Cathal J. Nolan: The Age of Wars of Religion 1000 - 1650. An encyclopedia of global warfare and civilization, Westport, CT / London: Greenwood Press 2006, 2 Bde., LXVII + 1076 S., ISBN 978-0-313-33045-2, GBP 140,00
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Wie schon seine 2002 erschienene vierbändige Enzyklopädie der internationalen Beziehungen [1], legt der Bostoner Historiker Cathal Nolan seine neue zweibändige Enzyklopädie der Kriegführung nicht etwa als koordinierender Herausgeber, sondern als alleiniger Verfasser vor. Als Untersuchungszeitraum dient ihm das Zeitalter der Religionskriege, das der Autor im Jahr 1000 beginnen und 1650 enden lässt. Geografisch ist das Werk nicht eingeengt, sondern ausdrücklich global angelegt. Neben den lexikalischen Einträgen enthält die Enzyklopädie 25 - am Anfang beider Bände identisch zusammengestellte - Karten, Lage- und Aufmarschpläne, zudem eine Liste aller Lemmata, ein ausführliches Register sowie eine umfangreiche Bibliographie.
Von insgesamt 3603 Einträgen verbleiben nach Abzug der 929, bei denen es sich nur um simple Verweise handelt, immer noch ansehnliche 2674 Artikel, die sich auf etwas mehr als 1000 Seiten Text verteilen. Die kürzesten unter ihnen begnügen sich dabei mit einigen wenigen Zeilen, während die ausführlichsten, etwa jener zum Dreißigjährigen Krieg, sich über mehr als zwölf Seiten erstrecken (846-858). Die Einträge behandeln Begriffe aus den zwei Großgruppen Militär- und Religionsgeschichte. So erläutert Nolan Waffentechnik, Kommandostrukturen, Drill, Logistik, Militärverwaltung und -organisation, fasst aber auch Ziele und Ablauf großer Kriege sowie wichtiger Schlachten zusammen (diese vor allem dann, wenn sie einschneidende Neuerungen in Strategie, Taktik oder Kampftechnik brachten). Das zweite, allerdings viel kleinere Feld behandelt wichtige Religionsgruppen (vor allem die als häretisch angesehenen) und theologische Streitfragen. Abgerundet werden die zwei Themenkomplexe durch eine Reihe biografischer Abrisse zentraler Persönlichkeiten aus Politik-, Militär-, Religions- und Geistesgeschichte. Wo hier allerdings die im Titel angekündigte spezifisch zivilisatorische Komponente zu suchen ist, bleibt unklar.
Die Grundidee bei der Zusammenstellung des Werks beruht auf der Annahme, dass - bezogen auf den hier behandelten Zeitraum - "war and faith formed a seamless, sanguinary whole" (XLV). Jede, wo auch immer in der Welt angesiedelte und wie auch immer geartete Zivilisation von Rang brach Nolan zufolge bewaffnete Konflikte also nicht nur aus politischen oder wirtschaftlichen Anlässen vom Zaun, sondern auch, um eigene religiöse Anschauungen durchzusetzen oder spirituelle Bedürfnisse zu befriedigen (XLV). Und selbst bei jenen Kriegen, die eindeutig anderen Motivationen entsprangen, wurden religiöse Gründe zur Rechtfertigung des eigenen Handelns zumindest vorgeschoben (LV). Trotzdem sei der viel beschworene "Clash of civilisations" in dem behandelten Zeitraum die Ausnahme gewesen. Die allermeisten Konflikte entluden sich vielmehr innerhalb eines Kulturraums, in dem um den wahren Glauben gestritten wurde.
Zumindest in Europa trat diese religiöse Komponente mit Ende des Dreißigjährigen Krieges in den Hintergrund, um nun den machtpolitischen Erwägungen der Balance of Power und der Staatsraison Platz zu machen (XLIX). Anderswo blieb sie aber, wie Nolan einräumt, auch nach 1648 noch präsent, so etwa während des chinesischen Taiping-Aufstands (1851-1864), bei dem Kämpfe zwischen der herrschenden Qing-Dynstie und einer christlichen Sekte wahrscheinlich 30 Millionen Todesopfer forderten. Aber auch im Amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865), bei dem die Haltung zur Sklaverei maßgeblich durch das religiöse Selbstverständnis der Kontrahenten bestimmt wurde, oder nach dem Zweiten Weltkrieg in den Konflikten des Mittleren Ostens, die durch den erwachenden Islam verschärft wurden (L).
Die Artikel sind klar strukturiert, allgemeinverständlich formuliert und bemühen sich immer - wenn der Platz dies zulässt - den aktuellen Forschungsstand zusammenzufassen. Aber gerade an dieser Stelle zeigen sich auch die Schwächen eines derart breit angelegten Werkes. Denn wer im Alleingang die Militärgeschichte sowie die Grundzüge der Religionsgeschichte für einen Zeitraum von sechseinhalb Jahrhunderten für den gesamten Planeten zusammenfassen will, stößt eben hier an seine Grenzen. Dieses ohnehin schon nicht einfache Unterfangen wird noch zusätzlich erschwert, wenn man wie Nolan versucht, sich ein vollständiges und ausgewogenes Bild zu einem Thema zu verschaffen, indem man fast ausschließlich englischsprachige Literatur benutzt. Als ein Beispiel dafür lässt sich die Darstellung des Forschungsstandes in dem Kardinal Richelieu gewidmeten Eintrag (738-742) anführen: "Some historians, especially the Germans, call him overly aggressive and warlike and portray his reign as a disaster for France and Europe." (739) Angesichts dieser Einschätzung hat Nolan offensichtlich keine Kenntnis der einschlägigen Arbeiten Hermann Webers oder Klaus Malettkes. Denn die liegen nur auf deutsch oder französisch vor.
Nolan schickt seinem Lexikon eine Erklärung voraus, um seinen Alleingang zu rechtfertigen. Hier führt er aus, dass die Spezialisierung des Historikers zur Vergrößerung des Detailwissens zwar notwendig sei, in der Regel jedoch den Blick auf die großen Zusammenhänge verstelle (LI). Dem möchte man sich zwar grundsätzlich anschließen, doch hätte das insgesamt lobenswerte Unterfangen noch gewinnen können, wenn für Spezialfragen ausgewiesene Kenner der Materie hinzugezogen worden wären. Das soll den Wert des Buchs jedoch in keiner Weise schmälern oder gar in Abrede stellen. Denn sowohl für das anvisierte Publikum - Studenten und interessierte Laien - als auch für Fachkollegen birgt das Lexikon zweifelsohne Erkenntnisgewinn.
Anmerkung:
[1] Cathal J. Nolan: The Greenwood Encyclopedia of International Relations, 4 Bde., Westport (Co.)/London 2002.
Jörg Ulbert