Rezension über:

Oliver Schmitt: Constantin der Große (275-337), Stuttgart: W. Kohlhammer 2007, 320 S., ISBN 978-3-17-018307-0, EUR 19,00
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Karl-Wilhelm Welwei
Fakultät für Geschichtswissenschaft, Ruhr-Universität Bochum
Redaktionelle Betreuung:
Mischa Meier
Empfohlene Zitierweise:
Karl-Wilhelm Welwei: Rezension von: Oliver Schmitt: Constantin der Große (275-337), Stuttgart: W. Kohlhammer 2007, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 10 [15.10.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/10/13279.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Oliver Schmitt: Constantin der Große (275-337)

Textgröße: A A A

Im Jahr der Konstantin-Ausstellung in Trier häufen sich Untersuchungen und Darstellungen zur Herrschaft und Persönlichkeit Konstantins des Großen. Oliver Schmitt will mit dieser Biographie ein neues Bild des Kaisers vermitteln. Er skizziert nach einem Überblick über die Quellen zur Vita und zur Regierung Konstantins zunächst die Geschichte des Römischen Reiches von der Begründung des Prinzipats bis Diocletian.

Auffällig ist hier zunächst sein apodiktisches Urteil, dass es sich beim römischen Kaiserreich "zuerst und zuletzt um eine Militärmonarchie" handelte (21). Mag diese Einschätzung für die Spätzeit zutreffen, erscheint sie für die Anfänge unzutreffend. Zweifellos besaß bereits Augustus eine breite militärische und materielle Machtbasis, doch ist Schmitts Terminus unangemessen. Die Legionen standen in den Provinzen, und die Prätorianergarde hat Augustus keineswegs dauernd durch Aufmärsche und Paraden zur Schau gestellt. Im Grunde entzieht sich sein Prinzipat einem verfassungstheoretischen Schema.

Problematisch sind auch anachronistische Vergleiche bestimmter Phasen römischer Expansionspolitik mit Ereignissen und Entwicklungen der Gegenwart. Schmitt bemerkt zum Partherkrieg Traians und zur kurzfristigen römischen Okkupation Mesopotamiens, die Römer hätten "nach dem Germanenkrieg des Augustus" erneut erfahren, "dass das Überrennen eines Gebietes und das [...] effektive Kontrollieren desselben zwei ganz verschiedene Paar Schuhe sind" (29). Er verweist dazu auf die gegenwärtige Irakpolitik der USA. Ein Vergleich der genannten Ereignisabläufe erscheint indes wegen der völlig verschiedenen politischen Konfigurationen und der unterschiedlichen Zielsetzung der verantwortlichen Entscheidungsträger nicht möglich.

Den Aufstieg Konstantins erörtert Schmitt im Kontext einer Darstellung der Tetrarchie Diocletians. Eine schwere Belastung dieses Systems blieb die Christenverfolgung, die Schmitt entgegen den Angaben des Lactanz (De mortibus persecutorum 12-15) wohl mit Recht auf mehrere entsprechende Edikte Diocletians zurückführt.

In Frage gestellt wurde die Tetrarchie, die im Jahr 305 nach dem Rücktritt Diocletians und des Maximianus von Constantius und Galerius als Augusti und von Maximinus Daia und Licinius als Caesares repräsentiert wurde, bereits 306, als Konstantin in Eboracum (York) unmittelbar nach dem Tod seines Vaters Constantius sich von den dort stationierten Truppen zum Kaiser akklamieren ließ. Es handelte sich um eine Usurpation. Nach Auffassung Schmitts (103) soll freilich Eusebios (De vita Constantini 1,22,1) mit einem Hinweis auf eine Mitwirkung des "Volkes" (von Eboracum) sich "nicht allzu weit von der Realität entfernt" haben. Eusebios hebt aber in seiner Historia ecclesiastica (8,13,14) ebenso wie Lactanz (De mortibus persecutorum 24,8) eindeutig die Rolle der Soldaten bei der Erhebung Konstantins hervor.

