Hartmut Blum / Reinhard Wolters: Alte Geschichte studieren (= UTB basics), Konstanz: UVK 2006, 264 S., ISBN 978-3-8252-2747-0, EUR 17,90
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Farbig, geradezu poppig aufgemacht und mit einem Anglizismus im Reihentitel kommen sie daher: Die so genannten 'UTB basics' werben für sich als "Lehrbücher mit einem klaren Konzept", das heißt, mit Tipps und Hintergrundinformationen, die das Lernen erleichtern, der Erklärung wichtiger Fachbegriffe im Glossar, der Veranschaulichung des Lernstoffes durch Abbildungen und Grafiken, Selbsttests zwecks Verständnisförderung und mit dem Fazit daher ideal für die Prüfungsvorbereitung im Haupt- und Nebenfach zu sein. Sie bieten Studienanfängern im Fach Geschichte "Leichter lernen mit System", und das heißt eine Antwort auf Fragen zunächst nach dem Begriff der Geschichte, ihrem Gegenstand und Sinn; dann nach grundlegenden Arbeitstechniken, Quellensammlungen, Überblicksdarstellungen, Hilfs- und Nachbardisziplinen, speziellen Zugangsweisen und schließlich nach Berufsperspektiven.
Im Falle der Alten Geschichte haben Hartmut Blum und Reinhard Wolters, die beide an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen lehren, sich dem Anspruch gestellt, dieses Konzept zu realisieren. Ihre Einführung in die Alte Geschichte, die sie im Vorwort prononciert als eine präsentieren, die sich "von den vielen anderen Studieneinführungen, wie sie in jüngster Zeit den Büchermarkt überfluten" (7) unterscheide, gliedert sich mithin in folgende Abschnitte (1.) Alte Geschichte in Vergangenheit und Gegenwart, (2.) Die Quellen der Alten Geschichte und ihre Hilfs- und Nachbardisziplinen, (3.) Arbeitstechniken und Darstellungsformen, (4.) Spezielle Zugangsweisen und (5.) Studium und Beruf. Ein thematisch gegliedertes, aktuelles Literaturverzeichnis, ein nützliches Glossar und ein Sachregister beschließen den Band. Die Zielbestimmung der Autoren macht neugierig, unterscheiden sich doch diese Gliederungspunkte prima vista nur in geringem Maße von denen anderer Einführungen, wie sie zum Beispiel im Jahre 2001 von Rosemarie Günther (Schöningh UTB, Paderborn [2. Auflage] 2004) oder vor zwei Jahren von Hartmut Leppin (Reihe Beck Studium, München 2005) herausgegeben worden sind.
Im ersten Abschnitt führen die Autoren souverän in den Gegenstand des Faches ein (9-37), der Zeit, der es sich widmet - samt der Problematik ihrer Periodisierung - und dem Raum, der durch die Konzentration auf die griechisch-römische Zivilisation in den Blick gerät. Sie stellen verschiedene Positionen zur 'Sinn'-Frage, zur Frage der Legitimation der Alten Geschichte vor, die das gesamte Spektrum vom Selbstverständnis des Historikers als Bewahrer des Vergangenen (Géza Alföldy) bis zum in Fragestellungen und Denkweisen seiner Zeit befangenen Forscher abdecken, für den "alle Geschichte Zeitgeschichte ist" (Benedetto Croce). Die relative Quellenarmut, die bei der Analyse eine besondere methodische Dichte und damit einen höheren Reflexionsgrad fordere, ist ebenso Thema wie die Tendenz der Alten Geschichte zur Universalgeschichte, die aus dem Aufeinandertreffen unterschiedlichster Kulturen in einem Zeitraum von zumindest anderthalb Jahrtausenden resultiere; oder aber wie die Geschichte des Fachs von den Anfängen in Renaissance und Humanismus - unter Berücksichtigung wegweisender 'Größen' wie Barthold Georg Niebuhr, August Boeckh, Johann Gustav Droysen, Otto Seeck und Theodor Mommsen - bis in die Gegenwart. Die Skizzierung macht deutlich, dass der Unterschied gegenüber anderen Einführungen wohl weniger im Inhalt als vielmehr in der Art seiner Präsentation begründet liegen kann: Das Kapitel beginnt mit einem farbig abgesetzten 'Überblick', der in diesem Fall von Aristoteles' Definition der Wissenschaft ausgeht (9), entscheidende Begrifflichkeiten werden im Text farbig hervorgehoben (16), Fachtermini am Rand erklärt (ob 'Diskontinuität' als solcher zu werten ist, bleibt allerdings fraglich, 14), ebenfalls abgesetzte 'Zitate' bringen zwei Seiten Text salopp formuliert auf den Punkt (Martin Walser: "So lange etwas ist, ist es nicht das, was es gewesen sein wird. Wenn etwas vorbei ist, ist man nicht mehr der, dem es passierte", 18) und eine 'Info' gibt ein illustrierendes Beispiel (ob der Bezeichnung etwas irritierend, 19): Eine kurze Präsentation von Alexander Demandts 'Der Fall Roms. Die Auflösung des Römischen Reiches im Urteil der Nachwelt' (München 1984) führt die Zeitgebundenheit historischer Deutungen plastisch vor Augen. Ferner ergänzen Schemata, Karten und Abbildungen den Text, der mit den 'Aufgaben zum Selbsttest', die in diesem Zusammenhang etwas seltsam anmuten - "Mit welchen Fragestellungen beschäftigt sich die Alte Geschichte heute?" (37) - und mit gezielten Literaturangaben abschließt.
