Rezension über:

Charles W.A. Prior: Defining the Jacobean Church. The Politics of Religious Controversy, 1603-1625 (= Cambridge Studies in Early Modern British History), Cambridge: Cambridge University Press 2005, xiv + 294 S., ISBN 978-0-521-84876-3, GBP 50,00
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Rezension von:
Kerstin Weiand
Fachgebiet Neuere Geschichte, Philipps-Universität, Marburg
Redaktionelle Betreuung:
Michael Kaiser
Empfohlene Zitierweise:
Kerstin Weiand: Rezension von: Charles W.A. Prior: Defining the Jacobean Church. The Politics of Religious Controversy, 1603-1625, Cambridge: Cambridge University Press 2005, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 11 [15.11.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/11/13127.html


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Charles W.A. Prior: Defining the Jacobean Church

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Seit einiger Zeit haben religionsgeschichtliche Arbeiten zur Regierungszeit Jakobs I. von England Konjunktur. Innerhalb dieser Arbeiten tritt das vorliegende Werk recht selbstbewusst mit dem Anspruch hervor, ein neues Verständnis und eine neue Interpretation der innerprotestantischen Auseinandersetzungen, ihrer Trennlinien und Argumentationsmuster im England des ersten Viertels des 17. Jahrhunderts zu bieten.

Unter der sehr einleuchtenden Prämisse, dass diese innerkonfessionellen Divergenzen nicht allein von theologischen Reflexionen bestimmt waren, sondern auch politische Implikationen enthielten, nimmt der Autor kirchenpolitische Auseinandersetzungen um die "nature of the visible church" (17) sowie um Kirchenverfassung und Riten in den Blick. Diese untersucht er anhand einer großen Zahl gedruckter Kontroversliteratur unterschiedlicher Provenienz. Im Mittelpunkt stehen die Fragen nach der jeweiligen Bestimmung und Interpretation der Church of England, den Auswirkungen der ekklesiologischen Diskurse auf die politischen Wahrnehmungsmuster der Zeitgenossen sowie der Bedeutung historischer Argumentationen zur Legitimierung des jeweiligen Standpunktes.

Die Selbstständigkeit der Arbeit wird zunächst an der konsequenten Begriffswahl deutlich: Prior verzichtet auf gängige, jedoch für den untersuchten Zeitraum kaum klar zu definierende Kategorien wie puritans, dissenters, Anglicans und begnügt sich stattdessen mit der Unterscheidung in conformists - die Verteidiger des bestehenden Kirchensystems - und reformists - dessen Kritiker, die eine weitergehende Reform der Kirche anstrebten. Diese Entscheidung erhöht zwar die Übersichtlichkeit des Werkes und umgeht die wenig erkenntnisfördernden Antagonismen zwischen Anglikanern und Puritanern, Arminianern und Calvinisten, birgt aber auch die Gefahr der Suggestion homogener Gruppenbildungen.

Großen Wert legt der Autor darauf, einzelne Kontroversen in ihrem Zusammenhang und der jeweiligen Bezogenheit der Verfasser aufeinander darzustellen. Die Gliederung, innerhalb derer einzelne thematische Komplexe in zeitlicher Perspektive verfolgt werden, weist fünf Hauptkapitel auf. Zunächst werden die grundlegenden Stellungnahmen der conformists zur Kirchenordnung dargelegt. Unter Einbeziehung vorangegangener Kontroversen in Elisabethanischer Zeit werden im zweiten Teil die Spannungen analysiert, die im Zuge der Hampton Court Conference und der Einführung der Canons 1604 verstärkt hervortraten und die vornehmlich die Frage kirchlicher Jurisdiktion und das Verhältnis von Kirchenzucht und Common law zum Gegenstand hatten. Der dritte Abschnitt thematisiert die energischen Kontroversen über die Kirchenverfassung - insbesondere den Episkopat und seinen Machtanspruch - sowie über die doktrinelle und historische Legitimierung einzelner Riten. Zuletzt werden die Konflikte zwischen der Scottish Kirk und der Church of England untersucht, die durch Bemühungen Jakobs und einiger englischer Konformisten geschürt wurden, die englische Kirchenverfassung und Uniformitätsbestimmungen auch auf die presbyterial strukturierte schottische Kirche zu übertragen.

Es gelingt dem Autor, grundlegende Positionen von conformists und reformists luzid herauszuarbeiten: Beiden gemeinsam war das Bemühen, den eigenen Standpunkt mithilfe historischer, biblischer oder patristischer Präzedenzen zu legitimieren, beide sahen in der Religion das Fundament stabiler Politik und erkannten die Verantwortung der Krone für die Ordnung von Kirchenfragen grundsätzlich an. Für die Konformisten verkörperte die Church of England die wahre Kirche, die ancient and reformed war, also in der Tradition der von Christus gegründeten Urkirche stand und die Ziele der Reformation erfüllte. Kritik rief ihre Grundannahme hervor, die Kirche repräsentiere ein "dual establishment" (26) und sei sowohl in der geistlichen wie in der weltlichen Sphäre verhaftet. Dem Herrscher, als Souverän der Kirche, war es demnach möglich, iure humano - durch menschliche Rechtsetzung - Riten und Strukturen zu bestimmen, insofern diese sich auf sogenannte adiaphora bezogen - Elemente des Ritus, die zur Erreichung des Seelenheils unerheblich waren. Zudem konnte und musste er die Uniformität der Gläubigen als Basis für Stabilität und Ordnung auch des politischen Gemeinwesens rechtlich einfordern und durchsetzen. Kernpunkt für die Konformisten war die Verteidigung der Bischofsverfassung und der bischöflichen Jurisdiktionsgewalt über den Klerus. Deren Herleitung war ebenso wie das Verhältnis der Bischöfe zur Krone unterschiedlichen Interpretationen durch die Autoren unterworfen, die zwischen biblischer und apostolischer Tradition sowie der Einsetzung durch den Herrscher variierten.

