186)
Gills Studie ist keineswegs eine Verlaufsstudie, sondern eine vergleichende Gegenüberstellung zweier Dekaden in der Geschichte der Quäker. Gill widmet vier Kapitel den ersten zehn Jahren nach Gründung der Religious Society of Friends und behandelt im fünften die 1680er Jahre. Während der komparatistische Ansatz kein Problem darstellt, da beide Jahrzehnte deutlich unterscheidbaren Entwicklungsstadien der Gemeinschaft zuzuordnen sind [2], erweist sich die Darstellung der ersten Dekade als zu umfangreich, die der 1680er Jahre als zu knapp. Bedingt ist dieses Missverhältnis durch die Wahl der Quellen: Gill verzichtet wegen der Fülle an Druckschriften auf eine umfassende Berücksichtigung von Archivalien. Für eine Qualifikationsarbeit mag diese Selbstbeschränkung arbeitsökonomisch sinnvoll sein (das Buch basiert auf einer an der Universität Loughborough entstandenen Dissertation), hätte aber der methodischen Absicherung bedurft. So zitiert Gill denn auch vereinzelt die Protokolle des 1673 von den Quäkern eingesetzten innergemeinschaftlichen Zensurgremiums. Sie stellt fest, dass dieses Frauen ausschloss, während jene gleichzeitig als Autorinnen oder Verlegerinnen die Entstehung der Schriften vorantrieben. Quellenmaterial aus dem Londoner Quäkerarchiv hätte die Interaktion zwischen Zensoren und Produzentinnen sowie die in der Forschung widersprüchlich beurteilten Handlungsspielräume separater Frauenversammlungen möglicherweise näher beleuchten und dem zweiten Teil der Arbeit mehr Gewicht verleihen können.
Andererseits entwickelt Gill jedoch einige äußerst fruchtbare Ansätze gerade für eine künftige Nutzung des Quellenreichtums der Quäkergemeinschaft. Eine Stärke der Arbeit liegt in der Erschließung mitunter schwer zugänglicher Texte: Der als bibliographische Ressource konzipierte Quellenapparat verzeichnet die Drucke mit allen beteiligten Autorinnen und Autoren. Dieser Vorstoß zugunsten einer auch quantitativen Neueinschätzung der Beteiligung von Frauen an der frühneuzeitlichen Literaturproduktion (die bei den Quäkern außergewöhnlich hoch war) ist sehr zu begrüßen. Ebenfalls wegweisend ist ihre Fokussierung auf Autorenkollektive, erleichterten diese doch den Zugang zu Publikationsmöglichkeiten, an denen manche sozialen Gruppen sonst selten partizipierten - dies betraf neben Frauen auch bildungsferne Schichten. Auch dem vieldiskutierten Dilemma (auto-)biographischer, gleichzeitig aber stark formalisierter, durch kollektive Normen geprägter Texte begegnet Gill auf konstruktive Weise. Sie betont völlig zu Recht den relationalen Aspekt und macht das Verhältnis zwischen Individuum und Gemeinschaft zum Untersuchungsgegenstand. Im Übrigen überzeugt die Arbeit durch sorgfältige Beweisführung, argumentative Stringenz und gute Lesbarkeit.
Auch wenn die im Titel geweckten Erwartungen nicht in allen Punkten erfüllt werden, ist die Studie uneingeschränkt empfehlenswert. Sie hilft, überkommene Vorstellungen von 'exaltierten' Frauen am Rande des konfessionellen Spektrums (etwa in der Person der vielgescholtenen Quäkerin Martha Simmonds) sukzessive durch differenziertes Wissen zu ersetzen. Nicht zuletzt liefert Gill willkommene Vorschläge zum Umgang mit der vielfältigen und schwierigen, bisher unzureichend erforschten religiösen Pamphletliteratur.
Anmerkungen:
[1] Siehe stellvertretend Kate Peters: Print culture and the early Quakers. Cambridge 2005; Judith Jennings: Gender, religion and radicalism in the long eighteenth century: the 'ingenious Quaker' and her connections, Burlington 2006.
[2] Seit den Arbeiten von Braithwaite firmieren diese als "beginnings of Quakerism" und "second period of Quakerism". Siehe William Charles Braithwaite: The beginnings of Quakerism to 1660 (überarbeitet von Henry J. Cadbury), Cambridge 19552 (1912); Ders.: The second period of Quakerism. London 1919.
Sünne Juterczenka