Dieses didaktische Konzept kommt in den Abschnitten am sinnvollsten zur Geltung, in denen Präsentation, Annäherung und Vermittlung des Gegenstandes anhand von Beispielen sich geradezu zwangsläufig ergeben, wie im zweiten und im vierten Abschnitt. Im zweiten thematisieren Hartmut Blum und Reinhard Wolters die Quellen der Alten Geschichte und ihrer Hilfs- und Nachbardisziplinen (39-122), das heißt, sie unterscheiden zwischen Tradition und Überrest, zwischen schriftlichen und schriftlosen Quellen und orientieren sich schließlich bei ihrer Gliederung an den benachbarten Disziplinen. Damit ergeben sich als einzelne Gruppierungen die literarischen Quellen (also die durch die mittelalterliche Handschriftentradition überlieferten Texte), Inschriften, Papyri, Münzen und schließlich die materielle Hinterlassenschaft. Wenn es nun um wissenschaftliche Textkritik geht, bekommen die Fachtermini am Textrand eine ganz andere Relevanz (44-50), wenn unter der Überschrift 'Datierungsmöglichkeiten' der Schriftverlauf Boustrophedon oder die Schreibweise Stoichedon erklärt werden, ergänzen die Abbildungen den Text nicht nur, sondern wirken ungleich erhellender (73f.). Und wenn im Kapitel Numismatik im Selbsttest die Begriffe 'Münztyp', 'Stempel' und 'Münze' erläutert werden sollen und dieses mit Erfolg geschehen ist, dann kann der Studienanfänger auch sicher sein, sich Basiswissen angeeignet zu haben. Insbesondere die Exkurse 'Quellentext befragt' (61-63), 'Inschrift befragt' (79-82) bieten jeweils ein schönes Beispiel für eine ausgewogene Interpretation, die zudem deutlich aufzeigt, auf welche Fragen dieser Quellentypus keine Antwort geben kann und inwiefern dem Historiker somit Grenzen der Erkenntnis gesetzt sind. Den vierten Abschnitt widmen die Autoren 'Speziellen Zugangsweisen' (183-221) wie der Chronologie, der Historischen Geographie, der Prosopographie und der Historischen Anthropologie, indem sie ihre Frageansätze und ihr methodisches Vorgehen darlegen und exemplarisch erläutern.
Im dritten Teil führen die beiden Tübinger Historiker in wissenschaftliches Arbeiten ein (123-182). Er umfasst von Quellensuche und Bibliographieren über den Aufbau eines Exzerpts bis hin zu Referat und Hausarbeit wohl jede notwendige Arbeitstechnik und Darstellungsform, die EDV-gestützte Recherche und die digitale Literatursuche sowie e-Publikationen sind ebenfalls vertreten (150-157). Der fünfte Teil dagegen sucht einerseits eine Einführung in das Studium zu geben und andererseits berufliche Perspektiven aufzuzeigen (223-252); das ist zugegebenermaßen in Zeiten des Umbruchs kein leichtes Unterfangen. Die Autoren weisen auf sprachliche Voraussetzungen hin, Fächerkombinationen, Veranstaltungsformen etc. und haben dabei stets - wie auch bei den Berufsfeldern Lehramt, Archivar- oder Bibliotheksdienst, Verlag oder Öffentlichkeitsarbeit - die traditionellen Abschlüsse im Blick. Es bleibt bei einem Hinweis auf die Modularisierung und Verschulung des Geschichtsstudiums durch die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge (B.A. / M.A.), die bei der Berufswahl eine problemlose Gleichstellung erführen. In diesem Fall sind die beiden Autoren einerseits zu spät und andererseits zu früh: Eine Skizzierung der neuen Abschlüsse wäre angesichts der Tatsache, dass ihre Studierbarkeit ja nun schon beinahe bundesweit Realität ist, durchaus zu erwarten gewesen; wie der Arbeitsmarkt die entsprechenden Kandidaten in Kürze in Konkurrenz zu jenen mit traditionellem Magister- und Staatsexamensabschluss aufnehmen wird, kann dagegen wohl noch niemand sagen.
Die Einführung von Hartmut Blum und Reinhard Wolters unterscheidet sich tatsächlich insofern von anderen, als sie aufgrund des Konzepts der 'UTB basics' die Grundfesten eines Studiums der Alten Geschichte einmal nicht traditionell, sondern den Rezeptionsgewohnheiten aktueller Generationen von Studierenden angemessen präsentiert. Es spricht nichts dagegen, eine Schulszene von einem Grabstein aus dem 2./3. Jh. n. Chr., Fundort Neumagen, auf dem Einband in Neonfarben aufleuchten zu lassen - solange sich hinter der farbigen Virtualität profunde Qualität verbirgt, die aus jahrelanger Lehrtätigkeit resultiert.
Sabine Panzram