Christine Petry: "Faire des sujets du roi". Rechtspolitik in Metz, Toul und Verdun unter französischer Herrschaft (1552-1648) (= Pariser Historische Studien; Bd. 73), München: Oldenbourg 2006, 334 S., ISBN 978-3-486-57981-9, EUR 44,80
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Studien zum französischen Absolutismus haben nach wie vor Konjunktur. Ein Grund hierfür ist nicht zuletzt die kritische Auseinandersetzung mit dem Absolutismusparadigma, das zunehmend hinsichtlich der Etablierung und Funktionsweise absolutistischer Herrschaft hinterfragt wird. Christine Petry ordnet sich mit ihrer Monographie, die im Wintersemester 2001/02 an der Universität Trier als Dissertation angenommen wurde, explizit in diesen Forschungskontext ein. Ihre Fallstudie widmet sich jedoch nicht den Entscheidungsprozessen am französischen Hof, sondern fragt danach, wie sich die allmähliche Herauslösung der rechtlich zum Reich gehörenden Städte Metz, Toul und Verdun sowie der gleichnamigen geistlichen Territorien bis zur offiziellen Abtretung im Westfälischen Frieden vollzog. Die francisation der Trois-Évêchés zu untersuchen, biete zudem "die Möglichkeit, Wege und Hindernisse bei der Durchsetzung frühmoderner Staatlichkeit gleichsam wie unter einem Vergrößerungsglas zu beobachten" (11). Das Hauptaugenmerk der Untersuchung gilt hierbei der französischen Rechtspolitik, unter der sie das Bemühen versteht, "bestimmte Gesetze, Gerichtspraktiken und Institutionen einzuführen, zu verwenden, durchzusetzen oder abzuschaffen" (12). Anhand einer umfassenden Analyse des Justizwesens, der Gerichtsbarkeit und der damit zusammenhängenden Verwaltung in den seit 1552 besetzten Territorien sollen die Interaktionsmöglichkeiten und somit letztlich die Macht- und Kommunikationsbeziehungen zwischen dem französischen König, seinen Vertretern vor Ort und der Bevölkerung der Trois-Évêchés aufgezeigt werden. Konfessions- und kirchenpolitische Aspekte werden dabei von Petry bewusst außen vor gelassen.
Die Arbeit lässt sich in zwei, relativ gleichgewichtige Teile gliedern. Während sich die erste Hälfte der Kapitel dem ereignishistorischen Rahmen zuwendet, befasst sich die zweite Hälfte unter eher analytischen Vorzeichen mit sozialen, praktischen und diskursiven Aspekten der Rechtspolitik in den Territorien. So werden zunächst die Verwaltung und Gerichtsbarkeit sowie die sozio-politische Ausgangssituation in den Trois-Évêchés vor der französischen Besetzung geschildert. Anschließend wird die französische Politik von 1552 bis zur Schaffung des Parlamentes von Metz 1633 betrachtet. Hier steht vor allem der Aufbau königlich kontrollierter Institutionen und Ämter wie das eines président de la justice im Vordergrund. Die aus der Etablierung des Amtes resultierenden Konflikte vor Ort und die letztendlich gescheiterten Versuche, den président als lokale Berufungsinstanz anstelle des Reichskammergerichtes einerseits und Pariser Institutionen andererseits durchzusetzen, stellt Petry im Folgenden detailliert dar. Das Verhältnis der französischsprachigen Trois-Évêchés zum Reich wird daraufhin im 4. Kapitel untersucht. Aufgrund ihrer relativ schwachen Bindung zum Reich seien sie - abgesehen von vereinzelten Initiativen - auf längere Sicht von den übrigen Reichsständen verloren gegeben worden. Die Zeitgenossen hätten zwar den Berufungen am Reichskammergericht eine große Bedeutung zugesprochen, doch gingen diese insgesamt deutlich zurück, da man sich nicht zu letzt wegen des Sprachunterschieds zunehmend an königliche Institutionen in Paris wandte. Des Weiteren befasst sich Petry mit der Errichtung des Metzer Parlaments und den Ereignissen nach 1633. Sie schildert in diesem Kontext den lokalen Widerstand und zeigt auf, wie selbst Amtsträger des französischen Königs die Umsetzung seiner Pläne auf lokaler Ebene zu verhindern suchten.