Ein zentrales Thema des Buches ist die 'Konstantinische Wende', die von antiken Autoren auf göttliche Zeichen zurückgeführt wurde. Schmitt behandelt detailliert die Ausführungen eines anonymen Panegyrikers des Jahres 310 (Panegyrici Latini 6 [7] 21,2-7) über eine Vision Konstantins in einem Apollotempel in Gallien, die Darstellung einer Himmelserscheinung in Form eines Kreuzes bei Eusebios (Vita Constantini 1,28-29) sowie den Bericht des Lactanz (De mortibus persecutorum 44,5) von einem Traum, in dem der Kaiser zur Verwendung der Kreuzessymbolik im Kampf gegen Maxentius aufgefordert wurde. Nach Auffassung Schmitts hatte der Sieg Konstantins mit seiner Bekehrung zum Christentum "ursprünglich nicht das Mindeste zu tun" (161). Die bei Lactanz und Eusebios vorliegenden Nachrichten deuten indes darauf hin, dass Konstantin bemüht war, die Hilfe aller erdenklichen göttlichen Kräfte vor der Entscheidungsschlacht zu finden.

Schmitt ist sicherlich zu Recht der Auffassung, dass Konstantins Hinwendung zum Christentum ein längerer Prozess war. In Konstantins Propaganda verband sich noch nach dem Ende des Maxentius christliche Symbolik mit römischer Erinnerungskultur. Hierdurch sollten wohl nicht zuletzt aus politischen Gründen unterschiedliche Zielgruppen erreicht werden. Schmitt vermutet demgegenüber, dass Christen in der Umgebung des Kaisers es "klüglich vermieden", ihn über die Unterschiede zwischen Sonnenreligion und Christentum aufzuklären (194). Hiermit lässt sich aber die nur zeitweilige Selbstdarstellung des Kaisers als Inkarnation des Sol invictus nicht erklären. Schmitt sucht seine These durch Hinweise auf die Terminologie in der von Eusebios (Vita Constantini 3,12) in griechischer übersetzung referierten Ansprache Konstantins zur Eröffnung des Konzils von Nikaia zu stützen. Er nimmt an, dass Konstantin nur vom "Erlösergott" (Theos Soter), nicht aber von Christus gesprochen habe. Dogmatische Probleme und Entscheidungen werden zwar in diesem Kontext nicht angesprochen. Dass Konstantin aber in der christologischen Frage, die auf dem Konzil zur Diskussion stand, völlig falsche und ihn irreführende Informationen erhalten hat, ist wohl auszuschließen.

Heinz Heinen hat kürzlich auf die Vielschichtigkeit der Thematik "Konstantin und das Christentum seiner Zeit" hingewiesen [1]. Schmitt vereinfacht das Problem, wenn er "als Kehrseite der genialen militärischen Begabung Konstantins" einen beschränkten geistigen Horizont des Kaisers vermutet und annimmt, dass er "vom Wesen des Christentums so gut wie nichts begriffen" habe (279) und "der christlichen Kirche auf den Leim gegangen" sei (280). Apodiktische Urteile führen indes nicht weiter. Verschiedene andere Formulierungen Schmitts bestätigen dies. Exegese ist wohl nicht seine Stärke. Die Tempelreinigung (Johannes 2,15) kommentiert er mit den Worten, dass Jesus im Tempelbezirk von Jerusalem "mit seinem zumindest teilweise bewaffneten Gefolge zu randalieren begann" (46).

Schmitt war bemüht, in der Beurteilung Konstantins neue Akzente zu setzen. Dies ist ihm mehrfach gelungen, doch sind verschiedene Wertungen nicht akzeptabel.


Anmerkung:

[1] Heinz Heinen, Der Sieg des Kreuzes, in: Trierer Theologische Zeitschrift 3 (2007), 221-237.

Karl-Wilhelm Welwei