Die Kritik von Seiten der Reformisten bezog sich auf die Vermischung von geistlichen und weltlichen Elementen in der Verfassung der Church of England. Sie sahen die Reformation der Kirche als unvollendet an und traten für eine vollständige Ausrichtung nach der Bibel und den Kirchenvätern auch in Fragen der Liturgie, der Riten und der Kirchenverfassung ein. Die Bischofsordnung und vor allem deren jurisdiktionelle Macht sowie die Rechtsprechung des Court of High Commission lehnten sie als unrechtmäßige Innovationen ab. Dabei kritisierten sie die Praxis der Amtsenthebungen nonkonformer Geistlicher als Verstoß gegen biblische Tradition, die Rechtsgrundlagen des englischen Gemeinwesens, das Common law, und als Untergrabung der Souveränität des King in Parliament. Die Autorität des Königs über die Kirche wurde akzeptiert, war aber in den Augen der Reformisten an das Recht und an die Kompetenz zum Schutz der "reinen Lehre" gebunden.

Prior gelingt es anschaulich, die argumentativen Grundlagen der kirchenpolitischen Kontroversen unter Jakob I. darzulegen. Besonderen Verdienst erwirbt er sich, indem er die gegenseitige Beeinflussung und die Entwicklung der Standpunkte durch die Auseinandersetzung mit der Gegenseite sowie die Kontinuitätslinien der Debatten von der Regierungszeit Elisabeths bis in die 1640er Jahre deutlich herausstellt. Er wendet sich gegen eine Forschung, die sich auf das Aufkommen des Arminianismus bzw. Laudianismus als Grundlage der religionspolitischen Auseinandersetzungen der frühen Stuartzeit konzentriert, indem er die Komplexität kirchenpolitischer Kontroversen der vorangegangenen Epoche aufzeigt. Die Unvereinbarkeit fundamentaler Standpunkte bezüglich Fragen der Geschichte, der Theologie und des Rechts und die enge Verflechtung der Kirchendoktrin mit Fragen von Souveränität und Rechtslegitimität ließen Kontroversen im kirchenpolitischen Rahmen leicht zu Auseinandersetzungen in größerem politischen Kontext werden.

Was die Ergebnisse dieser Studie angeht - die grundsätzlich sicher auf Zustimmung treffen werden - so ist zu konstatieren, dass der Autor einmal mehr die enge Verflechtung von Politik und Religion in der Frühen Neuzeit herausstellt, die mittlerweile von der Forschung nicht mehr in Abrede gestellt werden dürfte. Auch die Erkenntnis von der Bedeutung historischer Diskurse zur Rechtfertigung aktueller Standpunkte dürfte niemanden überraschen. In seinem Schlusswort konstruiert der Autor eine "language of ecclesiastical polity" (255), eine Mischform aus theologischen, historischen und politischen Sprachen, die die Frage nach dem Erkenntnisgewinn dieser Kategorisierung leider offen lässt. Obwohl die Konzentration auf kirchenpolitische Aspekte prinzipiell legitim ist, hätte man sich doch an einigen Stellen - etwa im Bezug auf die Rechtfertigung einzelner Riten - eine stärkere Berücksichtigung der theologischen Begründungen gewünscht.

Zudem erscheint die Fragestellung des Autors etwas einseitig: Es wird nach den Auswirkungen ekklesiologischer Debatten auf politische Wahrnehmungsmuster geforscht, ohne gleichzeitig umgekehrt die Implikationen politischer Wahrnehmungsmuster auf kirchenpolitische Kontroversen in den Blick zu nehmen. Beispielsweise zeigen gerade die Diskussionen über die Union zwischen England und Schottland, dass es noch andere Bedenken als kirchenrechtliche gegen die Annäherung beider Gemeinwesen gab. Eine stärkere Berücksichtigung der Wechselseitigkeit dieser Beeinflussung hätte den Wert der Studie noch erhöht.

Anreize zur Diskussion bietet sicherlich Priors abschließende These, in der er die militärische Auseinandersetzung seit 1640 als "war of religion" (265) bezeichnet und die er vom Verdacht eines monokausalistisches Erklärungsprinzips für die militärischen Auseinandersetzungen nicht freimachen kann. Insgesamt liegt hier eine lesenswerte und übersichtliche, allerdings in Teilen etwas redundante Studie vor. So erkenntnisfördernd ihr Ansatz ist, wird die Studie trotz ihrer Qualität den weitgespannten Ansprüchen des Autors nur in Teilen gerecht.

Kerstin Weiand