Dass es sich anfangs bei den Richtern am Metzer Parlament in der Regel nicht um einheimische Juristen gehandelt hat, wird im folgenden, prosopographisch orientierten Kapitel ausgeführt. Erst mit der Konsolidierung der französischen Herrschaft unter Heinrich IV. traten verstärkt Einheimische in den königlichen Dienst ein. Es verwundert daher nicht, dass der Lokalpatriotismus bei der Umsetzung unliebsamer Anordnungen die Königstreue mitunter überwiegen konnte. Daraufhin wendet sich die Studie der praktischen Arbeit des Parlamentes zu. Es werden die unterschiedlichen Verfahrensarten, die von den Amtsträgern des Königs angestrengten Prozesse, die Einflussmöglichkeiten des Parlaments z.B. bei Hexenprozessen und die allgemeinen Regelungen im Sinne einer 'bonne police' untersucht. Der Diskurs über die Rechtspolitik steht anschließend im Vordergrund. In Anbetracht historisch-juristischer Begründungen der französischen Herrschaft zeigt Petry, wie die Umdeutung des Protektionsbegriffs hin zur Legitimation souveräner Herrschaft konkret vonstatten ging. Demgegenüber betont sie zugleich die Bedeutung der Gerichtsbarkeit für die Frage nach der Souveränität, "da an ihr die Einflußmöglichkeiten eines Herrschers für jedermann deutlich ablesbar waren" (252). Mittels einer allgemein akzeptierten und gut funktionierenden Rechtssprechung sollten nämlich, wie es die zeitgenössischen Quellen ausdrücken, die Herzen der um 1633 noch lange nicht als Franzosen betrachteten Bewohner der Trois-Évêchés gewonnen werden.
Mit ihrer Untersuchung gelingt es Petry zu zeigen, dass die Besetzung der Trois-Évêchés zunächst als Grenzsicherung konzipiert und nicht von Anfang an auf ihre Eingliederung hin angelegt war. Diese wurde jedoch spätestens unter Heinrich IV. verstärkt in Angriff genommen. Dabei behinderte weniger die Rücksicht auf außenpolitische Faktoren die Etablierung französischer Institutionen als die "Interaktion und die Kommunikation zwischen den einzelnen Beteiligten" (291). Die Politik vor Ort war daher insgesamt eher durch Bemühungen um Konsens und Legitimität geprägt und somit oft weniger durchsetzungsstark, als von der Krone gehofft und von der Forschung lange Zeit angenommen. Bei den Auseinandersetzungen zwischen den Bewohnern und den königlichen Amtsträgern bildeten der französische König und die Pariser Institutionen indes stets einen positiven Bezugspunkt. Die gegenseitige Kritik auf lokaler Ebene stabilisierte so letztendlich das politische System, da "die Bewohner, wenn sie sich gegen Maßnahmen der königlichen Amtsträger vor Ort an den König wandten, gleichzeitig deutlich [machten], daß sie diesen als obersten Garanten der Gerechtigkeit akzeptierten" (296). Die Etablierung von Staatlichkeit kann Petry somit als Ergebnis diskursiver Interaktionen charakterisieren.
Insgesamt verdeutlicht die Autorin die Herausbildung und Funktionsweise souveräner Herrschaft in den Trois-Évêchés. Eine explizite Stellungnahme, welche Rückschlüsse die Ergebnisse ihrer Studie hinsichtlich des Absolutismuskonzeptes zulassen, formuliert sie jedoch nicht. Hervorzuheben sind Petrys profunde Detailkenntnisse, die es ihr erlauben, ein komplexes Bild von den rechtspolitischen Vorgängen im untersuchten Zeitraum zu zeichnen. Die teils chronologische, teils systematische Herangehensweise erschwert die Lektüre hingegen ebenso wie häufige Wortwiederholungen (z.B. 293) und kleinere sprachliche Mängel. Gerade bei einer rechtspolitischen Studie irritiert die Verwendung des Begriffs "Raubritter" (35). Darüber hinaus erscheinen, wie Stichproben zeigen, einzelne Angaben in den Fußnoten nicht im Literaturverzeichnis. Diese Eigenheiten trüben daher etwas den Gesamteindruck.
Ramon Voges